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Wo ist noch Platz? Hunderte könnten in Berlin dieses Jahr klagen, heißt es.

© dpa

Abgelehnte Bewerber: Per Klage an die Uni

Erfolglose Studienbewerber wollen sich über den Gerichtsweg an der Uni einschreiben lassen. Doch die Chancen, so noch an einen Studienplatz zu kommen, sind gesunken.

Als Claudia Schönsee vor einigen Wochen schon wieder Absagen von vier Universitäten in ihrem Briefkasten fand, war sie enttäuscht. Seit zwei Jahren versucht die 22-Jährige einen Studienplatz in ihrer Heimatstadt zu bekommen – bisher erfolglos. Mit ihrem Abiturschnitt von 3,4 scheiterte sie an den Schranken des Numerus clausus: an der Freien Universität und an der Technischen Universität in Berlin genauso wie an der Viadrina in Frankfurt/Oder und in Potsdam. „Ich wusste, dass meine Chancen mit dem Abi nicht bombastisch sind“, sagt Schönsee. „Aber irgendwo hätte es doch klappen können.“ Zwei Jahre überbrückte die Berlinerin mit Nebenjobs. Nun sieht sie nur eine Möglichkeit: eine Klage: Für den Bachelor „Kultur und Technik, Sprachen und Kommunikation“ will sie sich per Gerichtsbeschluss einschreiben lassen.

Wie Claudia Schönsee versuchen für das Wintersemester wohl hunderte Bewerber, auf dem Klageweg doch noch zu ihrem Wunschplatz zu kommen. Das jedenfalls schätzt die Studierendenvertreterin Jana Küchler vom ASta der TU Berlin: „Die Zahl derjenigen, die es versuchen, nimmt definitiv zu.“ Die Berliner ASten haben ein Internetportal geschaltet, wo sie abgelehnten Bewerbern Tipps geben, was sie über den Klageweg alles erreichen können. Bei den Beratungsstunden herrscht Hochbetrieb in den Büros des TU-AStA.

„Der Kampf um Studienplätze wird immer härter“, sagt auch Michael Kämper-van den Boogaart, Vizepräsident für Studium und Lehre der Humboldt-Universität. Doppelte Abiturjahrgänge und die Aussetzung der Wehrpflicht hätten auch an der HU dazu geführt, dass es einen leichten Anstieg der Klagen gab. Wie viele es jedes Semester probieren, will der Vizepräsident nicht sagen.

Bei ihrer Klage gehen die Bewerber im Prinzip davon aus, dass eine Uni mehr Studierende ausbilden kann, als sie angibt. Die Unis berechnen ihre Kapazitäten nach rechtlich festgelegten Schlüsseln. Wer eine Absage erhält, muss daher zunächst einen Antrag auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazitäten stellen. Einen Monat hat ein abgelehnter Bewerber dafür Zeit, nachdem er die Absage bekommen hat, sagt der Studierendenvertreter Tobias Roßmann vom „Referentinnenrat“ (Refrat) der HU. Da die Absagen oft spät kämen, hätten auch jetzt noch viele die Möglichkeit, sich einzuklagen. Nach dem Antrag folgt ein Eilverfahren und zuletzt die Klage, bei der das Gericht prüft, ob die Uni ihre Kapazitäten wirklich falsch berechnet hat. Ist das der Fall, muss sie weitere Studienplätze anbieten.

Die Aussichten auf einen Erfolg sind unterschiedlich. In manchen Fächern lassen es die Unis nicht auf ein Gerichtsverfahren ankommen und bieten einen sogenannten Vergleich an. Dabei wird eine bestimmte Anzahl an Studienplätzen denjenigen bereitgestellt, die mit einer Klage drohen. Gibt es mehr Kläger als Plätze, wird gelost. Dass sich die Androhung zu klagen durchaus lohnt, zeigt der Fall der TU. Diese gab im vergangenen Jahr etwa 400 Vergleiche heraus – hauptsächlich allerdings an Studierende, die keinen Platz im Masterstudium bekommen hatten.

Lassen sich die Unis jedoch nicht auf einen Vergleich ein, wird es schwierig. Die Aussichten auf eine erfolgreiche Klage seien in den letzten Jahren immer weiter gesunken, gibt selbst ASta-Mitglied Jana Küchler zu. Denn die Berliner Unis lassen in vielen Fächern schon mehr Bewerber zu, als sie verpflichtet sind. In diese „überbuchten“ Studiengänge könne man sich nur schwer einklagen. Die TU spricht von 25 Klagen, die im vergangenen Jahr mit einem Urteil geendet hätten. Nur vier davon waren erfolgreich. 2011 sei es bis jetzt in sieben Fällen zu einem Gerichtsurteil gekommen – ohne Erfolg für die Bewerber. TU-Vizepräsident für Studium und Lehre Wolfgang Huhnt rät daher „dringend“ von einer Klage ab.

An der FU sind im vergangenen Jahr mehr als 100 Klagen eingegangen, vor allem für Fächer, die hohe Bewerberzahlen haben: Psychologie, Publizistik, Politikwissenschaft. Die FU teilt lediglich mit, dass fast alle Klagen erfolglos blieben. An der HU haben laut Refrat Kläger in Studiengängen Erfolg, wo es kaum jemand versucht. Die BWL sei so ein Fach. Schlechte Chancen hätten Bewerber in Grundschulpädagogik und in Psychologie.

Wenn die Bewerber die Klage verlieren, müssen sie auch die Kosten tragen. Diese liegen zwischen 60 und 1600 Euro pro Verfahren. Wer einen Anwalt hinzuzieht, muss noch mehr zahlen, etwa 1000 Euro extra. Hinzu kommt: Auch die Unis versuchen die Kosten zu erhöhen. In vielen Fächern beauftragen die Hochschulen eigene Anwälte, die Bewerber bei einer Niederlage oft mitbezahlen müssen.

Claudia Schönsee ist optimistisch, dass ihre Klage Erfolg hat. Sollte sie verlieren, will sie weiterhin jobben – und es im Sommersemester wieder mit einer Bewerbung probieren.

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