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Ein Mann niest

© Jordan/epa/picture alliance/dpa

Angeborene Immunabwehr: Corona-positiv, aber nicht ansteckend – wie ist das möglich?

Corona ist ansteckend, aber mal mehr und mal weniger. Wie verlässlich die gängigen Tests sind – und welchen Schutz eine Nasensalbe bietet.

Positiver Coronatest, das bedeutet nach wie vor: Quarantäne, Vorsicht, auch Angst. Es gibt Covid-19-Patienten, bei denen fällt jener Polymerase-Kettenreaktions-Test, kurz PCR-Test, noch Wochen nach Symptombeginn positiv aus – oft, obwohl es ihnen längst wieder gut geht. Wie kann das sein?

„In solchen Fällen vermehrt sich das Virus nur noch auf geringem Niveau. Da das Erbmaterial der Viren bei einem PCR-Test aber sehr stark vervielfältigt wird, bis es nachgewiesen werden kann, fällt der Test trotzdem positiv aus“, erklärt der Virologe Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie an der Universitätsklinik Essen.

„Da die Zahl neu entstehender Viren aber sehr klein ist, sind die Betroffenen trotzdem nicht gefährlich für ihre Umgebung.“

Doch wie genau sind die aktuellen Testverfahren? „Die derzeit eingesetzten Tests, der PCR-Test und der Antigen-Test, weisen in Abstrichen oder Lungenspülflüssigkeit Bruchstücke der Virus-RNA beziehungsweise beim Antigen-Test Virusproteine von SARS-CoV-2 nach. Sie messen nicht die Zahl der noch intakten und infektiösen Viren“, so Hans-Dieter Volk, Direktor des Institutes für Medizinische Immunologie an der Charité in Berlin.

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PCR-Tests sind der Goldstandard

Die PCR-Tests gelten trotzdem als der Goldstandard, gerade weil sie besonders sensitiv sind, deutlich sensitiver auch als die Antigen-Tests. Sie vervielfältigen das genetische Material in der Probe in mehreren Zyklen, als CT-Zahl angegeben. Und sie prüfen immer wieder, ob die Gensequenz des Virus vorhanden ist. Je mehr Zyklen nötig sind bis das Virus entdeckt wird, also je höher die CT-Zahl ist, desto geringer ist die Viruslast beziehungsweise die Virenkonzentration in der Probe.

Das klingt, als ob es vergleichsweise leicht sei, zu sagen, ob ein Patient viele oder wenige Viren auf seinen Schleimhäuten hat. Doch mit verschiedenen Gerätetypen ermittelte Zykluszahlen sind nicht direkt vergleichbar. So variiert auch die Zykluszahl ab der ein Test als negativ gilt, von Gerät zu Gerät – zumeist liegt sie zwischen 35 und 40.

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„Außerdem haben wir es mit schwer standardisierbaren Abstrichen zu tun“, bedauert Dittmer. „Teilweise wird gar kein Nasen-Rachen-Abstrich vorgenommen, sondern nur die Wangenschleimhaut im Mund oder durch den Mund im Rachen abgestrichen.“ Die meisten Viren sitzen jedoch in der Nase. Allerdings wird der Abstrich durch die Nase oft als unangenehm empfunden. So kann der PCR-Test, wenn überhaupt, nur einen Näherungswert für die Viruslast liefern.

Dort die Viren, da der Mensch. Wenn beide zusammen kommen, gibt es ein oft ein Problem. Aber nicht immer. Entscheidend ist, wie angemessen das Immunsystem antwortet.
Dort die Viren, da der Mensch. Wenn beide zusammen kommen, gibt es ein oft ein Problem. Aber nicht immer. Entscheidend ist, wie angemessen das Immunsystem antwortet.

© David-W- / Photocase

Die Dauer von Quarantänemaßnahmen lässt sich aus ihm also auch nicht zuverlässig ableiten. Besser wäre ohnehin ein Infektionstest mit intakten Viren in einer Zellkultur. Doch der ist für die großflächige Anwendung viel zu aufwändig.

Hohe Viruslast in den ersten 5 Symptom-Tagen

Einer aktuellen Datenauswertung zufolge, erschienen im Medizinjournal „Lancet“, fand bislang keine Studie eine relevante Virenausscheidung später als neun Tage nach Einsetzen der Symptome, obwohl Virenteile oft auch noch Monate danach nachweisbar waren. Besonders viele Viren werden demnach die ersten fünf Symptom-Tage ausgeschieden.

Die Viruslast steht in den meisten Fällen direkt im Zusammenhang mit der Erkrankungsschwere. In Ischgl etwa haben sich viele Skifahrer im Corona-Hotspot, dem „Kitzloch“, angesteckt. Der zu jener Zeit an Erkältungssymptomen leidende Barkeeper hat dort mit einer Trillerpfeife pfeifend die bestellten Getränke an den Tisch gebracht. So gelangten offenbar durch das heftige Pusten, ähnlich wie beim Singen, kleine und mit vielen Viruspartikeln beladene Tröpfchen in die Luft.

