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© - Foto: K.-U. Heinrich

Architektur-Forschung: Ernst-Reuter-Platz als Ohrenweide

Auditive Architektur an der Universität der Künste: Wissenschaftler wollen den Berliner Verkehrsknotenpunkt beleben.

Schönheit beschränkt sich nicht nur auf Äußerlichkeiten. Auch nicht in der Architektur. Denn wie wir unsere Umgebung wahrnehmen, hängt zu einem großen Teil auch davon ab, wie wir sie hören. Mit diesem Phänomen beschäftigen sich fünf Forscher an der Universität der Künste Berlin (UdK) – „Auditive Architektur“ nennen sie ihr Fachgebiet. Die gleichnamige Forschungsstelle setzt sich mit den Klangeigenschaften von Orten und Räumen auseinander. Ihre Gründer Alex Arteaga und Thomas Kusitzky nehmen für sich in Anspruch, eine völlig neue Betrachtungsweise von Architektur begründet zu haben, die weltweit einzigartig ist.

Forschungsgegenstand der Auditiven Architektur ist der Klang als Wahrnehmungsphänomen, erklären Arteaga und Kusitzky. Man nehme etwa eine typische italienische Piazza: viele Menschen und ein immens hoher Geräuschpegel. Trotzdem wird die Klangkulisse nicht als negativ empfunden. Warum das so ist, will die Auditive Architektur ergründen. Die Forschungsstelle entstand 2005 und arbeitet eng mit dem Masterstudiengang „Sound Studies“ zusammen. Sie schafft einen interdisziplinären Spagat zwischen Klangforschung und Architektur.

Mit dem Ernst-Reuter-Platz in Charlottenburg, einem der befahrendsten Plätze der Stadt, beginnen die Forscher in diesem Herbst ein Praxisprojekt, das eine echte Herausforderung ist. Unzählige Studenten passieren ihn täglich auf dem Weg zur TU und zur UdK. Verweilen will dort allerdings niemand – obwohl es schon viele Versuche gegeben hat, die Mittelinsel des Platzes mit dem Wasserbecken und der Fontäne gartenarchitektonisch ansprechender zu machen.

Die Klangforscher haben sich nun zum Ziel gesetzt, den Platz mit ihren Mitteln attraktiver zu gestalten. Zunächst wollen sie zwölf Monate lang die Klangumwelt des Platzes erfassen. Zu allen Tages- und Jahreszeiten, bei verschiedenen Wetterlagen, an Arbeitstagen oder am Wochenende wollen sie dokumentieren, wie sich der Platz anhört: Sie befragen Passanten und Anwohner, machen Aufnahmen mit einem Kunstkopfmikrofon, das das menschliche Gehör simuliert, und protokollieren die Hörerfahrungen.

Ein Problem sei der monotone Klang, sagt Thomas Kusitzky. „Es ist durchaus laut am Ernst-Reuter-Platz, aber das Problem ist eher die Eintönigkeit der Klangumwelt.“ Dagegen könnte man möglicherweise vorgehen, indem man neue Klänge einführt, beziehungsweise bestehende hervorhebt. Die Weite des Platzes gebe einem das Gefühl, nie anzukommen. Dagegen könnte man mit einer räumlichen Unterteilung der Klangumwelt vorgehen, sagen die Forscher.

„Bisher wurde auf Straßenlärm meistens mit Tempolimits und anderen Schallschutzmaßnahmen reagiert“, erklärt Alex Arteaga . „Wir wollen zeigen, dass es auch anders geht.“ Neue Klänge könnten durch neue Nutzungen, zum Beispiel durch Läden und Promenaden entstehen.

Langfristig wollen die Begründer der Auditiven Architektur nicht nur in problematischen Stadträumen intervenieren. Neue Plätze und Gebäude könnten künftig vielmehr auch hinsichtlich ihrer Klangeigenschaften geplant werden, sagten Kusitzky und Arteaga.Regina Lechner und Max Büch

Regina Lechner, Max Büch

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