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Ölbildnis von Carl Ferdinand Langhans.

© Andres Kilger/Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie

Architekt Carl Ferdinand Langhans: Der Oberbaurat, der auf Berlins Straßen Draisine fuhr

Vor 150 Jahren starb der schlesisch-preußische Architekt Carl Ferdinand Langhans in Berlin. Immer wieder konkurrierte er mit Schinkel um Bauvorhaben.

Kreuzberg, auf dem evangelischen Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirche, ein sonniger Herbstnachmittag. Annette Winkelmann setzt Steinnelken in die Mulde eines Grabsteins und gibt mit den Händen ein wenig Erde dazu, während Frank Prietz mitgebrachten Kaffee in kleine Tontassen gießt. Die beiden Mitbegründer der Langhans-Gesellschaft stehen vor einem klassizistischen Mausoleum mit Dreiecksgiebel und angedeuteten Säulen, an dessen Frontseite noch Einschusslöcher vom Krieg sind. Das Eisenportal ist geöffnet. Gelegentlich kommen Spaziergänger vorbei, treten neugierig ein.

Das Mausoleum ist eine Gedenkstätte – und das Herzstück der Langhans-Gesellschaft, die an die Baumeister Carl Gotthard Langhans (1732–1808) und Carl Ferdinand Langhans (1781–1869), Vater und Sohn, erinnern will. Nur wenige Schritte entfernt liegt das Grab von Carl Ferdinand, ein hoher roter Marmorstein mit dem cäsarenhaften Profil des Architekten, dessen Todestag sich am 22. November zum 150. Mal jährt.

Außenansicht eines Mausoleums mit den Initiatoren einer darin eingerichteten Gedenkstätte.
Die beiden Mitbegründer der Langhans-Gesellschaft, Annette Winkelman und Frank Prietz, vor dem Kreuzberger Langhans-Mausoleum.

© Judith Leister

Dass die beiden Langhans’ das Gesicht Preußens und Schlesiens über 120 Jahre geprägt haben – Langhans senior entwarf das Brandenburger Tor, Langhans junior war die größte Autorität seiner Zeit im Theaterbau –, sei im öffentlichen Bewusstsein kaum präsent, fanden die Historikerin Winkelmann und der Bauingenieur Prietz. Und handelten: 2016 kontaktieren sie die Friedhofsgesellschaft, 2017 gründen sie den Verein. Kirche und öffentliche Hand übernehmen die Restaurierung des aufgelassenen Mausoleums. Die rund 50 Langhans-Enthusiasten, die die Initiatoren schnell um sich scharen konnten, steuern eine fünfstellige Summe bei.

Als Junge soll er Vaters Brandenburger Tor skizziert haben

Wer über Carl Ferdinand Langhans sprechen will, darf über seinen Vater nicht schweigen. Carl Gotthard Langhans, Abkömmling einer privilegierten evangelischen Familie und durch die friderizianischen Kriege preußischer Untertan geworden, ist bereits oberster Baubeamter in Schlesien, als er 1787 zum königlichen Oberhofbaudirektor in Berlin ernannt wird und im Auftrag Friedrich Wilhelms II. ein großes Stadtumbauprogramm realisiert. Zum Erbe des Autodidakten und Wegbereiters des Klassizismus zählen zahlreiche Prachtbauten, aber auch Gewerbe- und Infrastrukturbauten. Als die Familie von Breslau nach Berlin umzieht, ist Langhans junior sechs Jahre alt.

Man weiß nicht genau, ob der kleine Carl Ferdinand wirklich Skizzen des Brandenburger Tors zeichnete, wie es heißt. Ein guter Zeichner war der Sohn einer akademischer Malerin aber allemal. Schon mit 16 wird er Mitarbeiter im Oberhofbauamt, wo die „schöne Anmut und edle Einfachheit“ seiner Entwürfe gelobt werden. Als er in die 1799 gegründete Bauakademie eintritt, wird er Kommilitone des nur zwei Monate jüngeren Friedrich Schinkel. Man schätzt sich wohl gegenseitig, angefreundet aber haben sich die Nachwuchsbaumeister nicht.