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Die Viruslast war hier so hoch, dass auch gesunde jüngere Menschen schwer erkrankt sind, weil sie eben sehr viele Viren abbekommen haben und ihr Immunsystem von Sars-CoV-2 überrannt wurde. So lautet zumindest die Interpretation der Ereignisse seinerzeit. Aber ganz so einfach ist es zumeist eben doch nicht: „Es gibt Patienten, die nur eine kleine Viruslast, aber einen schweren Covid-19-Verlauf haben und umgekehrt“, sagt Hans-Dieter Volk. Und etwa 40 Prozent der Infizierten bleiben gesund, obgleich sie eine ähnliche Viruszahl haben wie Menschen, die krank werden. Wie ist das möglich?

Bei mildem Verlauf nur kurzeitig Antikörper im Blut

„Nicht weniger wichtig als die Höhe der Viruslast ist, wie das Immunsystem sie bekämpft“, so Volk. Die angeborene Abwehr setzt bei Viren unter anderem auf Typ-1-Interferon, ein antiviral wirksames Zytokin. „Wenn diese Abwehrmaßnahme gut funktioniert, dann kann das Immunsystem die Viruslast schnell verringern und hat die Infektion im Griff.“ Nach den ersten zwei bis drei Tagen gehe es den Patienten „wieder gut“, sagt Volk.

Es gibt aber auch hier einen Haken: „Bei einem derart milden Verlauf mit nur wenigen Symptomen sind auch nur kurzzeitig Antikörper im Blut, das heißt, es ist nur eine kurze infektionsverhindernde Immunität gegen Sars-CoV-2 vorhanden, da das erworbene Immunsystem kaum angeschaltet wurde.“ Jenes „erworbene“, heute meist als „adaptiv“ bezeichnete Immunsystem, ist jener Teil der Abwehr, der erst einen Eindringling kennenlernen muss und dann, zeitlich verzögert, sehr spezielle Abwehrmoleküle und -zellen produziert.

Funktioniert die angeborene Immunabwehr nicht schnell genug, vermehrt sich das Virus zunächst stark und infiziert immer mehr Zellen. Dann werden auch viele Antikörper produziert. Da die Viruslast zunimmt, versucht dann das erworbene Immunsystem, die Viren in den Zellen zu eliminieren, zerstört dabei aber Zellen. Je mehr Gewebe von diesem „friendly fire“ betroffen ist, desto gefährlicher wird die Reaktion des Immunsystems für den Körper. Damit eine entstehende Entzündung nicht zu stark wird, gibt es eine eingebaute Bremse, um überschießende Immunantworten zu verhindern.

Gefahr des "Zykotinsturms"

Aber offenbar funktioniert diese Bremse nicht immer. Dann schütten Immunzellen, auch wenn der eigentliche Erreger keine große Bedrohung mehr darstellt, ständig große Mengen von Entzündungsbotenstoffen, sogenannten Zytokinen aus, die ihrerseits weitere Immunzellen aktivieren. Es kommt zu einer übermäßigen, sich selbst verstärkenden Entzündungsreaktion, einem „Zytokinsturm“.

Eine hohe Viruslast korreliert meist mit einem schweren Verlauf. Es gibt aber auch andere Faktoren.
Eine hohe Viruslast korreliert meist mit einem schweren Verlauf. Es gibt aber auch andere Faktoren.

© Jens Büttner / dpa

„Diese Patienten werden deshalb mittlerweile in dieser fortgeschrittenen Krankheitsphase mit Medikamenten wie Dexamethason behandelt, die das Immunsystem unterdrücken“, sagt Dittmer. Es wird spekuliert, ob außer den Zytokinen auch entzündungsfördernde Proteine eine zusätzliche Treiber-Rolle spielen könnten.

Doch welche „Last“ ein Erreger letztlich bedeutet, ist auch von anderen Faktoren abhängig. Respiratorische Viren wie Sars-CoV-2 breiten sich im kalten Winter besser aus als in wärmeren Jahreszeiten. Dafür gibt es mehrere Ursachen, unter anderem die, dass sie in winterlich trockener Luft schlicht besser zurechtkommen. Und: „Die Leistung der Interferon-Abwehr ist temperaturabhängig“, sagt der Essener Virologe. Atmet der Mensch kalte Luft ein, dann sinkt die Temperatur im Nasen-Rachen-Raum auf 32 bis 33 Grad Celsius, was die Leistungsfähigkeit des Interferon-Abwehrsystems vermindert. Dann reicht eine kleinere Virendosis für eine Infektion.

