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Global Seed Vault

© Mari Tefre/Svalbard Global Seed Vault

Artenvielfalt: Kornkammern unter dem Eis

Seit fünf Jahren wird auf Spitzbergen Saatgut von Lebensmittelpflanzen archiviert. Ein Drittel aller Sorten weltweit ist bereits in dem Speicher eingetroffen.

130 Meter über dem blauen Wasser ragt aus einer Bergwand auf Spitzbergen ein schmaler Schacht aus Beton. Die Vorderseite und das Dach sind mit Spiegelscherben bedeckt. Im Sommer reflektieren sie die Sonne, im Winter das Nordlicht. An der Außenmauer steht in kleinen Buchstaben „Svalbard Global Seed Vault“ geschrieben: der weltweite Saatgut-Tresor.

Von außen ahnt man nicht, welcher Schatz sich im Inneren des Berges verbirgt. In drei Kellerräumen, tief unter der Erde, lagert seit fünf Jahren Saatgut aus aller Welt. Wer den Berghang hinunterschaut, sieht den Flughafen der Hauptstadt Longyearbyen. Drei bis vier Mal im Jahr kommt dort neues Saatgut an.

Der Tresor speichert Sicherheitskopien von Vorräten der meisten großen Saatgutbibliotheken (Genbanken). Bei minus 18 Grad lagern dort Kichererbsen aus Nigeria neben Reis von den Philippinen. Sollten Kriege oder Naturkatastophen die Bestände in solchen Ländern vernichten, sind die Samen für die Nachwelt nicht verloren. Im Permafrost bleibt die Temperatur immer unter null, selbst wenn die Kühlgeräte ausfallen. Der Meeresspiegel müsste mehr als 100 Meter steigen, um den Speicher zu erreichen. Nach Spitzbergen, 500 Kilometer nördlich von Norwegen, verirren sich nur wenige Lebewesen. Auch die politische Lage ist stabil, Konflikte weit weg.

Es muss nicht gleich das jüngste Gericht sein, auch kleinere Katastrophen zerstören Saatgut

In den Schlagzeilen hat der Saatgut-Tresor bereits einen Spitznamen: „Doomsday Vault“, Tresor für das jüngste Gericht. Doch er ist mehr als die allerletzte Rettung. „Es gibt viele Probleme in Genbanken,“ sagt Roland von Bothmer vom Northern Genetic Resource Center (NordGen), das den Tresor betreibt. „Für mich ist das Alltag.“ Vor zwei Jahren zum Beispiel konnte wegen Überschwemmungen kein Saatgut aus Thailand nach Spitzbergen geschickt werden. Dieses Jahr sei es endlich gelungen.

Im Saatgut-Portal, der Internetseite des Tresors, kann sich jeder über die 783 336 Proben von 4411 Pflanzenarten informieren, die bisher mit 132 Flügen nach Spitzbergen kamen. Das Saatgut stammt vor allem von Agrarpflanzen, schließlich soll der Tresor die Nahrungsmittelversorgung sicherstellen. Einzige Ausnahme sind Pflanzen aus dem gefährdeten Ökosystem von Spitzbergen. Fast ein Drittel aller Nahrungsmittelpflanzen weltweit ist bereits archiviert, sagt von Bothmer. Noch ist Platz für rund 3,8 Millionen weitere Proben.

Die Saatgutproben stammen aus 231 verschiedenen Ländern, mehr als es Staaten auf der Welt gibt. „Eine Frage der Definition“, sagt von Bothmer. So sei zum Beispiel Saatgut aus den besetzten palästinensischen Gebieten dabei. Das Saatgut bleibt im Besitz der Herkunftsländer, auch wenn es hunderte Meter unter norwegischem Boden liegt. Nur auf deren Anfrage kann es aus dem Tresor geholt werden. Nach dem „Pflanzenvertrag“ der Vereinten Nationen haben sie sich aber verpflichtet, anderen Staaten für Landwirtschaft und Forschung, die der Nahrungsmittelversorgung dient, Zugang zu dem Genmaterial zu gewähren.

Viele Proben haben nicht die gewünschte Qualität

Obwohl der Tresor erfolgreich ist, werden immer weniger Saatgutproben eingelagert. Kleine Genbanken schicken zwar Proben nach Spitzbergen, sagt von Bothmer, „allerdings haben sie Probleme, eine ausreichende Qualität sicherzustellen“. Die Proben müssen im Herkunftsland unter den gleichen Bedingungen gelagert werden wie auf Spitzbergen, also bei minus 18 Grad Celsius. Häufig ist das nicht der Fall. Der Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenvielfalt, der den Tresor mit Nordgen und der norwegischen Regierung initiiert hat, unterstützt deshalb Genbanken in Entwicklungsländern finanziell, um die Qualität des Saatgutes zu sichern. Die norwegische Regierung hat auch den Tresor-Bau bezahlt, so dass Länder ihr Saatgut kostenlos archivieren können. Dennoch gibt es Grenzen: „Wir können nicht mit allzu vielen kleinen Organisationen arbeiten“, sagt von Bothmer.

Das Svalbard-Museum, ein paar Kilometer vom Saatgut-Tresor entfernt, zeigt eine Fotoserie vom Einpacken der Saatproben in Nigeria bis zur Ablieferung auf Spitzbergen. Die Besucher sehen: Hier, in der kargen, arktischen Landschaft, liegt ein großer Teil des pflanzlichen Welterbes auf Eis.

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