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Spuren des Gemetzels. Viele Knochen am Fundort sind verletzt, etwa dieser Schädel eines Kleinkinds.

© Christian Meyer

Archäologie: Massaker in der Jungsteinzeit

Nahe Frankfurt (M.) rekonstruieren Forscher einen brutalen Angriff vor 7000 Jahren. Damals wurde offenbar die ganze Siedlung ausgelöscht.

In der Nähe von Frankfurt am Main haben Forscher Hinweise auf ein Steinzeitmassaker entdeckt. „Mindestens 26 Menschen wurden wahrscheinlich gefoltert, erschlagen und dann in eine Grube geworfen“, sagte Christian Meyer von der Universität Mainz. Wie er und seine Kollegen im Fachblatt „PNAS“ berichten, sind die menschlichen Überreste etwa 7000 Jahre alt und stammen damit aus der Jungsteinzeit. Auffallend sei, dass vor allem Männer und 12 bis 13 Kinder begraben waren. Die einzigen zwei Frauen schätzen die Forscher auf über 40 Jahre. „Das kann bedeuten, dass die jungen Frauen von den Angreifern entführt wurden“, sagt Meyer. Das Massengrab wurde 2006 im hessischen Schöneck-Kilianstädten gefunden, aber erst später untersucht.

Keine Spuren eines würdevollen Begräbnisses

Es gebe keine erkennbaren Spuren eines rituellen, würdevollen Begräbnisses, betonte Meyer. Auch deshalb gehen die Forscher von einem gewaltsamen Tod aus. „An vielen Schädeln und vor allem an den Waden- und Schienbeinen haben wir Frakturen gefunden“, sagte Meyer. „Diese Knochenbrüche müssen mit einer enormen Wucht entstanden sein.“ Vergleichbar sei diese mit der Kraft eines Autos. Viele der Menschen seien mit Steingeräten erschlagen worden und wahrscheinlich an den Schädelverletzungen gestorben. Die Beinknochen seien fast systematisch zertrümmert worden.

Über die Motive der Angreifer können Meyer und seine Kollegen nur mutmaßen. Sie gehen davon aus, dass bei dem Massaker eine ganze Siedlung ausgelöscht wurde. Das sei kein einzigartiger Vorfall für die Zeit. Neu sei hingegen die Brutalität der Angreifer. „Mit der Sesshaftigkeit gab es möglicherweise Konflikte um Gebiete“, sagte der Forscher. Schöneck-Kilianstädten sei der dritte Ort in Mitteleuropa, an dem ein Massaker aus der Zeit der Linearbandkeramik nachgewiesen wurde. Mit der Linearbandkeramik beginnt in Mitteleuropa die Jungsteinzeit und die Zeit, in der sich die ersten Menschen dauerhaft niedergelassen und Ackerbau und Viehzucht betrieben haben. Datiert wird sie auf die Jahre 5500 bis 5000 vor Christus.

An mehreren Orten gab es zu dieser Zeit Massaker

Das baden-württembergische Talheim und ein österreichisches Dorf in der Nähe von Wien hatten ebenfalls durch jungsteinzeitliche Funde von Massakern Aufsehen erregt – Talheim bereits 1983. „Die drei Orte beweisen, dass es bereits vor 7000 Jahren, also am Ende der Linearbandkeramik, kollektive Gewalt in großem Stil gab“, sagte Meyer. „Wahrscheinlich gibt es Zusammenhänge mit dem Verschwinden dieser Kultur.“ (dpa)

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