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© p-a/dpa

Aids: Virus in der Sackgasse

Wie kann man Aids stoppen? Ein südafrikanischer Forscher glaubt, die Lösung gefunden zu haben.

Die Zahlen sind erschreckend: 33,4 Millionen Menschen leben weltweit mit dem Aidsvirus – und es werden immer mehr. 2008 starben 2 Millionen Menschen an Aids, aber 2,7 Millionen Menschen infizierten sich neu mit dem Virus. „So wie wir die Menschen im Moment behandeln, senken wir zwar die Zahl der Todesfälle, aber nicht die Zahl der Ansteckungen“, sagt Brian Williams vom südafrikanischen Zentrum für epidemiologische Modelle und Analysen in Stellenbosch. Er glaubt zu wissen, wie die Verbreitung des Virus binnen fünf Jahren zu stoppen ist: Indem alle Menschen, die das Virus in sich tragen, sofort eine Therapie erhalten.

Denn HIV-Medikamente können die Zahl der Aidsviren im Körper eines Patienten auf ein Zehntausendstel des ursprünglichen Wertes reduzieren. Das führt auch dazu, dass die Gefahr, einen anderen Menschen anzustecken, sinkt. So stellte etwa die Schweizerische „Eidgenössische Kommission für Aidsfragen“ bereits im Januar 2008 fest, dass eine HIV-infizierte Person das Virus nicht über Sexualkontakte weitergibt, sofern sie ihre Medikamente einnimmt, an keiner anderen sexuell übertragbaren Krankheit leidet und die Zahl der Aidsviren in ihrem Blut seit sechs Monaten unterhalb der Nachweisgrenze liegt.

Bei der Tagung des amerikanischen Wissenschaftsverbandes AAAS in San Diego warb Williams erneut für seine Idee: Alle Menschen, die älter als 15 Jahre sind, sollten einmal im Jahr einen HIV-Test machen und bei einem positiven Ergebnis sofort mit der Therapie beginnen. „Ich hoffe, dass wir in ein oder zwei Jahren damit anfangen können und innerhalb von fünf Jahren alle Menschen erreichen“, sagt Williams.

Dass es so schnell gehen wird, ist unwahrscheinlich. Williams nennt das Ziel selbst optimistisch. Die Weltgesundheitsorganisation rät, Menschen erst dann zu behandeln, wenn sie weniger als 350 T-Helferzellen (CD4-Zellen) pro Mikroliter Blut aufweisen. Gesunde Menschen haben mehr als 800 dieser Immunzellen pro Mikroliter Blut. Doch HIV tötet die Zellen und verursacht so die Symptome der Aidserkrankung.

„Bisher nutzen wir die Medikamente nur, um Menschenleben zu retten, nicht um die Epidemie zu besiegen“, sagt Williams. Sein Vorschlag, den er bereits vor einem Jahr im Fachblatt „Lancet“ formulierte, erhält immer mehr Unterstützung. Der Aidsforscher Kenneth Mayer von der Brown-Universität in Providence (US-Staat Rhode Island) etwa nennt den Vorschlag ein „wichtiges Ziel“, auch der Leiter des staatlichen amerikanischen Instituts für Infektionskrankheiten, Anthony Fauci, interessiert sich für den Ansatz. In Washington und New York soll er demnächst erprobt werden. Auch in Südafrika und Kanada sollen bald ähnliche Versuche starten. Die Ergebnisse werden wichtig sein für die Entscheidung, ob Williams Idee tatsächlich umgesetzt wird.

Denn es gibt einige Hürden für das Mammutprojekt. So fürchten manche Kritiker, dass durch das Vorgehen die Aidsviren schnell resistent werden. Dem widerspricht der amerikanische Virologe Robert Grant: „Resistenzen sind bisher vor allem dadurch entstanden, dass eine Therapie mit mehreren Aidsmedikamenten bei einem Patienten nicht mehr funktionierte und der Arzt ein einzelnes Medikament hinzugegeben hat.“ Das sei inzwischen nicht mehr erlaubt, sagt Grant. Die Resistenzen seien deutlich zurückgegangen.

Schwerer wiegen für ihn ethische Fragen, etwa des Einverständnisses. „Wir können keinen Menschen dazu zwingen, einen HIV-Test zu machen.“ Möglicherweise ließen sich nur wenige freiwillig testen. Viele Mediziner denken deswegen über eine „Opt-out-Strategie“ nach. Dann würde bei jedem Arztbesuch routinemäßig ein HIV-Test gemacht, es sei denn, der Patient spricht sich dagegen aus. In Botswana ist diese Strategie sehr erfolgreich. Im Schnitt wird dort jeder Einwohner einmal jährlich auf HIV getestet.

Der wissenschaftliche Knackpunkt ist ein anderer: „Wir wissen nicht, wie sehr die Ansteckungsgefahr bei einer Therapie wirklich sinkt“, sagt Williams. Studien deuten daraufhin, dass eine Reduktion der Aidsviren um das Zehntausendfache nur einer Verminderung der Ansteckungsgefahr um das 25-Fache entspricht.

Als größtes Problem könnte sich allerdings das Geld erweisen. So rechnet Williams allein für Südafrika mit jährlichen Kosten von drei bis vier Milliarden Dollar. Andererseits kosten Aids und damit verbundene Krankheiten wie Tuberkulose das südafrikanische Gesundheitssystem ebenfalls Milliarden. Allein für die Erforschung und Behandlung von Aids werden weltweit jedes Jahr 30 Milliarden Dollar ausgegeben. Hinzu komme der wirtschaftliche Schaden durch das Wegsterben einer ganzen Generation junger Arbeitnehmer, sagt Williams. „Das einzige, was uns noch teurer kommt als dieses Vorhaben, ist es, gar nichts zu tun.“

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