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Alexandria

© picture alliance/akg

Archäologie: Der Pharos soll wieder strahlen

Ägypten plant, den Leuchtturm von Alexandria zu rekonstruieren – mit Material aus alten Steinbrüchen.

Rund anderthalb Jahrtausende trotzte der Leuchtturm von Alexandria Wind und Wellen, Eroberern und Erdbeben. Vermutlich zwischen 299 und 279 v. Chr. erbaut, wurde das Weltwunder mehrfach beschädigt und repariert – und behielt seine Faszination für antike und arabische Reisende bis ins frühe Mittelalter. Der Mythos trug bis in die Neuzeit. Ein Erdstoß um das Jahr 1330 n. Chr. aber zerstörte das Bauwerk endgültig, seine Trümmer versanken im Mittelmeer. Jetzt, 700 Jahre später, gibt es Überlegungen, ihn in seiner antiken Gestalt wiedererstehen zu lassen. Ägyptens oberster Antiken-Wächter, Zahi Hawass, sagte der ägyptischen Zeitung „Al-Ahram“ kürzlich: „Wir haben jetzt die Methoden für eine korrekte Rekonstruktion.“

Zu den Sieben Weltwundern der Antike gehörte der Leuchtturm von Alexandria ursprünglich nicht. In der ersten Liste des griechischen Dichters und Gelehrten Antipatros von Sidon, der um 130 v. Chr. einen Reiseführer über die „rühmenswerten Bau- und Kunstwerke der Antike“ schrieb, taucht er nicht auf. Erst rund 700 Jahre später, im 6. Jahrhundert n. Chr., rückte er in das Architektur-Pantheon auf – anstelle der nicht mehr sichtbaren Mauern von Babylon.

Als Bauherren des gewaltigen Baus gelten die beiden griechischen Pharaonen Ptolomaios I. und II., als Architekt gilt Sostratos von Knidos. Dafür wurde die Insel Pharos durch einen Damm mit dem Festland verbunden. Der Inselname „Pharos“ wurde in verschiedenen Sprachen zum Synonym für Leuchtturm.

Es gibt keine Original-Zeichnungen des Baus des Pharos von Alexandria, nur spätere Beschreibungen und Abbildungen auf Münzen, Keramiken und Mosaiken. Dementsprechend variieren die Größenangaben. Der deutsche Archäologe Hermann Thiersch hat alle erreichbaren Quellen gebündelt und 1909 eine Rekonstruktion erstellt, die auch heute noch einigen Anspruch auf Realitätsnähe besitzt.

Demnach hatte der Turm einen 60 Meter hohen quadratischen Grundsockel von 30 mal 30 Metern. Auf dem reckte sich ein achteckiger Bau mit 11 Meter Durchmesser noch einmal 30 Meter in den Himmel. Darauf stand ein Rundbau mit 15 Meter Höhe. Und darüber erhob sich das acht Meter hohe Leuchtfeuer. Den Abschluss bildete eine sieben Meter große bronzene Götterstatue. Das Bauwerk belegte mit 120 Metern neben den Pyramiden von Gizeh einen Spitzenplatz unter den höchsten Bauten des Altertums. Innen gab es ansteigende Rampen, auf denen Esel Lasten hochschleppen konnten, und einen Schacht zum Hochziehen etwa von Materialien für die großdimensionierte Laterne.

Bei Nacht könnte ein Öl- oder Pechfeuer geleuchtet haben, bei Tag ein vom berühmten Mathematiker Archimedes konstruierter Metallhohlspiegel. Doch das liegt tief im Bereich der Spekulation. Das Signal soll Seeleuten über 50 Kilometer den Weg in den sicheren Hafen gewiesen haben.

1435 wird der Pharos von Alexandria zum letzten Mal erwähnt, da dürfte er eine Ruine gewesen sein. Ein Großteil seiner Steinquader lag auf dem Meeresgrund, den Rest hatte der damals über Ägypten herrschende mamelukische Sultan Kait Bey in seiner gleichnamigen Festung verbaut. Da die antiken Autoren und später auch arabische Reisende keinerlei Hinweise auf das Baumaterial des Leuchtturms gaben, brachte die Frage nach einem eventuellen Wiederaufbau des Pharos die Archäologen bislang stets in Verlegenheit: Sie kannten weder Form noch Größe oder Material der Bausteine.

Das änderte sich erst, als Jean Yves Empereur mit seinen archäologischen Recherchen im Schlick des Hafens von Alexandria begann. Der vielfach angefeindete Selfmade-Archäologe holte bei seinen technisch aufwendigen Unterwasser-Erkundungen in den letzten Jahren nicht nur fantastische Sphinx-Figuren und Statuen ans Licht, sondern auch rund 50 verschiedene Steinblöcke. Die bestanden hauptsächlich aus Granit und Sandstein, einige aus Marmor und Kalkstein. Im Vergleich mit den in der Kaitbey-Festung verbauten Steinen konnten viele dem ehemaligen Leuchtturm zugeordnet werden. Seitdem träumen viele Archäologen – und Touristikmanager – vom Wiederaufbau des kolossalen Gebäudes.

Ein Forschungsprojekt der Europäischen Union namens „Midstone“ könnte helfen, den Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Zumindest bietet der im Juni dieses Jahres vorgelegte Abschlussbericht eine wissenschaftliche Grundlage. Aus Proben oberirdischer und versunkener Quader haben die Forscher die Zusammensetzung der Steinsorten ermittelt. Damit können sie die Herkunft des Baumaterials punktgenau bestimmen: Die meisten Steine stammen aus zwei heute noch intakten Steinbrüchen bei Alexandria und Kairo, einige Granitblöcke aus Assuan – und der Marmor kam aus Griechenland. „Das könnte der Schlüssel für die Rekonstruktion dieses erstaunlichen Bauwerks sein“, sagt Zawi Hawass.

An die Empereur-Aktivitäten und das Midstone-Projekt knüpft eine noch waghalsiger anmutende Idee an: ein Unterwasser-Museum im Hafen von Alexandria. Dafür hat die Unesco schon ihre technische Unterstützung angekündigt. Eine Machbarkeitsstudie attestiert, dass ein solcher Bau möglich ist, ohne die im Wasser liegenden archäologischen Artefakte zu beschädigen. Technisch wäre das machbar, heißt es, da das Meer dort nur fünf bis sechs Meter tief ist. Allerdings müsste das Wasser gereinigt werden, denn Abwässer und Algenwuchs trüben das Hafenbecken.

Durch einen Fiberglastunnel sollen die Besucher über die antiken Zeugnisse wandeln. Zu bewundern wären dann nicht nur die Fragmente des Pharos, sondern auch die Ruinen von Kleopatras Palast und andere Reste aus der hellenistisch-römischen Zeit, die das Meer verschlungen hat. In drei Jahren wollen die Planer das Museum verwirklichen. Für die Finanzierung suchen sie noch Sponsoren.

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