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Wirtschaft: Zwischen Rotstiftpolitik und Kompromißformeln

Wenn Dominique Strauss-Kahn vom deutsch-französischen Verhältnis redet, gerät der Mann regelrecht ins Schwärmen.Waren wir uns jemals näher als heute, fragt er in die Runde.

Wenn Dominique Strauss-Kahn vom deutsch-französischen Verhältnis redet, gerät der Mann regelrecht ins Schwärmen.Waren wir uns jemals näher als heute, fragt er in die Runde.Sein Antrittsbesuch in den neuen Ländern, in Berlin und Dresden, gerät zur Kundgebung.Frankreichs Superminister, der über Finanzen, Wirtschaft und Industrie wacht, tritt bestimmt auf - und witzig.Das kommt an.Sein "Freund Oskar" in Bonn und er in Paris.Keine Frage, Sozialdemokraten und Sozialisten ziehen an einem Strang.Der Flankenschutz für die deutsche Ratspräsidentschaft ist Programm.

An Frankreich, lautet die Boschaft, soll die Agenda 2000, die der Europäischen Union einen maßgeschneiderten Finanzrahmen für die nächsten Jahre verpasst und die Gemeinschaft mithin erst erweiterungsfähig macht, jedenfalls nicht scheitern.Zwar kennt auch der Superminister keinen Königsweg.Immerhin weiß er aber, was auf keinen Fall akzeptabel wäre: ein Kompromiß auf dem Rücken eines einzigen Landes.Strauss-Kahn: "Ist es klein, kann es nicht so viel zahlen.Ist es groß, heißt es Frankreich."

Pierre Moscovici ist da schon weniger zum Scherzen aufgelegt."Es wird höchste Zeit, daß die deutsche Ratspräsidentschaft etwas auf den Tisch bringt, was den Weg zu einem Abkommen aufzeigt," machte der französische Europaminister in der "Libération" Druck.Mit anderen Worten: Die deutschen Freunde sollen ihrer Vermittlerrolle endlich gerecht werden und die nationalen Interessen, also die so laut intonierte Nettozahler-Debatte, zurückstellen.Keine Spur von Kompromißbereitschaft.Von der sogenannten Ko-Finanzierung, die es den einzelnen EU-Staaten erlauben würde, einen Teil der direkten Agrarsubventionen an die Bauern aus nationaler Kasse zu zahlen und somit den EU-Haushalt optisch zu entlasten, will Paris schon gar nichts wissen.Die Franzosen hätten das Nachsehen und draufzahlen gilt nicht.Soviel zur deutsch-französischen Partnerschaft.

Tatsächlich ist die Lage für die deutsche Ratspräsidentschaft rundum ungemütlich.Zwischen Sparkurs und Kompromißsuche bleibt nur die Quadratur des Kreises.Soll die Agenda 2000 plangemäß noch im ersten Halbjahr unter Dach und Fach gebracht werden, und das sind die Deutschen ihrem Anspruch als Anwalt der Osterweiterung eigentlich schuldig, müssten schon in den nächsten Tagen handfeste Kompromisse her.Enstprechend dicht sieht der Fahrplan aus: Tag für Tag bilaterale Gespräche, die Klausurtagung der EU-Außenminister, offizieller Rat am Montag, parallel der Rat der Agrarminister bis Donnerstag.Zum Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU am kommenden Wochenende auf dem Petersberg will man nicht mit leeren Händen kommen.Denn schon vier Wochen später soll das Gesamtpaket auf einem Sondergipfel in Berlin verabschiedet werden.

Wenigstens plädiert die Mehrheit der EU-Staaten inzwischen für das Einfrieren der Ausgaben, womit eine neue Debatte um weitere sogenannte Korrekturmechanismen nach dem Vorbild des Briten-Rabatts vermieden wäre.Unter dem sperrigen Arbeitstitel der "realen Konstanz" haben die Deutschen ein Sparpapier entwickelt, dem auch die Franzosen zustimmen können.Der 170 Mrd.DM schwere EU-Haushalt soll lediglich um die jährliche Inflationsrate steigen dürfen, bzw.nicht schneller wachsen als die nationalen Etats im Schnitt zunehmen.Ein Lichtblick für die Riege der Nettozahler, allen voran für die Deutschen, die noch vor den Österreichern, Schweden und Niederländern mit netto 22 Mrd.DM den dicksten Batzen in die Brüsseler Kasse zahlen und jetzt einen Schlußstrich ziehen wollen.Arbeitstitel: Mehr Beitragsgerechtigkeit.

