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AhA: Warum fließt beim Schreiben Tinte aus dem Füller?

Blutabnahme am Ohrläppchen. Sie kennen das.

Blutabnahme am Ohrläppchen. Sie kennen das. Ein Einstich, und aus den Gefäßen fließt Blut in ein Röhrchen. Der Arzt braucht keine Spritze. Das Blut steigt von selbst in der Kanüle auf, falls sie dünn genug ist.

Das kommt dadurch zustande, dass Flüssigkeiten wie Wasser eine Oberfläche aus Glas gerne benetzen. Die Flüssigkeitsmoleküle finden etwa aufgrund ihrer elektrischen Ladungsverteilung attraktive Partner auf der Innenwand der Kanüle. Die Kraft, mit der sie zur Glaswand gezogen werden, ist größer als jene, die die Wassermoleküle aneinanderbindet. Sie steigen in dem haarfeinen Röhrchen nach oben. Je dünner das Röhrchen, umso höher.

Beim Füller macht man sich dies zunutze. „In dem Zapfen, der von unten in die Patrone sticht, befinden sich zwei dünne Kapillarkanäle“, sagt Reinhard Probol, Leiter des Entwicklungslabors der Firma Lamy in Heidelberg. Die Tinte wandert in diesen Röhrchen in Richtung Feder. Die ist in der Mitte geschlitzt. „Der Spalt ist hinten breiter als vorne. So gelangt die Tinte bis zur Spitze.“ Weiter nicht.

Beim Schreiben biegt sich die Feder leicht, die Flüssigkeit kommt mit der Oberfläche in Berührung. Setzt man den Füller auf eine Kunststoffoberfläche auf, passiert wenig. Kunststoff lässt sich nicht beschreiben. Anders Papier: Es saugt die Flüssigkeit auf. So wie ein Wischlappen Wasser aufnimmt, ziehen die Papierfasern die Tinte aus der Patrone – auch das aufgrund von Oberflächenkräften.

Während die Patrone Tinte abgibt, muss gleichzeitig Luft in sie hineingeleitet werden. Sonst würde darin ein Vakuum entstehen, die Patrone würde ihrerseits an der Flüssigkeit saugen und nach kurzer Zeit keinen Tropfen mehr hinauslassen. Für den Druckausgleich sorgt ein Regelventil.

Das Innenleben des Füllers ist aber noch komplexer. Er soll bei jeder Temperatur schreiben. Steigt die Temperatur von 15 auf 30 Grad, dehnt sich die Luft aus, die Tinte wird stärker aus der Patrone herausgedrückt. Der Füller würde nun möglicherweise auslaufen, wenn die überschüssige Flüssigkeit nicht in kleinen Kammern aufgefangen werden könnte. Diese Lamellen müssen sich beim nächsten Schreiben zuerst leeren. Noch so eine technische Finesse. Und das alles für ein paar saubere Zeilen. Thomas de Padova

Eine Sammlung der „Aha-Kolumnen“ ist kürzlich unter dem Titel „Wissenschaft im Strandkorb“ (160 Seiten, 14 Euro 90) im Piper-Verlag erschienen.

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