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Das Auswärtige Amt unter Annalena Baerbock (Grüne) hat die Mittel für den DAAD gekürzt – mit Folgen für Tausende geplante Stipendien.

© IMAGO/photothek

Update

6000 DAAD-Stipendien gestrichen: Außenministerium begründet Kürzungen bei Austauschdienst mit Haushaltseinsparungen

Der Deutsche Akademische Austauschdienst bekommt weniger Geld. Jetzt äußert sich das verantwortliche Auswärtige Amt zum von vielen Unis kritisierten Vorgang.

Das Auswärtige Amt begründet die gekürzten Gelder für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Einsparungen im Bundeshaushalt. „Wie der Großteil der Ressorts ist auch der Haushalt des Auswärtigen Amts von Einsparungen betroffen und damit auch die vom Auswärtigen Amt institutionell geförderten Mittlerorganisationen wie der DAAD“, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts auf Anfrage.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe sich in den Haushaltverhandlungen „mit Nachdruck“ dafür eingesetzt, dass gerade in Zeiten schwerster internationaler Krisen ausreichende Mittel für die Außen- und Sicherheitspolitik, „und gerade auch für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“ zur Verfügung stünden. 

„Das Auswärtige Amt steht mit den Mittlern in engem Austausch über eine strategische Priorisierung, um deren wichtige Arbeit möglichst effizient und zielgerichtet fortzusetzen.“ Erstes Ergebnis ist laut des Sprechers, dass trotz der Kürzungen keine Stipendienzusagen des DAAD zurückgenommen werden müssen.

Wissenschaftler:innen kritisierten zuvor die Streichung von rund 6000 Stipendien beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) infolge von geplanten Budgetkürzungen durch das Auswärtige Amt. 

Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin, sagte dem Tagesspiegel auf Anfrage: „Es besorgt uns sehr, dass durch diese Kürzungen die internationale Ausstrahlung der deutschen Universitäten leiden wird. Angesichts des Kriegs in der Ukraine ist es zudem nicht verständlich, dass nun unter anderem Mittel fehlen werden, mit denen wir an der Freien Universität Berlin vorhatten, geflohene Studierende mit gezielten Maßnahmen schnell in unser System zu integrieren.“

64.000 Deutsche und Ausländer:innen haben im zurückliegenden Jahr von insgesamt mehr als 250 DAAD-Programmen profitiert.
64.000 Deutsche und Ausländer:innen haben im zurückliegenden Jahr von insgesamt mehr als 250 DAAD-Programmen profitiert.

© picture alliance/dpa

Die reduzierte Neuvergabe von langfristigen Studien- und Promotionsstipendien treffe die Freie Universität laut einer Sprecherin besonders, da sie seit Jahren einer der Hauptzielorte in Deutschland für Nachwuchswissenschaftler:innen aus aller Welt sei. 

Peter Frensch, kommissarischer Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, äußerte sich auf Anfrage ähnlich: „Die Humboldt-Universität gehört zu den größten Empfängern von Mitteln des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Die angekündigten Kürzungen gefährden in der Konsequenz den Wissenschaftsstandort Berlin insgesamt.“ 

Auch Frensch hält es angesichts der aktuellen geopolitischen Herausforderung für „absolut unverständlich“, dass der derartige Reduzierungen und Streichungen angestrebt werden. Besonders die bei Studierenden beliebten Sommerschulen seien durch die geplanten Kürzungen gefährdet, ebenso digitale Lehrkooperationen. 

Problematisch erscheint der Universität einem Sprecher zufolge außerdem, dass die Streichungen ausgerechnet Programme betreffen sollen, die der Integration von Studierenden aus dem Ausland dienen. „Wir appellieren daher an die Verantwortung der Politik, die Kürzungen zu revidieren“, heißt es seitens der HU.

Das DAAD-Stipendium bietet auch finanzschwachen Studierenden die Gelegenheit, Auslandserfahrungen zu machen.
Das DAAD-Stipendium bietet auch finanzschwachen Studierenden die Gelegenheit, Auslandserfahrungen zu machen.

© picture alliance / Universität J

Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität (TU) Berlin, reagierte auf die Kürzungen mit den Worten: „Die TU Berlin ist eine international aufgestellte Universität. Gerade in Krisenzeiten wie unseren ist es essentiell, dass Studierende die Möglichkeit haben, für ein Jahr nach Deutschland zu kommen, Deutschland kennenzulernen und später als Brückenbauer*innen in ihren Ländern zu fungieren oder als Fachkräfte unsere Wirtschaft unterstützen.“ 

Ebenso sei es wichtig, dass TU-Student:innen ins Ausland gehen und Probleme wie den Klimawandel aus globaler Perspektive wahrnehmen und internationale Netzwerke knüpfen können. „Die Individualstipendien des DAAD sind hier ein essentieller Beitrag, die Kürzung um die Hälfte ein falsches Signal“.

