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Werbung für "neue Währung ... neue Preise" an einem westdeutschen Geschäft zur Zeit der Währungsreform von 1948.

© dpa

70 Jahre Währungsreform: Der Preis des neuen Geldes

Nicht Ludwig Erhard war's, sondern der junge US-Leutnant Edward Tenenbaum. Eine kleine Geschichte der Währungsreform.

Das glücklichste Ereignis der Besatzungszeit war in den Augen der Bürger der Bundesrepublik die Währungsreform am 20. Juni 1948. Sie wurde später verknüpft mit der Person Ludwig Erhards und dem „Wirtschaftswunder“. Der Mythos Währungsreform gipfelte in der Legende von der westdeutschen Tüchtigkeit, die den rasanten Wiederaufstieg bewirkt habe. Tatsache war aber, dass mit der westdeutschen Währungsreform die Spaltung Deutschlands, deren Grundstein auf der Potsdamer Konferenz 1945 gelegt war, endgültig vollzogen wurde.

Hitler hatte die deutsche Währung ruiniert. Die Ökonomie der vier Besatzungszonen war dann eine Mischung aus Planwirtschaft und archaischem Tauschhandel. Der Marshall-Plan zur wirtschaftlichen Gesundung Europas sah großzügige Hilfen der USA vor, war aber auch das politische Signal gegen den Einfluss der Sowjetunion in Europa. Deshalb schlug Moskau die Offerte für die sowjetische Besatzungszone Deutschlands aus. Die drei westlichen Zonen folgten der Einladung zur Teilnahme am European Recovery Program gerne. Voraussetzung war die Sanierung der Währung. Und logische Folge der Reform im Westen waren Maßnahmen der Sowjetunion, die Blockade West-Berlins und die Luftbrücke, mit der Lucius D. Clay, der US-Militärgouverneur in Deutschland, darauf reagierte.

Schon seit Oktober 1947 wurde das neue Geld in den USA gedruckt

Eine Währungsreform wurde von allen – mit Ausnahme der Schieber und der Schwarzmarkthändler – herbeigesehnt. Die Durchführung der notwendigen Operation war, da sie ein eminent politisches Problem darstellte, Sache der Alliierten: Für die wirtschaftliche und politische Einheit würde eine Währungsreform, die nicht gleichzeitig und in gleicher Form in allen vier Zonen durchgeführt würde, unübersehbare Konsequenzen haben. Auf deutscher Seite war nicht viel mehr zu tun, als immer wieder an die Notwendigkeit der Währungssanierung zu erinnern, und das geschah auch.

Im Juli 1947, auf seiner zweiten Plenarsitzung, hatte der Frankfurter Wirtschaftsrat, das Parlament der Bizone, eine Sachverständigenkommission eingesetzt, seit Oktober 1947 arbeitete in Bad Homburg die „Sonderstelle Geld und Kredit“. Der „Homburger Plan“, den sie vorlegte, war eine unverbindliche Idee. Die politischen Weichen stellten die Westmächte, die schon seit Oktober 1947 in den USA das neue deutsche Geld druckten. Trotzdem erging an den deutschen Sachverständigenstab in Bad Homburg eine Einladung zur Mitwirkung. Die den deutschen Experten zugedachte Rolle war aber sehr bescheiden und die Umstände, unter denen sie mitwirken durften, höchst kurios.

Die deutschen Experten hatten lediglich Hilfsdienste zu leisten

Die vom Wirtschaftsrat nominierten acht Experten sowie zwei Herren aus der französischen Zone und ein Tross von Dolmetschern und Sekretärinnen, insgesamt etwa 25 Personen, wurden am 20. April 1948 in einem Omnibus, dessen Fenster undurchsichtig waren, an einen ihnen unbekannten Ort gebracht, wo sie bis zum 8. Juni bei Kassel auf einem Flugplatz der US-Air Force abgeschieden von der Außenwelt, zwar glänzend verpflegt, aber in trübseliger Umgebung schlecht untergebracht, den alliierten Sachverständigen Hilfsdienste leisteten. Der Münchner Stadtkämmerer Erwin Hielscher fungierte als Delegationsleiter. Er verließ aber am 21. Mai die Veranstaltung, weil seine „Vorstellungen über die Härte des Eingriffs und über die Stärke der Durchführungsinstanzen nicht durchgedrungen“ waren.

Die Alliierten waren durch drei hochkarätige Fachleute und Funktionäre der Militärregierungen vertreten: Jack Bennet (USA), Sir Eric Coats (Großbritannien) und Leroy Beaulieu (Frankreich). Den Gang der Dinge bestimmte aber ein junger Amerikaner, Leutnant Edward Tenenbaum, der mit knapp 25 Jahren Assistent des Finanzberaters von General Clay war und der die amerikanischen Währungspläne zielstrebig und erfolgreich gegen deutsche und alliierte Widerstände durchsetzte. Die deutschen Sachverständigen hatten geglaubt, sie könnten die Grundzüge der Währungsreform mitbestimmen und den „Homburger Plan“ durchsetzen. Stattdessen mussten sie die von den Alliierten vorbereiteten Gesetze und Verordnungen übersetzen, Formulare ausarbeiten und dergleichen Hilfsdienste tun. Die Experten protestierten und verlangten, dass in der alliierten Proklamation zur Währungsreform klargestellt würde, dass deutsche Stellen keine Verantwortung für die D-Mark und deren erwarteten Misserfolg hatten.

