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Freie Universität

© dpa

60 Jahre FU: Befreite Universität

Ehemalige Präsidenten der Freien Universität Berlin blicken zurück auf eine bewegte Geschichte. Mehrfach stand die FU am Abgrund. Heute ist sie Elite-Universität.

Johann Wilhelm Gerlach lag auf einem Bett in Kasachstan und hörte Deutsche Welle, als er im vergangenen Herbst erfuhr, dass die Freie Universität unter die Eliteuniversitäten gewählt wurde: „Ich war so erleichtert – nicht, weil ich was gegen die Humboldt-Universität habe, sondern weil ich solche Angst um die FU hatte. Es wäre sonst alles ganz schrecklich für sie geworden.“ Solche Angst um die Existenz der FU hat Gerlach seit seiner Amtszeit als FU-Präsident (1991 bis 1999): Er erinnert sich noch lebhaft daran, wie der damalige Wissenschaftssenator Manfred Ehrhardt die FU „mores lehren“ wollte: Die Politik diskutierte nach der Wende über einen Neuanfang ohne die FU, mit hohen Gehältern seien Professoren zur HU abgeworben worden, die FU musste ihr Klinikum Virchow abgeben. All das hat die FU überlebt.

Am Abgrund stand sie in ihrer Geschichte aber schon vorher, davon wussten sowohl Gerlach als auch die anderen ehemaligen FU-Präsidenten zu berichten, die am vergangenen Dienstag im Henry-Ford-Bau miteinander diskutierten. Anlass des Treffens war der 60. Geburtstag der FU sowie eine Koinzidenz: Die vier ehemaligen FU-Präsidenten auf dem Podium sind in diesem Jahr 70 Jahre alt – weshalb der 84-jährige Eberhard Lämmert, Präsident von 1976 bis 1983, nur als Zuhörer teilnahm.

Als der Soziologe Rolf Kreibich 1969 Präsident wurde, stritt Deutschland über den Vietnamkrieg und die Notstandsgesetze. Die Bildungsexpansion begann. Bis zum Ende von Kreibichs Präsidentschaft im Jahr 1976 wuchs die Zahl der FU-Studierenden von 14 500 auf 36 000 an. Kreibich kam als Assistent ins Amt – eine Symbolfigur der Gruppenuniversität, die die Ordinarienuniversität abgelöst hatte. Zu Recht, sagt Kreibich: „Die Strukturen waren autoritär, die Mitarbeiter wurden von den Professoren gegängelt.“ Allerdings erlebte Kreibich auch, wie Institute unter der Drittelparität „zusammenkrachten“.

Denn die Gruppenuniversität, in der auch Studierende und Mitarbeiter Einfluss ausüben durften, entwickelte sich zur Fraktionsuniversität. Nach politischer Richtung wurden Blöcke gebildet, die einander „zutiefst hassten“, wie Moderator Uwe Schlicht sagte, der das Geschehen seit 1962 für den Tagesspiegel verfolgte. Kreibich wurde drei Mal mit dem Messer bedroht. Konservative Professoren schlossen sich zur „Notgemeinschaft“ zusammen. Um die FU vor einer kommunistischen Unterwanderung zu schützen, denunzierte sie Wissenschaftler. Opfer einer Kampagne wurde auch Lämmert: „Kein Demokrat kann sich Lämmert als Vizepräsident zur Verfügung stellen“, wurde agitiert.

Dieter Heckelmann, Präsident von 1983 bis 1991, verteidigte die konservativen Professoren. Man habe sich einer „strukturellen linken Dominanz“ gegenübergesehen, die die Freiheit und Qualität von Forschung und Lehre bedroht habe. Peter Gaehtgens, Präsident von 1999 bis 2003), stimmte zu. Die Universität habe „ganz andere Aufgaben“, als gesellschaftliche Modelle auszuprobieren.

Dass es die FU schließlich geschafft hat, ihre politischen Kämpfe zu beenden, ist wohl auf Erschöpfung zurückzuführen – vielleicht aber auch auf die Präsidenten Heckelmann und Gerlach, die sich um Kommunikation bemühten. Unterdessen ist die Debatte darüber, wie viel Mitbestimmung für eine Universität gut ist, in Berlin wieder aufgelebt: Die Linke wünscht sich die Viertelparität zurück. Ob das versprochene neue Berliner Hochschulgesetz deshalb weiter auf sich warten lässt, wollte der im Publikum sitzende Wissenschaftssenator aber nicht sagen. Anja Kühne

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