zum Hauptinhalt
Landwirte sollen durch Ausgleichszahlungen bekommen, wenn sie den vom Aussterben bedrohten Feldhamstern ihre Getreide- und Stoppelfelder überlassen.

© dpa/Uwe Anspach

Artenschutz: Nichts zu hamstern

Ob Prämien für die Landwirte oder Nachzuchtprogramme - mit verschiedenen Strategien versuchen Naturschützer, Feldhamster vor dem Aussterben zu bewahren.

Einst fraß der Feldhamster den Bauern die Getreidevorräte weg. Doch mittlerweile sieht man immer weniger der Nagetiere in freier Natur. Die Deutsche Wildtierstiftung schlägt Alarm: „Der Feldhamster stirbt uns buchstäblich unter den Händen weg“, klagt der Biologe Peer Cyriacks von der Stiftung. Ursache sei vor allem ein eklatanter Futtermangel.

Mit dem Sommer kam der Hunger

In den siebziger Jahren stellten die Landwirte von Sommer- auf Wintergetreide um, säten also schon im Herbst und ernteten im Juni oder Juli. So stand der Hamster mitten im Sommer ohne Kost da. Spritzmittel gegen Unkraut-Futterpflanzen taten ihr Übriges. Und Schutz fand das Tier auf den Feldern auch nicht mehr, weil die Bauern diese kurz nach der Ernte pflügten. Auf Hungerkur gesetzt, musste er sich so mit seinen Feinden, Füchsen, Mardern und verschiedenen Greifvögeln, herumschlagen.

All das hatte schlimme Folgen. Die Bestände in der angestammten Heimat des Feldhamsters in Bayern und Thüringen sind eingebrochen. Im Havelland verschwand der Feldhamster Ende der neunziger Jahre vollends. Aus Nordrhein-Westfalen meldeten Umweltschützer 2016, dass das letzte Vorkommen erloschen sei. Und gegenwärtig setzt auch noch der Klimawandel dem Winterschläfer zu. Weil die Winter immer wärmer und zugleich regenreicher werden, verderben die Vorräte in ihren Bauen. Deshalb versuchen Hamsterschützer das Säugetier nun mit vereinten Kräften zu retten. Doch das ist gar nicht so leicht.

Prämien gegen das Pflügen

Eine Maßnahme richtet sich an die Bauern. „Wir zahlen den Landwirten Beträge, damit sie die Felder nach der Ernte nicht pflügen. Zwischen den Stoppeln findet der Hamster Deckung und liegengebliebene Körner als Futter“, erklärt Cyriacks. Wie hoch die Prämie je Hektar ist, möchte der Biologie nicht sagen, da die Vergütung individuell ausgehandelt wird. Rund zwei Dutzend Verträge habe man bisher geschlossen.

Ähnliches hat sich in Frankreich bewährt. Wenn die Landwirte am Rand ihrer Felder schmale, drei Meter breite Streifen mit Getreide stehen lassen, legen Hamster dort ihre Baue an – und werden satt. „Dann können sie ein bis zwei Würfe mehr pro Jahr bekommen“, berichtet der französische Hamsterforscher Julien Eidenschenck. Seit den 90er Jahren schützt er in der Region um Straßburg im Auftrag des Staates die verbliebenen knapp tausend Hamster. „Als wir angefangen haben, wollten die Bauern nichts von uns wissen. Jetzt haben sie ein offenes Ohr für den Schutz des Hamsters“, lobt Eidenschenck. Mit 160 der 550 ansässigen Bauern hat er Verträge geschlossen, damit diese gegen eine Ausgleichszahlung Erntestreifen für die geschützten Tiere stehen lassen.

Kein guter Lebensraum

Das alleine reicht jedoch nicht: Gerade brechen einige Landwirte im Rahmen eines Experimentes ihre Äcker mit einem Spezialpflug um, der die Krume nur in Rillen von fünfzehn Zentimetern aufreißt. Dadurch bleibt der Bewuchs weitgehend erhalten und bietet den Hamstern Schutz und Futter. Damit der Hamster im Elsass nicht ausstirbt, setzt Eidenschencks Team zusätzlich jeden Frühsommer Hunderte gezüchtete Feldhamster aus – zunächst in einem gesicherten Bereich.

Für ein bis zwei Jahre schützt er die Tiere mit einem Elektrozaun vor Fuchs, Dachs und Iltis und entlässt sie dann in die freie Wildbahn. Doch bis heute verschwinden die Zuchtexemplare nach einiger Zeit wieder. Sie werden gefressen und sind den wildstämmigen Hamstern in ihrer Fitness unterlegen. Futter finden sie nach wie vor nur schwer: „Der Lebensraum ist noch nicht gut genug“, resümiert Eidenschenck.

Der Hamster mag Luzerne

Erste Erfolge bei der Rettung der Feldhamster gibt es in Deutschland. Dem Biologe Ulrich Weinhold gelang es im Raum Mannheim, das vor zehn Jahren ausgestorbene Tier wieder anzusiedeln, in dem er gezüchtete Tiere freiließ. Um den Bestand weiterhin zu schützten, entlässt er jedes Jahr rund hundertfünfzig neue Exemplare ins Freie. Außerdem schloss das Bundesland zur Unterstützung mit vielen Landwirten Verträge, damit sie Erntestreifen stehen lassen sowie nach der Ernte Luzerne, eine beliebte Futterpflanze für den Hamster, säen. Mit diesem Bündel an Maßnahmen ist das Nagetier zurückgekehrt. Weinhold sagt: „Es ist sehr schwer, eine neue Hamsterpopulation aufzubauen, wenn sie einmal verschwunden ist.“

Ganz hoffnungslos ist die Lage also nicht, vor allem, weil der Feldhamster sich neue Lebensräume sucht. In Wien hat er sich im Lauf der Zeit angepasst und sich vom Feld- zum Stadthamster entwickelt. Die Tiere leben im Süden und Norden der Stadt, futtern Gänseblümchen, Fallobst, Kastanien und Brotreste. „Nahrungsknappheit haben sie hier kaum“, sagt die Verhaltensbiologin Carina Siutz von der Universität Wien. Die scheuen Tiere sind sogar zutraulich geworden, sodass „sie mir manchmal fast über die Füße laufen“.

Hamster beißt Hund

Die Wiener erfreuen sich an den neuen Nachbarn. Nur Hundebesitzer sind nicht immer glücklich. Denn Hamster, die in Bedrängnis geraten, können Hunde schon mal anfallen und ihnen ins Gesicht springen. Auch Bauherrn sind nicht begeistert. Immer wieder leben Hamster auf Baugrund und müssen umgesiedelt werden. Ein aufwändiges Unterfangen: Siutz’ Team fängt die Tiere lebend. Dann suchen sie eine Ausgleichsfläche und graben dort unterirdische Baue oder, noch besser, setzen auf verlassene Baue. So können die Stadthamster in ihre alten Lebensräume zurückkehren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false