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Stein auf Stein. Italien schob 2012 das „Große Pompeji-Projekt“ an. Daraufhin wurden einige neue Baustellen eingerichtet. Doch es erweist sich als schwierig, die Aufträge an der Mafia vorbei zu vergeben.

© AFP

Antike römische Stadt: Ringen um Pompeji

Die antike Stadt Pompeji bei Neapel verfällt, bei Bauaufträgen mischt allzu oft das organisierte Verbrechen mit. Jetzt wollen deutsche Restauratoren das Weltkulturerbe retten.

Der November war wieder ein schlechter Monat für Pompeji. Kaum fegen die Herbststürme übers Land, melden die Verwalter der berühmten Stätte neue Verluste an der altertümlichen Bausubstanz. Vor drei Jahren stürzte die Schola Armatorum in sich zusammen, eine Art antikes Clubhaus für paramilitärisch organisierte junge Männer. Die Aufregung damals war groß: Präsident Giorgio Napolitano sprach von „nationaler Schande“, Archäologen, Welterbeschützer, Politiker und Kulturbeflissene in ganz Europa schreckten auf. Im Frühjahr 2011 beschloss daraufhin die damalige italienische Regierung wegen „der außerordentlichen Notwendigkeit und Dringlichkeit“, in den folgenden drei Jahren insgesamt 236 Millionen Euro in den Schutz der antiken Stadt zu stecken. Der Ministerpräsident hieß damals Silvio Berlusconi. Ausgerechnet er wollte also plötzlich eine fantastische Summe in den Erhalt der Stätte investieren. Dabei war gerade in seiner Amtszeit der Kulturetat radikal auf 1,1 Prozent des Staatshaushalts gekürzt worden. So fehlte natürlich auch in Pompeji, das ohnehin schon über Jahrzehnte vernachlässigt worden war, hinten und vorne das Geld. Dabei blieb es auch.

Ende November dieses Jahres stürzte dort wieder eine antike Mauer ein – und der Presse außerhalb Italiens war dies nicht viel mehr als kleine Meldungen am Rande wert. Besorgte oder gar alarmierende Kommentare wie vor drei Jahren, als man die in sich zusammengeklappte Schola Armatorum fälschlicherweise als „Haus der Gladiatoren“ betrauerte, suchte man vergebens.

Die Unesco hat das bei einem Vulkanausbruch des Vesuvs im Jahre 79 n. Chr. unter meterhohen Aschebergen begrabene und dadurch konservierte Pompeji 1997 in ihre Liste des Welterbes aufgenommen. Seither mahnte die UN-Organisation für Kultur alljährlich bei wechselnden italienischen Regierungen an, die Hinterlassenschaft auch gebührend zu bewahren. Doch es fehlte an Mitteln und wohl auch am Willen. Schließlich kamen auch zur vernachlässigten Stätte alljährlich rund 2,5 Millionen Besucher aus dem In- und Ausland. Mit dem akuten Verfall der antiken Bauten, der vor wenigen Jahren einsetzte, erlangten die Auswirkungen der amtlichen Gleichgültigkeit allerdings eine neue Qualität.

Im Jahr 2012 stieß Berlusconis Nachfolger, Ministerpräsident Mario Monti, das „Große Pompeji-Projekt“ (Grande Progetto Pompei) an – mit dem erklärten Ziel, die Stadt vor dem Untergang zu retten. Und es gab neue, realistischere Zahlen: Mit insgesamt 105 Millionen Euro wollten nun Rom und die EU gemeinsam bis Ende 2015 die Restaurierung und Sicherung der 66 Hektar großen Stätte ermöglichen. Inzwischen hat Italien mit Enrico Letta einen neuen Regierungschef. In Pompeji ist bislang wenig geschehen. Bislang sind auf dem Gelände jedenfalls gerade einmal fünf kleine Baustellen eingerichtet worden. Sollten die zugesicherten EU-Gelder nicht bis Juni 2015 eingesetzt werden, verfallen sie automatisch.