Der Schwarzmarkt erlebte seinen letzten Höhepunkt

Am Abend des 18. Juni 1948 erfuhr die deutsche Öffentlichkeit die Einzelheiten der zwei Tage später beginnenden Reform. Mit dem Verfall der „Reichsmark“ am Montag 20. Juni 1948 galten auch alle Schulden des Reiches als erloschen. Private Verbindlichkeiten und alle Bank- und Sparguthaben wurden im Verhältnis 10:1 abgewertet; als „Kopfquote“ erhielt jeder Bürger fürs erste 40 „Deutsche Mark“ in bar. Nach Abschluss aller Maßnahmen – die zweite Rate der Kopfquote von 20 DM wurde im August/September ausgezahlt – betrug die Umtauschrelation insgesamt 100 Reichsmark zu 6,50 DM. Die größte Leistung bei der technischen Durchführung der Währungsreform war – neben der Geheimhaltung des Termins, den auch die Spitzen der deutschen Verwaltung erst im letzten Moment erfuhren – der Transport und die Verteilung des neuen Geldes, das seit Frühjahr 1948 in Kisten aus New York über Bremerhaven nach Frankfurt geliefert worden war. Dort lagerte es im Keller der ehemaligen Reichsbank.

Trotz der Geheimhaltung des „Tages X“ wurde in den Tagen vor dem 20. Juni in den Läden nichts mehr angeboten. Obgleich die Geschäftsleute ihre Waren horteten, versuchte jeder, für seine wertlosen Reichsmark noch irgendetwas zu erhandeln. Der schwarze Markt erlebte seinen letzten Höhepunkt. Nach dem 20. Juni 1948 änderte sich die Situation schlagartig, die Lager wurden geöffnet, die Schaufenster waren gefüllt.

In der sowjetischen Zone gab es drei Tage später eine eigene Währungsreform. Sie wirkte improvisiert: Weil die sowjetische Besatzungsmacht schon 1945 Banken und Sparguthaben stillgelegt und damit etwa 70 Milliarden RM aus dem Umlauf genommen hatte, war eine Währungsreform in der SBZ nicht dringlich gewesen. Sie erfolgte jetzt als Reaktion auf das westliche Vorgehen, denn das dort abgewertete Geld hätte, im Osten weiter gültig, die Inflation in die SBZ importiert.

Neues Wirtschaftssystem: Auch die CDU warnte vor dem Kapitalismus

Die beiden Währungsreformen machten die Spaltung definitiv. Die Folgen wurden unmittelbar deutlich. Denn gleichzeitig mit der Währungsreform waren in der Bizone (und dass sich die französische Zone dem System der Amerikaner und Briten anpassen würde, war im Sommer 1948 nur eine Frage der Zeit) auch die Weichen für eine andere Wirtschaftsordnung gestellt worden. Während in der sowjetischen Zone die Planwirtschaft mit staatlich gelenkten Produktionsplänen, Preisen und Löhnen beibehalten wurde, kehrte die Bizone zur wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft zurück. Das erschien 1948 als atemberaubendes Experiment, von vielen mit Argwohn und Skepsis beobachtet und im November 1948 mit einem Generalstreik in den drei Westzonen gegen die Marktwirtschaft bekräftigt.

Die Kritiker der kapitalistischen Wirtschaft befanden sich auch im Westen keineswegs hoffnungslos in der Minderheit. Die CDU hatte mehrmals programmatisch gegen das kapitalistische System Stellung genommen. Während sie aber ihre Forderungen wieder begrub, vertraten SPD und die Gewerkschaften den Gedanken einer staatlich gelenkten Wirtschaft noch lange Zeit. Es gab gute Gründe dafür, denn alles deutete darauf hin, dass Preissteigerungen und Arbeitslosigkeit zwangsläufig Folgen der Währungsreform und der gleichzeitigen Liberalisierung der Wirtschaft sein würden.

Während sich die ökonomische Situation allmählich beruhigte, war die Teilung besiegelt. Der 20. Juni 1948 war nicht nur der Beginn des Wirtschaftswunders, er war schon ein Gründungsdatum der Bundesrepublik und der DDR und deren Systemkonkurrenz. Die Spaltung Deutschlands ging vom Westen aus, sie blieb zentrales Thema des Kalten Kriegs.

Wolfgang Benz ist Historiker und ehemaliger Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin. Zum Thema der deutschen Teilung ist von ihm soeben ein Buch erschienen (Wolfgang Benz: Wie es zu Deutschlands Teilung kam; dtv, 26 Euro). Am Donnerstag, 21. Juni, diskutiert Benz ab 18.30 Uhr in der Berliner Landeszentrale für Politische Bildung mit der Historikerin Christin Schoenmakers (Universität Hannover) zum Thema 70 Jahre Berlin-Blockade und Luftbrücke (Hardenbergstraße 22–24, 10623 Berlin); Anmeldung erbeten (hier).

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