Die Deckelung des Gesamtetats gilt natürlich auch für die Agrarausgaben, die mit umgerechnet knapp 80 Mrd.DM den größten Brüsseler Etatposten ausmachen und nun - angelehnt ans letzte Budget - eingefroren werden sollen.Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke ist guter Dinge, daß er schon zum Auftakt des mehrtägigen Agrarrates, der heute in Brüssel beginnt, eine Kompromißformel für die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik zustandebringt.Publikum hat sich bereits angemeldet.30 000 Bauern wollen sich die von Brüssel verordnete Kürzung der Garantiepreise für Milch, Getreide und Rindfleisch um bis zu 30 Prozent nicht gefallen lassen.Aus Furcht vor Ausschreitungen hat die Polizei schon mal weiträumige Absperrungen angeordnet und die EU-Kommission stellte ihren Mitarbeitern frei, zum Dienst zu erscheinen.Zwar dürfen die Landwirte zum Ausgleich auf direkte Einkommensbeihilfen hoffen, doch unterm Strich wird ihnen ein Minus in der Kasse bleiben.Denn die direkten Beihilfen sollen - um dem Sparauftrag gerecht zu werden - degressiv gestaltet werden; also Jahr für Jahr um einen bestimmten Prozentsatz sinken.

Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf zeigt wenig Verständnis für die Demos der Bauern, hinter denen er das Interesse einiger weniger vermutet, und lenkt den Blick in eine andere Richtung.Dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft gehen die Sparvorgaben aus Brüssel nämlich noch nicht weit genug: Vier Prozent der Betriebe in der EU hätten bislang rund 40 Prozent der Subventionen eingestrichen, erläutert der Grünen-Politiker, der auch als Vizepräsident im Agrar- Ausschuß des Europaparlaments sitzt.Das soll anders werden, frei nach dem Motto weniger ist mehr.

Das Einfrieren der Agrarausgaben hilft der deutschen Ratspräsidentschaft zwar ein Stück weiter, doch muß auch die Zukunft der Ausgaben für strukturpolitische Maßnahmen geregelt werden.Immerhin entfällt darauf rund ein Drittel des Gemeinschaftshaushaltes.Auch hier heißt es also sparen.Aber um welchen Preis? Gegen das Votum aus den strukturschwachen Ländern Spanien, Portugal, Irland und Griechenland tritt eine Mehrheit der Mitgliedstaaten inzwischen auch hier für eine reale Stabilisierung der Ausgaben für die nächsten sieben Jahre ein - und zwar auf der Basis eines Durchschnittsbetrags der Jahre zwischen 1993 bis 1999.Doch der Kommission geht das in diesem Fall zu weit.Sie will die Festschreibung auf dem Niveau des letzten Jahres - ein Satz, der deutlich höher liegt und einige zusätzliche Milliarden Euros - genau gesagt 25 Prozent mehr - in den Strukturfonds belassen.

Eine Rotstiftpolitik auf dem Buckel der ärmeren Region, findet Monika Wulf-Mathies darf es nicht geben - bloß, weil die Agrarlobby auf eigenem Terrain die Sparbemühungen mit Erfolg ausbremst.Agrarreform nach Gutsherrenmanier.Am letzen Freitag meldete die EU-Regionalkommissarin rein prophylaktisch Widerstand an.Verständnis für die Bundesregierung zeigt die Deutsche nicht, zumal Deutschland nach den Reformvorstellungen der Kommission durchaus auf mehr Rückflüsse aus den Strukturfonds bauen könnte.Tatsächlich erhielten auch die ostdeutschen Fördergebiete in Zukunft deutlich mehr Mittel.

MARTINA OHM

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