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Forscher haben herausgefunden, dass viele Frauen, die in der Bronzezeit im bayerischen Lechtal lebten, weit entfernt aufgewachsen waren.

© Stadtarchäologie Augsburg/dpa

Archäologie: Die Frauen der Bronzezeit waren Wandervögel

Skelettanalysen aus dem Raum Augsburg zeigen: Die Männer der frühen Bronzezeit waren sesshaft, die Frauen wanderten dagegen aus fernen Regionen zu.

Wie auf einer Perlenkette reihten sich vor rund 4000 Jahren die Bauernhöfe entlang eines Hügels aneinander. Dort, wo heute die Stadt Augsburg zwischen den Flüssen Wertach und Lech liegt, bestellten die Bauern ihre Äcker auf fruchtbarem Lössboden, am Fuß des Hügels weidete das Vieh. Doch inmitten der ländlichen Idylle vollzog sich ein drastischer Umbruch, neue Geräte aus Metall, von Schmuck über Werkzeuge bis hin zu Waffen, veränderten den Alltag, als vor rund 4500 bis vor 3600 Jahren die Jungsteinzeit allmählich in die Bronzezeit überging.

Sesshafte Männer und Globetrotter-Frauen

Bisher hatten Archäologen vermutet, dass Männer die neuartigen Bronzegeräte von langen Wanderungen in die Fremde mitbrachten und so allmählich verbreiteten. Doch nun stellen neue Untersuchungen von Skelettresten aus dieser Epoche diese Theorie in Frage. So ergaben chemische Analysen der Zähne der Männer, dass sie damals offenbar erstaunlich sesshaft waren, schreiben Johannes Krause und Philipp Stockhammer vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena und der Ludwig-Maximilians-Universität in München im Fachblatt „PNAS“. Die chemische Zusammensetzung der Zähne der Frauen dieser Zeit ergab hingegen, dass fast zwei Drittel in weit entfernten Gebieten aufgewachsen waren. Die Forscher schlussfolgern daraus, dass es hauptsächlich Frauen gewesen sein müssen, die bronzene Werkzeuge, andere neuzeitliche Erfindungen und fremde Traditionen verbreiteten.

Die Forscher untersuchten dafür die Überreste von Menschen, die mit angewinkelten Armen und Beinen in Höckergräbern bestattet wurden: Das Gesicht ist bei diesem Beisetzungsritus immer zur aufgehenden Sonne nach Osten gerichtet. Der Kopf von Mädchen und Frauen lag dabei normalerweise im Süden, während die Schädel von Jungen und Männern nach Norden ausgerichtet waren.

Signatur der Herkunft in den Zähnen

Aus den Zähnen dieser Toten isolierten die Forscher nicht nur das darin enthaltene Erbgut, sondern analysierten auch die Sauerstoff- und Strontium-Atome, die jeweils aus verschieden schweren Isotopen bestehen. Zählen die Forscher, wie viele schwerere und leichtere Strontium-Isotope in einem Zahn stecken, können sie aus diesem Isotopen-Verhältnis schließen, in welcher Gegend dieser Mensch lebte, als sein Zahn wuchs.

Von den untersuchten 83 Menschen lebten 22 und damit mehr als ein Viertel nicht im Lechtal, als sich ihre Backenzähne im Kindesalter bildeten, so das Ergebnis der Analysen von Corinna Knipper vom Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie in Mannheim . Von diesen 22 waren allerdings nur drei Männer. Vor allem die Frauen entpuppten sich als Wandervögel: 17 von ihnen und damit mehr als 60 Prozent der untersuchten Frauen mussten nach ihrem 16. Geburtstag von weiter her ins Lechtal gekommen sein. Bei den Männern lag der Prozentsatz solcher Einwanderer dagegen gerade einmal bei elf Prozent, bei den Kindern und Jugendlichen waren es nur sieben Prozent.

Aus weiter Ferne angereiste Frauen

Obendrein kamen die Frauen nicht etwa aus der Nachbarschaft, sondern aus weiter entfernten Regionen. Die Ergebnisse der Strontium-Isotopen-Analysen sprechen für das 60 Kilometer entfernte Nördlinger Ries. Auch die Zentralalpen sowie der Bayerische Wald und der Schwarzwald kommen in Frage. Aus verschiedenen Gründen aber vermuten die Forscher, dass die Frauen eher aus den Gebieten um die heutigen Städte Prag oder Halle an der Saale kamen, wo Archäologen zahlreiche Überreste aus der frühen Bronzezeit finden.

Wie aber waren die Frauen von dort in das Lechtal im Süden Deutschlands gekommen? Hatten die Männer sie womöglich auf Raubzügen entführt? „Ich kann mir kaum vorstellen, dass solche Raubzüge über einen Zeitraum von 800 Jahren stattfanden und fast zwei Drittel aller Frauen als Entführungsopfer oder Kriegsbeute auf die Lech-Terrasse kamen“, meint Philipp Stockhammer. Ein friedlicher Austausch zwischen den Regionen sei wahrscheinlicher. Dafür spricht auch, dass die Frauen aus der Fremde den Funden nach in die Bauerngesellschaft am Lech offenbar voll integriert waren.

Sicher sind sich die Forscher indes nicht und wollen die Mobilität der Menschen dieser Epoche daher weiter untersuchen, sagt Stockhammer. Dabei hoffen die Forscher auch ein Rätsel zu lösen, das sich aus ihren Erbgutanalysen ergab: Offenbar hinterließen die Frauen aus der Fremde keine Nachkommen im Lechtal. „Eigentlich kann man sich kaum vorstellen, dass es keine Kinder gegeben haben sollte zwischen den Zugewanderten und Alteingesessenen“, meint Stockhammer. Wohin die Nachkommen dann jedoch verschwunden sind und warum, kann der Forscher nicht erklären. Noch haben die Bronzezeit-Menschen vom Lech nicht alle ihre Geheimnisse preisgegeben.

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