Das erste große Bauprojekt, an dem Carl Ferdinand Langhans beteiligt ist, sollte auch das letzte seines Vaters sein: das Nationaltheater auf dem Gendarmenmarkt, das zur einflussreichsten Spielstätte der bürgerlichen Theaterkultur aufsteigen sollte. 1802 ist der Bau vollendet. Doch obwohl der jüngere Langhans von Friedrich Wilhelm III. für seine Präsentationszeichnungen 500 Reichstaler erhält: Die Berliner Gesellschaft befindet das große Bohlenbinderdach für unproportioniert, die Sicht- und akustischen Verhältnisse im Inneren seien ärgerlich. 1817 brennt das Haus ab. Carl Ferdinand reicht Pläne für einen Neubau ein, unterliegt jedoch gegen Schinkels Entwurf des heutigen Berliner Konzerthauses, in dessen Front der verbliebene Säulen-Portikus des Langhans-Baus integriert wurde.

Er erfindet eine Draisine - und fällt der Polizei unangenehm auf

Zuvor jedoch hatte es andere Erschütterungen im Leben von Carl Ferdinand Langhans gegeben. Am 14. Oktober 1806 ziehen die Truppen Napoleons in Berlin ein. Vater und Sohn Langhans werden auf Wartegeld gesetzt, da die Staatskasse leer ist, und gehen nach Breslau. 1808 stirbt Carl Gotthard; sein Grab ist heute verschollen. Er erlebt es nicht mehr, dass sein Brandenburger Tor zum Nationalsymbol wird – dadurch, dass Napoleon die Quadriga nach Paris entführt, die 1814 in einem Triumphzug durch ganz Deutschland an ihren Platz zurückkehrt.

Nun findet Carl Ferdinand Zeit für eine Italienreise, hält sich kurz in Wien auf. Er schreibt ein epochemachendes Werk über „Katakustik“ (1810), über das Nachhallverhalten von Wort und Musik in Theatern und Konzerthäusern. Dabei entfernt er sich von den geometrischen Vorstellungen, die sein Vater – zeittypisch – noch favorisiert hatte, und arbeitet stattdessen mit Zeitmessungen. Feinsinnig bemerkt er über die Arbeiten seines Vaters, der meist elliptische Räume geschaffen hatte: „Die Behauptung, dass man in einer elliptischen Form nicht höre, ist (…) nicht richtig. Man hört zu viel und deswegen versteht man nicht.“

Architekturfoto des Berliner Opernhauses.
Die Berliner Lindenoper, die Carl Ferdinand Langhans nach einem Brand wiederaufbaute.

© Architekturmuseum TU Berlin, Inv. Nr. 040,16

Der innovative Kopf erfindet unter anderem eine Draisine und probiert sie zum Ärger der Polizei auf den Straßen Berlins aus. Spektakulär ist sein „Pleorama“, bei dem eine mehrere Hundert Meter lange Leinwand mit dem Panorama des Golfs von Neapel an Zuschauern in einer Barke vorbeigezogen wird.

Das Bedürfnis des Publikums nach optisch-illusionistischen Attraktionen befriedigt Carl Ferdinand Langhans 1812 auch durch Inszenierungen von Tableaux vivants, das Nachstellen bekannter Gemälde, im Nationaltheater, das nach dem Erscheinen von Goethes „Wahlverwandtschaften“ besonders populär wurde. Dabei ist die Illusion von Szenerie, Licht und untermalender Musik so perfekt, dass Zuschauer von einer „magischen Wirkung“ sprechen.

In den 1820er Jahren entstehen in Breslau wichtige eigenständige Bauwerke, darunter die Elftausend-Jungfrauen-Kirche, die Börse und die Synagoge Weißer Storch. Wie bei seinem Spätwerk insgesamt bedient sich Langhans in eklektizistischer Manier unterschiedlichster Formensprachen, die vom Klassizismus bis zum Historismus reichen.

