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Fledermäuse pflegen enge Sozialkontakte, hier eine Kolonie der Großhufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum) in Frankreich, und sind ein Reservoir für verschiedene Viren.

© imago/blickwinkel

97 Prozent genetische Übereinstimmung: Bisher engster Verwandter von Sars-Cov-2 in Fledermäusen entdeckt

Neue Funde zeigen, wo dem Coronavirus Sars-Cov-2 sehr ähnliche Viren in der Natur vorkommen. Sie können auch menschliche Zellen infizieren.

In Fledermäusen in Laos haben Forscher Coronaviren gefunden, die dem Pandemievirus Sars-Cov-2 stärker ähneln als alle bisher in Tieren identifizierten Coronaviren. Die Erreger können sogar menschliche Zellen infizieren und sich darin vermehren, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“. Die Untersuchung zeige, dass in Südostasien Coronaviren in Fledermäusen zirkulieren, die den Menschen anstecken können. Das stützt die Vermutung eines natürlichen Ursprung des Erregers.

Ein Forschungsteam um Marc Eloit vom Pariser Institut Pasteur hat insgesamt 645 Fledermäuse unterschiedlicher Arten in Kalksteinhöhlen im nördlichen Teil von Laos gefangen. In 539 Stuhlproben der Tiere suchten die Wissenschaftler nach Erbgut von Coronaviren. Bei 24 Fledermäusen von zehn unterschiedlichen Arten war der Test positiv. Sieben Coronaviren gehörten zur Gruppe der Sarbecoviren, zu der auch Sars-Cov-2 gehört.

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Ein Mosaik genetischer Information

In drei Fledermausarten, alle aus der Gruppe der Hufeisennasen, fanden die Forscher Viren, die Sars-Cov-2 stark ähnelten, wie detaillierte Untersuchungen des Genoms zeigten. Die Übereinstimmung auf der gesamten Länge des Genoms betrug bei einem Vertreter knapp 97 Prozent. Bei dem bisher engsten Verwandten, einem in China identifizierten Coronavirus, betrug die Übereinstimmung 96 Prozent.

Vor allem die Rezeptorbindedomäne im Spike-Protein des Virus, die für das Andocken an den ACE2-Rezeptor auf Zellen des Menschen maßgeblich ist, unterschied sich nur minimal von der bei Sars-Cov-2. Dementsprechend binden die Fledermaus-Viren stärker an den ACE2-Rezeptor als etwa die früh zirkulierende Variante von Sars-Cov-2, berichten die Forscher. Experimente zeigten weiter, dass die Viren menschliche Zellen infizieren und sich darin vermehren können. Antikörper, die Sars-Cov-2 neutralisieren können, verhinderten dies. Das ist ein weiterer Beleg für die große genetische Verwandtschaft.

Die sogenannte Furin-Spaltstelle, die Sars-Cov-2 den Eintritt in menschliche Zellen erleichtert, fanden die Forscher hingegen nicht. Das Vorhandensein dieser Spaltstelle bei Sars-Cov-2 wird häufig als Beleg dafür genannt, dass das Virus in einem Labor künstlich erzeugt wurde, weil das Merkmal in der Natur bisher nicht gefunden wurde. Das könne aber auch einfach daran liegen, dass bisher noch nicht genügend Fledermäuse untersucht worden seien, schreibt das Team um Eloit. Denkbar sei auch, dass dieses genetische Merkmal zu einem späteren Zeitpunkt der Virusentwicklung erworben wurde, etwa in einem Zwischenwirt oder als die Viren gerade begannen, sich unter Menschen auszubreiten.

Das Genom von Sars-Cov-2 sei ein Mosaik, zu dem vermutlich mehrere unterschiedliche Vorläufer beigetragen haben, schreiben die Forscher. Gerade wenn verschiedene Fledermaus-Arten dieselbe Höhle bewohnten, könne es zum Austausch von Erbgutbestandteilen und zur Entstehung neuer Virustypen kommen. Ihre Untersuchung zeige, dass in Fledermäusen Coronaviren zirkulierten, die Sars-Cov-2 ähnlich sind und die das Potenzial haben, Menschen zu infizieren. Besonders gefährdet seien etwa Guano-Sammler, in der Nähe der Höhlen lebende Menschen oder Touristen, die die Höhlen besuchten.

Unklar bleibe bei der Theorie eines natürlichen Ursprung weiterhin, auf welchem Weg die Viren von den Fledermäusen zu den Menschen fanden, ob Zwischenwirte wie etwa Schuppentiere beteiligt waren oder nicht und wie die Viren schließlich nach Wuhan in China gelangten, wo die ersten Infektionen beim Menschen nachgewiesen wurden.

Anja Garms, dpa

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