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© Institut Pasteur

AIDS-Forschung: Studie lässt auf Impfstoff hoffen

In einer Studie in Thailand wurde erstmals ein Impfstoff gegen das HI-Virus erfolgreich getestet. Offenbar schützte das Medikament 31 Prozent der Testpersonen vor einer Infektion.

Es ist der erste Erfolg seit Jahren für Forscher, die nach einem Impfstoff gegen HIV suchen. In einer riesigen Studie in Thailand hat ein neuer Impfstoff offenbar 31 Prozent der Behandelten vor einer Infektion mit dem Aids-Virus geschützt. Das ist zugleich sehr wenig und sehr viel.

Viel, weil es das erste Mal wäre, dass beim Test eines HIV-Impfstoffes überhaupt Infektionen verhindert wurden. Die Suche nach einem Impfstoff hat sich seit 1984, als das Aids-Virus identifiziert wurde, als außerordentlich schwierig herausgestellt. An kaum einer Impfung wurde bislang so intensiv geforscht. Milliarden Euro wurden in die Entwicklung aussichtsreicher Substanzen gesteckt, es gab mehr als 100 potenzielle Stoffe. Doch kein einziger brachte den Erfolg.

Besonders spektakulär scheiterte die Firma Merck 2007. Ihr Impfstoff V520 galt bis dahin als einer der vielversprechendsten. Forscher des Unternehmens hatten drei HIV-Gene in ein gewöhnliches Schnupfenvirus eingeführt. 2005 begannen Tests an 3000 Menschen in Amerika und Australien. Aber im September 2007 gab die Firma auf: Der Impfstoff hatte das Risiko nicht nur nicht gesenkt, es hatten sich sogar mehr von den geimpften Personen mit HIV infiziert als von den nicht geimpften.

Dagegen wären 31 Prozent Schutz ein Riesenerfolg. „Die Zeiten sind ohnehin vorbei, in denen wir von Impfstoffen 99 Prozent Schutz erwarten“, sagt Stefan Kaufmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. „Das wäre natürlich schön, aber bei den großen Herausforderungen unserer Zeit, Impfstoffen gegen HIV, Tuberkulose, Malaria, Hepatitis C, kann man keinen absoluten Schutz erwarten.“

Dennoch sind 31 Prozent auch wenig. An dem Test in Thailand nahmen insgesamt 16 402 Freiwillige teil. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen erhielt den tatsächlichen Impfstoff. Der Rest wurde nur zum Schein geimpft. Drei Jahre später waren in der nicht geimpften Gruppe 74 Menschen erkrankt. In der geimpften Gruppe waren es 51. 31 Prozent bedeutet in diesem Fall also, dass aus einer Gruppe von mehr als 8000 Menschen nur 23 weniger an HIV erkrankt sind.

Hinzu kommt, dass bei dieser Art von Studie immer auch der Zufall eine Rolle spielt. Deshalb könnte der Anteil der Menschen, denen die Impfung Schutz bietet, in Wirklichkeit auch deutlich unter 31 Prozent liegen. Bei der geringen Anzahl der infizierten Testpersonen ist das schwer abzuschätzen.

Ein Detail gibt besonders zu denken: Die Menschen, die sich trotz Impfung angesteckt haben, hatten offenbar genauso viele Viren im Blut wie die Infizierten in der Kontrollgruppe. „Wenn eine Impfung wirklich eine Immunantwort hervorruft, würde man erwarten, dass die Menschen, die sich trotzdem infizieren, zumindest weniger stark betroffen sind“, sagt der Aids-Forscher Jürgen Rockstroh von der Universität Bonn. „Da muss man noch einmal genau untersuchen, ob sich die beiden Gruppen in ihrem Ansteckungsrisiko nicht irgendwie unterschieden haben .“

Das Ergebnis ist auch nicht einfach auf den Rest der Welt übertragbar. Es gibt verschiedene Subtypen des Aids-Virus und der getestete Impfstoff war gegen die in Thailand vorherrschenden gerichtet. In Afrika, Europa oder Nordamerika sind aber andere Subtypen häufiger.

Nutzen wird der Test vor allem den Forschern. Sie können sich nun an die Arbeit machen herauszufinden, warum die neue Impfstrategie bei einigen Menschen funktioniert hat. Noch ist das völlig unklar. Die Testpersonen wurden vier Mal geimpft. Dabei erhielten sie jedes Mal eine Dosis „Alvac HIV“. Der Impfstoff nutzt eine veränderte Form eines Vogelpockenvirus, um drei HIV-Gene in die menschlichen Zellen zu schleusen. Dort sollen sie dann abgelesen und in Eiweiße übersetzt werden, die die Zellen des Immunsystems aktivieren. Als „Booster“, der die Immunantwort noch einmal verstärkt, erhielten die Testpersonen bei den letzten beiden Impfungen außerdem den Impfstoff „Aidsvax“. Der enthält ein künstlich hergestelltes Eiweiß von der HIV-Oberfläche, das vor allem die Produktion von Antikörpern ankurbeln sollte. Mit diesen kleinen Molekülen markiert das Immunsystem Eindringlinge, um sie dann zu zerstören.

In getrennten klinischen Tests hatten beide Impfstoffe keinen Erfolg. „Viele Forscher haben deswegen gesagt, so eine große Studie zu machen ergebe keinen Sinn“, sagt Rockstroh. „Aber nach einer Zeit, in der eine Studie nach der anderen gescheitert ist, ist das endlich mal ein Hinweis, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Oder, wie Anthony Fauci, einer der bekanntesten HIV-Forscher der USA, sagt: „Wir sind jetzt nicht am Ziel angelangt, aber wir haben ein Tor aufgestoßen zu einem besser beleuchteten Pfad.“

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