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Viel zu tun: China wächst – zumindest beim Export. Insgesamt aber hat sich das Wirtschaftswachstum des Landes abgeschwächt. Die Regierung steuert dagegen. Foto: AFP

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Wirtschaft: Zwei Tage mehr

Chinas Handelsbilanz sieht gut aus. Das hat aber vor allem statistische Gründe.

Peking – Ein bisschen ist es dem Kalender zu verdanken, dass Chinas Außenhandel so gute Zahlen aufweisen kann. Normalerweise fallen in China im Mai rund um den Tag der Arbeit drei Feiertage an, doch in diesem Jahr durften die Chinesen ihre freien Tage bereits ab dem 29. April genießen. So standen im Mai zwei Arbeitstage mehr zur Verfügung – einer der Gründe, warum die chinesische Zollverwaltung am Sonntag für den fünften Monat des Jahres einen neuen Rekord für den Außenhandel vermelden konnte.

Demnach ist Chinas Außenhandel im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat um 14,1 Prozent auf eine neue Rekordgesamtsumme von 343,58 Milliarden US-Dollar gestiegen. Die Exporte wuchsen ebenfalls auf eine neue Rekordsumme von 181,14 Milliarden US-Dollar – ein Zuwachs von 15,3 Prozent. Und die Importe stiegen um 12,7 Prozent auf bisher noch nie erreichte 162,44 Milliarden US-Dollar. Diese Zahlen liegen deutlich über den Erwartungen der Analysten. Sie zeigen, dass „Chinas Außenhandel seine schwächste Phase überwunden hat“, wird Huo Jianguo, Direktor der Chinesischen Akademie für Internationale Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, von der Nachrichtenagentur Xinhua zitiert. Im April war Chinas Außenhandel lediglich um 2,7 Prozent gewachsen.

Trotzdem solle China vorsichtig bleiben, findet Huo Jianguo, angesichts der Unwägbarkeiten in der Entwicklung der europäischen Schuldenkrise. Zumal das Nationale Statistikamt am Wochenende in Peking weitere wirtschaftliche Kennzahlen veröffentlicht hat, die unterstreichen, dass Chinas Wirtschaft noch mitten in der Schwächeperiode steckt. Die Industrieproduktion enttäuschte die Erwartungen der Experten deutlich und konnte mit einem Zuwachs von 9,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zum zweiten Mal in Folge nicht über zehn Prozent wachsen. Das war zuvor fast drei Jahre lang nicht mehr vorgekommen.

Auch der Einzelhandelsumsatz sank zum zweiten Mal in Folge auf 13,8 Prozent Wachstum. Die Inflationsrate von 3,0 Prozent – der niedrigste Stand seit 23 Monaten – ist wie der Einzelhandelsumsatz ein weiteres Indiz dafür, dass die Binnennachfrage gesunken ist.

Chinas Wirtschaft war im ersten Quartal nur um 8,1 Prozent gewachsen, es war der niedrigste Wert seit fast drei Jahren. In der vergangenen Woche hat Peking daher weitere Maßnahmen getroffen, um das Wachstum zu fördern. Überraschend senkte am Donnerstag die Zentralbank erstmals seit 2008 den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte. Am Freitag wurden zum zweiten Mal innerhalb eines Monats die Benzinpreise um 5,5 Prozent reduziert.

Die Regierung setzt in diesem Jahr auf Feinsteuerung und nicht mehr wie noch 2008 auf ein milliardenschweres Konjunkturprogramm. Was angesichts der guten Exportwerte sogar von Erfolg gekrönt sein könnte, schreibt die asiatische Broker-Firma CLSA: „Wenn sich dieser Trend fortsetzt und wenn die Exporte nicht in einem Maße einbrechen, dass Millionen Arbeiter entlassen werden müssen, sollte eine fortgesetzte Politik des Feintunings ausreichen, um wirtschaftliches Wachstum von acht Prozent für das gesamte Jahr zu generieren.“ Die chinesische Regierung ist bescheidener. Ihr Ziel: ein Wachstum von 7,5 Prozent, mindestens. Benedikt Voigt

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