Beim Prinz-Wilhelm-Palais setzt er sich gegen Schinkel durch

Die 1830er Jahre bringen für den schon über 50-Jährigen den Durchbruch auch in Berlin. Durch eine überzeugende Grundrisslösung für das Prinz-Wilhelm-Palais Unter den Linden gewinnt Langhans die Gunst des Hohenzollernprinzen Wilhelm, der 1871 erster deutscher Kaiser wird, und setzt sich auch dank diplomatischen Geschicks gegen Schinkel durch.

Zu seiner eigentlichen Berufung findet Langhans mit seinen Theaterbauten in Breslau, Liegnitz, Berlin (Umbau der „Krolloper“), Stettin, Dessau und Leipzig. Da die Sichtverhältnisse und die Akustik der unter Friedrich dem Großen erbauten Linden-Oper, an der schon Langhans der Ältere herumgetüftelt hatte, noch immer unbefriedigend sind, wird er als Koryphäe herangezogen. Seine Pläne liegen bereits vor, als die Oper 1843 abbrennt. Von Friedrich Wilhelm IV. mit dem Wiederaufbau betraut, kann er schon 1844 wiedereröffnen. Erstmals hat das Haus nun Sitzplätze, Gasbeleuchtung – und eine viel gelobte Akustik.

Die Grabstätte von Carl Ferdinand Langhans auf dem Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirche in Berlin-Kreuzberg.
Die Grabstätte von Carl Ferdinand Langhans auf dem Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirche in Berlin-Kreuzberg.

© Langhansgesellschaft

Langhans arbeitet bis ins hohe Alter; 1867 feiert er sein 70-jähriges Dienstjubiläum. 1869 stirbt er, im Alter von 88 Jahren. Im Grab ruht auch seine zweite Frau Henriette, die ihn um fast 50 Jahre überleben sollte. Das Wirken Carl Ferdinand Langhans’ reicht von der Französischen Revolution bis zum Vorabend des deutschen Kaiserreichs.

Doch schon unmittelbar nach seinem Tod setzt um ihn ein stilles Vergessen ein. Der Autor eines Nachrufs im „Deutschen Baublatt“ hält es für ein schweres Versäumnis, dass der Tod und die Beerdigung eines Baumeisters, der den bereits verstorbenen Architektur-Größen Schinkel und Stüler „an Bedeutung wohl angereiht werden dürfe“, „anscheinend fast so teilnahmslos und unbemerkt vorübergehen konnte“.

Das nächste Ziel: eine Langhans-Straße in Berlin

Ein Thema, das die Langhans-Gesellschaft bis heute umtreibt. Inzwischen sind die Vereinsmitglieder in das erstaunlich muntere soziale Leben auf den Friedhöfen vor dem Halleschen Tor integriert. Man borgt sich Strom von den Mendelssohn-Nachfahren, deren protestantischer Zweig hier Gräber hat, pflegt Kontakte zu den Freunden E. T. A. Hoffmanns, die sich am Geburts- und Todestag des trinkfesten Meisters ein Schlückchen am Grab genehmigen. Man kennt die Friedhofsmitarbeiter, weiß um den Metallklau und den Drogenhandel, den es dort auch gibt. Aber vor allem hat der rührige Verein einiges vor, um die beiden Langhans’ dem Vergessen zu entreißen.

Ein Anfang ist gemacht: Am Wohnort der Familie am Gendarmenmarkt wurde eine Berliner Gedenktafel angebracht, dem Grab Carl Ferdinands jüngst der Status eines Ehrengrabs zuerkannt. Im Verein träumt man sogar schon davon, eines Tages in Berlin auch eine Langhans-Straße oder einen -Platz zu haben, der an die beiden Baumeister erinnert.

Judith Leister

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