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Stimmt der Lohn? 1600 zusätzliche Zöllner sollen kontrollieren, doch bis die alle ausgebildet sind, werden einige Jahre vergehen.

© Markus Scholz/dpa

Zwischenbilanz Mindestlohn: Aus Minijobs werden Jobs

Die gesetzliche Lohnuntergrenze hat bisher nicht zu massiven Stellenverlusten geführt. Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt gibt es allerdings sehr wohl.

Als der gesetzliche Mindestlohn Anfang des Jahres eingeführt wurde, sprachen viele Ökonomen von einem sozialpolitischen Großexperiment. Doch fast neun Monate später zeigt sich: Zum befürchteten Jobkiller ist die Lohnuntergrenze bisher nicht geworden. „Das Experiment scheint geglückt, auch wenn eine umfassende wissenschaftliche Evaluation noch aussteht“, sagt Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Jedenfalls seien nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro keine massiven Jobverluste aufgetreten. Im Gegenteil: Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat zugelegt. Ende Juni lag diese laut Bundesagentur für Arbeit bei 30,7 Millionen, eine halbe Million mehr als ein Jahr zuvor.

Offenbar habe es auch im Osten insgesamt keine dramatischen Einbrüche bei der Beschäftigung gegeben, sagt Möller. Und das, obwohl die Wirkung des Mindestlohns hier viel stärker als im Westen war. Schließlich erhielt etwa jeder fünfte Arbeitnehmer im Osten vorher weniger als 8,50 Euro pro Stunde.

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nimmt zu

Bisher ist nur in einem Bereich ein spürbarer Rückgang zu verzeichnen: bei den Minijobs. Ende Juni gab es laut Minijobzentrale knapp 200.000 Minijobs weniger als im Vorjahr. Das bedeutet allerdings nicht, dass all diese Arbeitsplätze weggefallen sind. Die Bundesbank kommt in ihrem Monatsbericht vom August vielmehr zum Ergebnis, dass es einen „Umwandlungseffekt“ gegeben habe: Minijobs wurden offenbar durch reguläre Beschäftigung ersetzt.

Auch IAB-Forscher Möller findet es „auffällig“, dass in den Wirtschaftszweigen, in denen die Zahl der Minijobs zurückgegangen sei, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zugenommen habe. Das sei beispielsweise bei der Herstellung von Lebensmitteln oder im Einzelhandel der Fall. „Wir wissen allerdings noch nicht, ob die neu geschaffenen Stellen die Verluste bei den Minijobs kompensiert haben oder ob die Arbeitgeber das Stundenvolumen insgesamt reduziert haben“, sagt Möller. Gerade bei den Minijobs hatten die Gewerkschaften kurz nach dem Jahreswechsel Alarm geschlagen, weil sich Berichte häuften, dass Arbeitnehmern der Mindestlohn vorenthalten worden sei. So klagten Beschäftigte darüber, dass ihnen neue Arbeitsverträge mit geringerer Stundenzahl angeboten wurden. Die Arbeitgeber verlangten von ihren Mitarbeitern aber, dass sie weiter im gleichen Umfang arbeiten sollten.

Die meisten Verstöße in der Gastronomie

Ob der Mindestlohn gezahlt wird, kontrollieren seit Jahresanfang die Zoll-Mitarbeiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Bis Ende Juni wurden bundesweit insgesamt 24.970 Betriebe überprüft. Danach wurden 297 Ordnungswidrigkeitsverfahren nach dem Mindestlohngesetz eingeleitet, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Klaus Ernst hervorgeht. 146 Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet, weil das Arbeitsentgelt nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt wurde. Weitere 134 Verfahren laufen, weil die Aufzeichnungen fehlerhaft waren oder nicht vorlagen.

Die meisten Verstöße entfielen auf den Hotel- und Gaststättenbereich: Nach 3817 Überprüfungen wurden dort 141 Verfahren eingeleitet. Im Bau hingegen konnten die Prüfer trotz intensiver Kontrollen nicht annähernd so viele Verstöße feststellen (10.120 Überprüfungen, 17 Verfahren). Weitere Kontrollschwerpunkte waren die Speditions- und Transportdienstleistung (1394 Überprüfungen, 15 Verfahren) sowie die Arbeitnehmerüberlassung (514 Überprüfungen, keine Ermittlungsverfahren).

Gewerkschaften kritisieren Abzug der Kontrolleure

Um die Zusatzarbeit bewältigen zu können, bewilligte die Bundesregierung dem Zoll 1600 zusätzliche Stellen. Doch der Personalaufbau kommt nun wegen der Flüchtlingskrise ins Stocken, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) diese Woche ankündigte. Allein 320 neue Beschäftigte bei der Zollverwaltung sollen abgeordnet werden, um bei der Registrierung von Flüchtlingen und der Bearbeitung von Asylanträgen zu helfen.

Dagegen regt sich nun Widerstand beim Deutschen Gewerkschaftsbund. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte, natürlich müssten ausreichend Beamte zur Verfügung stehen, um die Flüchtlinge zu registrieren. „Dafür aber hunderte Beschäftigte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit von den bitter nötigen Mindestlohnkontrollen abzuziehen, ist kontraproduktiv und kommt einer Einladung an die schwarzen Schafe unter den Arbeitgebern gleich, den Mindestlohn zu umgehen“, sagte er. Der Zoll sei personell seit Jahren unterbesetzt. „Das rächt sich jetzt“, kritisierte er. Der DGB wolle gute Arbeit auch für Asylsuchende. „Je mehr Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt kommen, die ihre Rechte noch nicht gut kennen, umso nötiger sind engmaschige Kontrollen“, sagte Körzell. Die ursprünglich vorgesehenen 1600 zusätzlichen Stellen reichten nicht aus, sondern müssten aufgestockt werden.

IAB-Forscher Möller ist zuversichtlich, dass die Zahl der Verstöße überschaubar bleibt. Die Erfahrungen aus England zeigten, dass diese Zahl im niedrigen einstelligen Prozentbereich liege. Damit der Mindestlohn eingehalten werde, seien Kontrollen notwendig. „Aber man kann nicht hinter jeden Gastwirt einen Kontrolleur stellen. Schwarze Schafe wird es immer geben.“

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