Besonders hart treffe die TU das Ende vom Integra-Projekt, mit dem Geflüchtete aus Afghanistan oder der Ukraine zurück ins Studium gebracht werden konnten.

Andere ehemals Geförderte reagierten auf die Kürzungen in den sozialen Medien mit dem Einwurf, dass nur die besagten DAAD-Stipendien ihre prägenden Forschungsaufenthalte ermöglichten. 

So schrieb Philipp Maurischat, Postdoktorand und Biogeowissenschaftler an der Leibniz Universität Hannover: „Dank DAAD-Stipendien war ich zweimal in Osteuropa.“ Kaum ein anderer Inhalt seines Studiums habe ihn so sehr für die Wissenschaft und Forschung begeistert. „Der Wissenschaftsstandort Deutschland wird nicht funktionieren, wenn wir ihn kaputtsparen.“

Hintergrund ist, dass der DAAD wegen Budgetkürzungen durch das Auswärtige Amt voraussichtlich rund 6000 Stipendien für Forschende, Studierende und Promovierende streichen muss. Das geht aus einer Pressemitteilung von vergangener Woche hervor.

So soll die Förderung des DAAD durch das Auswärtige Amt unter Annalena Baerbock (Grüne) von 204 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 195 Millionen Euro in diesem Jahr sinken. 2023 sollen die Mittel gemäß Kabinettsbeschluss um weitere vier Millionen Euro schrumpfen. 

100 Standorte würden mittelfristig wegfallen

Darüber hinaus kürzt das Auswärtige Amt dem DAAD noch in diesem Jahr Gelder im Zuge von „globalen Minderausgaben“. Das kommt einer Art Teilsperre der ursprünglich gewährten Mittel gleich. „Die genaue Höhe liegt uns noch nicht final vor“, teilte ein Sprecher des DAAD dem Tagesspiegel auf Anfrage mit.

Joybrato Mukherjee ist Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes.
Joybrato Mukherjee ist Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes.

© imago

Im zurückliegenden Jahr hatte der Austauschdienst mit mehr als 250 Programmen rund 64.000 Deutsche und Ausländer:innen in die Welt geschickt. „Wir sehen diese drohenden Einschnitte mit großem Bedauern und mit ernsthafter Besorgnis. Sie konterkarieren die konzeptionell richtigen Festlegungen und finanziellen Zusagen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung“, sagte DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee in Bonn vergangene Woche.

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Sie würden die Fördermöglichkeiten für Hochschulen, Studierende und Wissenschaftler:innen für Jahre deutlich reduzieren. Im Einzelnen kann der DAAD nach eigenen Angaben künftig 50 Prozent weniger Studien- und Promotionsstipendien vergeben, 700 jährliche Langzeitstipendien entfallen. 

Auch etwa 5000 Kurzzeitförderungen fallen weg, was weniger Vortrags- und Kongressreisen, Sommer- und Winterkurse bedeutet. Dozenturen und Lektorate kann der DAAD zudem nicht nachbesetzen lassen, 100 der weltweit 450 Standorte würden mittelfristig wegfallen.

Kürzungen widersprechen Zusagen im Koalitionsvertrag

Zudem bangt der DAAD um weitere Projektgelder vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): Große Projekte wie für die Integration von Flüchtlingen an deutschen Hochschulen (Integra) oder zur Digitalisierung der internationalen Hochschulzusammenarbeit (IMKD) laufen bis 2023 aus und werden bislang vom BMBF unter der Leitung von Bettina Stark-Watzinger (FDP) finanziert. 

„Dem Ministerium liegen Vorschläge für Anschlussprogramme beziehungsweise Programmfortsetzungen des DAAD vor, deren Umsetzung aber derzeit infrage steht“, sagte ein Sprecher des DAAD.

Dessen Präsident Mukherjee hofft, „dass die Kürzungen im parlamentarischen Verfahren der Haushaltsaufstellung zurückgenommen werden und hoffen und erwarten dies auch für unsere befreundeten Partnerorganisationen, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung und das Goethe-Institut, die ebenfalls von Kürzungsszenarien betroffen sind.“ Die geplanten Budgetkürzungen für den Bundeshaushalt 2023 benötigen noch grünes Licht von Bundestag und Bundesrat, ab Ende November soll das Parlament darüber abstimmen.

Die Ampel-Regierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag noch versprochen, die finanzielle Förderung des DAAD und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung zu erhöhen – und würde mit den geplanten Kürzungen Wortbruch begehen.

Das Auswärtige Amt war 2021 der wichtigste Geldgeber für den DAAD mit einem Finanzierungsanteil von 33,5 Prozent, gefolgt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (32,5 Prozent), der EU und anderen internationalen Organisationen (20,7 Prozent) und dem Bundesentwicklungsministerium (7,5 Prozent).

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