Kürzlich mahnte Johannes Hahn, EU-Kommissar für Regionalpolitik, Eile an und drohte unverhohlen damit, den europäischen Geldhahn zuzudrehen: „Italien und die Region Kampanien riskieren es, Finanzmittel für die Stätte zu verlieren.“ Auch der Unesco dauert die Sanierung viel zu lange. Des ewigen Mahnens müde, droht sie seit drei Jahren damit, Pompeji aus der Welterbeliste zu streichen. Ende November schließlich setzte die Unesco ein Abkommen durch, das ihren Vertretern die oberste Aufsicht über die Restaurationsarbeiten einräumt.

Doch auch innerhalb Italiens wird um das Projekt gerungen. Pompeji liegt nahe bei Neapel. Bei Bauaufträgen mischt allzu oft das organisierte Verbrechen mit, Korruption ist auf lokaler und regionaler Ebene keine Seltenheit. Lange konnte sich die Regierung in Rom nicht mit der unmittelbar zuständigen Soprintendenza Archeologica di Pompei darauf einigen, wie das Geld an der Camorra vorbei verteilt werden kann. Die Zentralregierung wollte einen externen Kommissar einsetzen, der die Mittel verwaltet, verteilt und ihren Einsatz kontrolliert. Die Soprintendenza wollte diese Rolle selbst übernehmen. Mit der am 9. Dezember erfolgten Einsetzung des Carabinierigenerals Giovanni Nistri als neuem Chefmanager des Pompeji-Projekts hat sich Rom nun durchgesetzt. Nistri war schon einmal von 2007 bis 2010 für den Schutz des kulturellen Erbes zuständig. Zu seinem Stellvertreter wurde Fabrizio Magani ernannt, der auch die Sanierung der 2010 von einem Erdbeben zerstörten Abruzzen-Stadt L’Aquila organisiert.

Möglicherweise kommt nun endlich auch von anderer Seite Bewegung in die Sache: Das Pompeii Sustainable Preservation Project, eine Task Force führender europäischer Forschungsinstitutionen unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP) und des Lehrstuhls für Restaurierung der technischen Universität München (TUM), will Strategien für eine nachhaltige Konservierung und den dauerhaften Erhalt der Stadt entwickeln. Das Konsortium will unabhängig von staatlichen oder EU-Subventionen arbeiten und setzt auf Fundraising. „Daher suchen wir private Förderer“, sagt Projektkoordinator Ralf Kilian vom IBP. Zehn Millionen Euro brauchen die Restauratoren – und es sieht ganz gut aus: Die Gespräche mit drei potenziellen internationalen Geldgebern seien bereits in einer sehr konkreten Phase, heißt es.

In den USA ist es üblich, private Gelder für die wissenschaftliche Arbeit zu akquirieren, in Europa betreten die Forscher damit, wenn nicht Neuland, so doch spärlich beackertes Gelände. So ungewöhnlich wie die Finanzierung ist auch der wissenschaftliche Ansatz des Projekts, das auf drei Säulen ruhen soll: Ausbildung, Forschung und Restaurierung.

Bei der praktischen Arbeit an den bedrohten Bauten in Pompeji sollen Fachkräfte ausgebildet werden. Ihre Fertigkeiten und neue Methoden können sie dann auch bei anderen Stätten einsetzen. „Kulturdenkmäler können kleine Universitäten sein, wenn Restaurierung durch Ausbildung und durch geistes- wie naturwissenschaftliche Spitzenforschung bereichert wird“, sagt Klaus Sedlbauer, der Leiter des Instituts für Bauphysik. Zudem wollen die Retter aus Deutschland nicht nur restaurieren und rekonstruieren, sondern Möglichkeiten der „präventiven Konservierung“ erforschen. Dabei geht es darum, Lösungen zu finden, die den Verfall archäologischer Stätten von vorneherein verhindern oder zumindest verzögern.

Kilian ist zuversichtlich, dass das Konsortium im Sommer 2014 die Arbeiten aufnehmen kann. Die Forscher wollen sich in dem auf zunächst zehn Jahre angelegten Projekt einem der insula genannten Häuserblöcke in Pompeji widmen. Sie sind die natürlichen Einheiten der Stätte. Pompeji besteht aus 110 insulae – die Rettung kann also noch lange dauern.

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