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Handy

© p-a/dpa

Alzheimer: Heilsame Handystrahlung?

Einen Alzheimer-Forscher stimmt der in Tierversuchen gefundene Effekt gegen das Leiden hoffnungsvoll.

Eigentlich rechneten die Forscher der Universität Tampa in Südkalifornien damit, dass sie ihren Versuchsmäusen schaden würden, als sie sie in einer Langzeitstudie hoch frequenten elektromagnetischen Feldern aussetzten. Denn darauf deuteten vorherige Untersuchungen hin. Aber das Gegenteil trat ein.

Wie bereits kurz berichtet, „bestrahlten“ sie die 96 Mäuse über sieben bis neun Monate hinweg täglich zweimal per Sendemast für eine Stunde. Die Dosis entsprach dem, was Menschen bei täglichen stundenlangen Telefonaten an ihren Handys abbekommen.

Was bei diesem Langzeitversuch herauskam und nun im „Journal of Alzheimer’s Disease“ (Band 19, Seite 191) nachzulesen ist, verblüffte nicht zuletzt die Wissenschaftler um den Zellbiologen Gary Arendash. Statt wie erwartet die Denkleistung der Mäuse zu verschlechtern, hatte die Strahlung offensichtlich das Zeug dazu, Denken und Gedächtnis zu schärfen.

Ganz normale, genetisch nicht manipulierte Mäuse schnitten nach einigen Monaten regelmäßiger Bestrahlung in Tests besser ab als zuvor. Vor allem machten jedoch jene Versuchstiere Furore, die aufgrund eines gentechnischen Eingriffs zu Ablagerungen des Eiweißes Beta-Amyloid neigen, wie sie für die Alzheimer-Krankheit typisch sind. Wurden diese Alzheimer-Mäuse von klein auf den hoch frequenten elektromagnetischen Feldern ausgesetzt, dann bildeten sich bei ihnen deutlich weniger Plaques. Begann das Bestrahlungs-Programm erst bei den erwachsenen Tieren, dann schnitten die nach einiger Zeit in den Tests fast so gut ab wie gesunde, nicht genveränderte Artgenossen.

Dass diese erstaunlich günstigen Auswirkungen der Strahlung in vorangegangenen Studien noch nie gesehen wurden, führen die Forscher aus Kalifornien auf deren kurze Dauer zurück. So war eine Studie aus dem finnischen Turku, in der sich die Gedächtnisleistung und das Reaktionsvermögen junger gesunder Freiwilliger beim Anlegen von handyüblichen Feldstärken nicht verbesserten, ganz auf akute Effekte beschränkt.

Bleibt die Frage nach möglichen Erklärungen für die wundersame Verbesserung der Denkleistung. Auf jeden Fall ging sie mit einer Erhöhung der Körpertemperatur einher. Möglicherweise, so spekulieren die Forscher, wird die Plaque-Bildung dadurch erschwert. Denkbar aber auch, dass der Blutfluss im Gehirn sich bei leicht erhöhter Temperatur verbessert und die Gehirnzellen zu erhöhter Aktivität angetrieben werden.

Dass Schäden an Blutgefäßen nicht nur bei den gefäßbedingten Formen der Demenz, sondern auch bei Alzheimer eine große Rolle spielen, wird inzwischen immer klarer. Allerdings mahnen die Forscher selbst zur Vorsicht bei der Interpretation der erstaunlichen Ergebnisse. Die kleinen Nager sind trotz der Genveränderungen nur ein unvollkommenes Modell für Menschen mit Demenzerkrankungen, kaum vergleichbar ist zudem sicher die Erwärmung, die bei den Tieren den gesamten Körper, beim Menschen allenfalls den Kopf erreicht.

Obwohl man bei der Übertragung der Ergebnisse vorsichtig sein sollte, kann Arendash sich vorstellen, dass hoch frequente elektromagnetische Felder bald auch in klinischen Studien als Alzheimer-Therapie getestet werden. „Das Fehlen einer effektiven Therapie rechtfertigt zusammen mit unseren überraschenden Ergebnissen Therapieversuche.“

Auch der Alzheimer-Experte Wolfgang Maier von der Uni Bonn sieht ein therapeutisches Potenzial. „Würden sich bei einer neuen Substanz zum Einnehmen derartige Effekte in wiederholbarer Weise zeigen, dann würde die Pharmaindustrie die Entwicklung eines solchen Produkts sicher weiter vorantreiben.“

Dass elektromagnetische Felder heilsame Wirkungen entfalten können, hat sich zuerst in der Behandlung von Depressionen gezeigt. Hier wurden allerdings niedrigere Frequenzen eingesetzt, ebenso wie bei einer Alzheimer-Studie aus dem San Giovanni di Dio Fatebenefratelli Scientific Institute in Brescia. Deren Ergebnisse wurden 2008 im „European Journal of Neurology“ veröffentlicht. Bei 24 Alzheimer-Patienten hatte sich die geistige Leistungsfähigkeit unter dem Einfluss niedrig frequenter Magnetstimulation leicht gebessert. Für den Nutzen der Strahlung von hoch frequenten Feldern im Kampf gegen geistigen Abbau würden aber dringend mehr Belege gebraucht, sagt Maier.

Bis es so weit ist, dürfte die Studie aus Kalifornien erst einmal für Entspannung unter Viel-Telefonierern sorgen: Liefert sie doch Argumente für die hoffnungsvolle Annahme, dass man mit dem Handy nicht allein für gute private und berufliche Vernetzung sorgt, sondern auch für bessere Verbindung im eigenen Gehirn. Hinweise in diese Richtung hatte 2007 schon eine Studie aus dem niederländischen Nijmegen gegeben. Diejenigen unter den 300 Studienteilnehmern, die nach eigenen Angaben besonders häufig mobil telefonierten, zeigten dort auch etwas bessere Ergebnisse in Tests bestimmter Hirnfunktionen.

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