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Ein Gemälde zeigt Alexander von Humboldt (Mitte, stehend) und Aimé Bonpland (rechts) in den Anden.

© mauritius images

Alexander von Humboldt und der Kolonialismus: Im Hause des Sklavenhändlers

Alexander von Humboldt war ein erklärter Gegner der Sklaverei. Doch in Lateinamerika wird sein Wirken auch kritisch gesehen. Eine Berliner Diskussion.

Alexander von Humboldt war zeit seines Lebens ein scharfer Kritiker der Sklaverei – aber als er in Kuba war, lebte er monatelang im Hause des größten Sklavenhändlers der Insel. Nicht der einzige Widerspruch im Leben des großen Gelehrten: Humboldt hielt den Kolonialismus für eine „unmoralische Idee“, aber er reiste von 1799 bis 1804 mit Genehmigung des spanischen Königshauses durch die Kolonien in Amerika und stellte die Ergebnisse seiner Forschungen der Kolonialregierung zur Verfügung.

„War Humboldt also ein Kolonialist?“ Mit dieser provozierenden Frage stieg Michael Zeuske, Historiker aus Köln, in die Diskussion über „Wissenschaft und Macht. Von Sklaverei, Kolonialismus und Revolution“ im Rahmen der Festwoche der Humboldt-Universität ein. Geladen hatten neben der Uni auch der DAAD, die kubanische Botschaft und das Instituto Cervantes. „In keinster Weise“, antwortete die Wissenschaftshistorikerin Sandra Rebok. „Er hat den Kolonialismus grundsätzlich abgelehnt und das System sehr gut analysiert. Ohne die Erlaubnis der spanischen Regierung hätte er gar nicht reisen dürfen, das kann man ihm nicht vorwerfen.“

Auch Iván Muñoz Duthil, Präsident des deutschen Kulturinstituts „Cátedra Humboldt“ in Havanna, sieht die Leistung des deutschen Naturforschers positiv: „Er war alles andere als ein Kolonialist. Er hat uns geholfen, ein besseres Kuba zu schaffen, besonders durch seine kritischen Schriften über die Sklaverei.“ In Kuba sind zahlreiche Denkmäler, Straßen und auch ein Nationalpark nach Humboldt benannt.

"Ohne Zweifel das größte aller Übel"

Die Beliebtheit Humboldts in Kuba ist auf seine zweibändige Studie mit dem Titel „Essai politique sur l'île de Cuba“ von 1826 zurückzuführen. Aus dieser Schrift stammt seine Aussage: „Die Sklaverei ist ohne Zweifel das größte aller Übel, welche die Menschheit gepeinigt haben.“ Das Buch wurde 1827 vom spanischen Statthalter wegen „immenser Gefährlichkeit“ verboten, in einer englischen Ausgabe von 1856 wurden die sklavereikritischen Passagen getilgt – wogegen der mittlerweile hochbetagte Humboldt scharf protestierte. „Auf diesen Theil meiner Schrift lege ich eine weit größere Wichtigkeit als auf die mühevollen Arbeiten astronomischer Ortsbestimmungen, magnetischer Intensitätsversuche oder statistischer Angaben.”

Mauricio Nieto Olarte, Historiker aus Bogotá, sieht sein Wirken dennoch kritisch. Für ihn sind Humboldts Reise und seine wissenschaftliche Arbeit Teil der europäischen Expansion, die just im Zeitalter der Aufklärung und mit angetrieben vom Wissensdurst der Aufklärer einen Höhepunkt erreichte. „Es gibt einen Zusammenhang zwischen der europäischen Expansion und dieser Wissenschaft“, sagte er. „Es ging darum, die Welt nach den eigenen Kriterien zu ordnen.“

Humboldt wird eurozentristische Grundhaltung vorgeworfen

Andere Formen von Wissen, etwa das der indigenen Völker, seien dadurch unterdrückt worden, so Nieto Olarte. Auch habe der gleichaltrige, in Kolumbien aufgewachsene Forscher José Francisco de Caldas – trotz ähnlicher Ansätze und Erkenntnisse – bei Weitem nicht die Resonanz gehabt wie Humboldt. „Letztlich hatte Humboldt eine eurozentrische Grundhaltung: Amerika als Kontinent, der mithilfe Europas zum Licht gebracht wird.“ Muñoz Duthil hielt dem entgegen: „Humboldt hat mit kubanischen Wissenschaftlern zusammengearbeitet und die kubanische Wissenschaft vorangetrieben.“

Die beiden sehr unterschiedlichen lateinamerikanischen Blicke, die an dem Abend erkennbar wurden, spiegeln die Rezeption Humboldts in Lateinamerika, die zwischen Bewunderung und Kritik schwankt. Das zeigt auch eine Studie, die Sandra Rebok im Vorfeld der Themensaison „Humboldt y las Américas“ des Auswärtigen Amts angefertigt hat.

Rebok findet es wichtig, ihn differenziert zu würdigen. „Man kann nicht erwarten, dass er ganz frei von Eurozentrismus gewesen wäre. Sicher hat er einiges getan, was aus heutiger Sicht inakzeptabel ist, etwa Gebeine aus einer Begräbnisstätte mitgenommen. Aber im Vergleich mit anderen Reisenden war er seiner Zeit weit voraus.“ Rebok warnte davor, Humboldt zu heroisieren und zum „Vordenker für alles Mögliche“ zu erklären, etwa zum „ersten Ökologen“. Auch ohne solche fragwürdigen Superlative sei er inspirierend: „Ich forsche jetzt seit 25 Jahren über Humboldt und bin immer noch begeistert.“

Sandra Reboks Studie „Wahrnehmung Humboldts in Lateinamerika. Chancen und Herausforderungen einer Themensaison“ ist auf Deutsch und auf Spanisch auf der Webseite des Instituts für Auslandsbeziehungen abrufbar (www.ifa.de).

Zum Geburtstag ein Sommerfest mit Kosmos-Vorlesung

Bildungshunger auf mehr Wissen rund um Alexander von Humboldt? An der nach ihm und seinem Bruder Wilhelm benannten Humboldt-Universität kann man ihn am morgigen Donnerstag stillen – bei freiem Eintritt und ohne Anmeldung. Die Uni feiert den 250. Geburtstag des Naturforschers am 29. August vor, geboren wurde er am 14. September 1769 in Berlin. „Humboldts Sommerfest“ beginnt um 12 Uhr mit dem „Großen Bildungsessen“, gekocht von und mit Schülerinnen und Schülern im Foyer des Hauptgebäudes Unter den Linden 6. Ihre Projekte zur Nachhaltigkeit stellen Schüler ab 14 Uhr im Hörsaal 1070 vor.

Über Nachhaltigkeit im Finanzwesen spricht Juristin Anne-Christin Mittwoch um 19 Uhr in ihrer „Kosmos-Vorlesung“ – in englischer Sprache. Um 15 Uhr beginnt ein Swing-Konzert der Big Band der HU im Ehrenhof. Zwischendurch gibt es Führungen auf den Spuren der Humboldts und um 18 Uhr im Lichthof eine Diskussion mit Alexanders Biografen (das ganze Programm finden Sie hier).

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