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AhA: Warum wird Schokolade grau?

In herkömmlicher Schokolade kommt es im Lauf der Zeit zu mikroskopischen Veränderungen. Schokophysik ist bereits am Teilchenbeschleuniger studiert worden.

Noch steht der Weihnachtsmann in Stanniol. Von morgen an stellt er mich vor die Frage: Zuerst den Kopf abbeißen? Oder die Schokolade von unten anknabbern und den gekürzten Mantelsaum umschlagen, als wäre nichts gewesen? Es soll Haushalte geben, in denen Weihnachtsmänner übers Fest unangetastet bleiben. Manche müssen bis Ostern durchhalten – völlig wider ihre Natur, die auf ein schnelles, intensives Hochgefühl abzielt. Alternde Weihnachtsmänner fühlen sich unwohl in ihrer Haut. Ihre Schokolade ergraut.

Schokolade ist eine Mischung aus Kakaobutter, Kakaopartikeln, Zucker und Milchfett. Es bedurfte Jahrhunderte langer Erfahrung, ihr die erhoffte Geschmeidigkeit zu verleihen. Sie soll auf der Zunge zergehen, also bei 30 bis 36 Grad Celsius schmelzen, bei Zimmertemperatur bruchfest sein, und ihre Oberfläche glänzen.

„Ihr Hauptfett ist die Kakaobutter“, sagt Erich Windhab, Leiter des Labors für Lebensmittelverfahrenstechnik an der ETH Zürich. Das aus Kakaobohnen gewonnene Fett kann in sechs verschiedenen Kristallformen aushärten. Diese haben eine unterschiedliche Dichte und Schmelztemperatur. „Nur eine davon, Beta-V, ist gewünscht.“ Sie schmilzt bei mundgerechten 29 bis 33 Grad.

Chocolatiers versuchen, das Auskristallisieren der Schokomasse so zu steuern, dass Beta-V-Kristalle kleinste Inseln bilden, an die sich mehr und mehr gleichartige Kristalle anlagern, weil diese Andockstellen für die Fettmoleküle energetisch günstig sind. Ein dichtes Beta-V-Gitter lässt Schokolade glänzen. Es ist beständig und hält leicht bewegliche Fettmoleküle besser davon ab, an die Oberfläche zu wandern.

In herkömmlicher Schokolade aber kommt es im Lauf der Zeit zu mikroskopischen Veränderungen. Bei Wärme etwa gelangen vermehrt Fettbestandteile an die Oberfläche. Wenn sie dort rekristallisieren, wird einfallendes Licht anders reflektiert: Die Schokolade ergraut.

Windhab hat die Schokophysik am Teilchenbeschleuniger studiert, um dichte Kristallgitter herzustellen. „Wir impfen die Schokolade mit nur 0,05 Prozent Beta-VI-Keimkristallen, die sich erst bei 33 bis 37,5 Grad auflösen.“ Daran lagern sich unter geeigneten Abkühlbedingungen ebenfalls Beta-V-Kristalle an. Der Vorteil: Die Struktur ist stabiler, die Schokolade wird nicht so schnell grau. Ein Jungbrunnen für Weihnachtsmänner, die auch lange nach Ostern noch glänzen.

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