Einfache Mittel gegen hohe Viruslast

Deshalb sei es an kalten Tagen im Freien ratsam, einen Schal um den Nasen-Mund-Bereich zu wickeln. Warme Heizungsluft trocknet dagegen die Nasen-Rachen-Schleimhäute aus, was auch schlecht für die Interferon-Abwehr ist. Das Fazit: Viel trinken und eine Nasensalbe verwenden. „Mit diesen einfachen Maßnahmen kann jeder erreichen, dass sich bei ihm die für eine Infektion nötige Virusdosis erhöht“, so Dittmer.

Die andere Strategie ist und bleibt, die Virendosis möglichst niedrig zu halten, sagt Volk. Für den Berliner Immunologen steht deshalb fest: Man sollte sich selbst und andere durch konsequentes Maskentragen unbedingt schützen. Auch Dittmer sieht das so: „Wir brauchen die Masken, weil es im Alltag nicht immer möglich ist, einen Mindestabstand von 1,50 Metern einzuhalten.“

Würden alle Menschen FFP-2-Masken tragen, hätte das Virus deutlich schlechtere Chancen, sich zu verbreiten.
Würden alle Menschen FFP-2-Masken tragen, hätte das Virus deutlich schlechtere Chancen, sich zu verbreiten.

© Hauke-Christian Dittrich / dpa

Die Faserschichten, aus denen die Masken aufgebaut sind, fangen große und kleinere Virus-beladene Tröpfchen ein. Dicht gewobene Baumwolle in Stoffmasken schneidet dabei allerdings deutlich schlechter ab als nicht gewebtes synthetisches Material mit kreuz und quer liegenden elektrostatisch aufgeladenen Fasern unterschiedlicher Dicke wie in FFP2- und FFP3-Masken (FFP steht für Filtering Face Piece).

FFP2-Masken können etwa 90 Prozent der Virus-beladenen Tröpfchen aus der Atemluft herausfiltern. FFP3-Masken filtern sogar 95 Prozent. „Wenn alle diese Masken tragen würden, sähen die Infektionszahlen ganz anders aus“, so Volk. Das gilt allerdings nur für Masken ohne Ventil, denn die lassen Atemluft ungefiltert heraus.

Doch können Mutationen dazu führen, dass eine geringere Viruslast dann doch ausreicht, oder das Immunsystem schlechter reagieren kann? Viren mutieren, das ist völlig normal. Das Grippevirus etwa tut dies allerdings deutlich schneller als Sars-CoV-2. „Bei jeder Replikation des Virus in einer Zelle können kleine Kopierfehler auftreten, die die Viruseigenschaften möglicherweise ändern, sie können aber auch völlig belanglos sein“, sagt der Physiker Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel.

Permanente Mutationen

Eine Mutation sei per se gar nicht besorgniserregend. „Es ist reine Angstmacherei, wenn Mutationen ständig als gefährlich bezeichnet werden.“ Auch die inzwischen weltweit dominierende D614G-Mutation im Gen für das Spike-Protein von Sars-CoV-2 hat zwar in Zellkulturen und Tierexperimenten die Infektiosität des Virus deutlich erhöht. An seiner Pathogenität, also der krankmachenden Wirkung hat es aber zumindest nichts geändert, wie Forscher kürzlich in „Science“ berichteten.

Die Mutation macht es den Viren leichter, in Zellen einzudringen und diese für ihre Vermehrung zu nutzen. Sie breiten sich vor allem in der Nasenschleimhaut schneller aus – was aber auch bedeuten könnte, dass der infizierte Mensch vermehrt Viren ausscheidet. „Ob das bei künftigen Mutationen ebenfalls immer so ist, lässt sich nicht voraussagen“, sagt Neher. Die vier in Dänemark bei Nerzen auftretenden Mutationen im Spike-Protein machen das Virus ebenfalls nicht pathogener.

„Aber eine der Mutationen, die Y543F, betrifft ausgerechnet eine Region, an der ein wichtiger hochaktiver Antikörper normalerweise andockt“, sagt Dittmer. „Diese Mutation könnte deshalb die Wirksamkeit eines Impfstoffs vermindern, wenn sie sich unter den Menschen ausbreitet.“ Die Nerze produzieren selbst unheimlich große Virusmengen und könnten so Menschen „leicht infizieren“, sagt Dittmer.

Eine weitere Sorge ist, dass Impfungen auch Mutationen fördern werden. Tatsächlich erhöhen sie den Druck auf das Virus, sich zu verändern. „Wenn Menschen durch eine Impfung gegen Sars-CoV-2 immun werden, dann muss das Virus genau die Zielstelle der Impfung ändern, um zu überleben“, sagt der Essener Virologe Dittmer. „Deshalb ist es so wichtig, dass ein Impfstoff mehrere Zielstellen hat.“

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