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Sichtbarer Schmerz. Anhand von Röntgenaufnahmen können Mediziner die Krankheit diagnostizieren.

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Arthrose: Schutz für die Stoßdämpfer

Bei einer Arthrose läuft es oft auf eine Operation des Gelenks hinaus. Medikamente könnten den Verschleiß stoppen.

Wer ab einem gewissen Alter nicht jeden Morgen mit Schmerzen in den morschen Knochen und Gelenken aufwache, sei wahrscheinlich nicht mehr am Leben, sagt ein böser Spruch. Völlig aus der Luft gegriffen ist er nicht. 20 Millionen Menschen leiden in Deutschland an Krankheiten des Skeletts oder der Muskeln, die meisten von ihnen sind im Rentenalter.

Gegen die entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind in den vergangenen Jahrzehnten zusätzlich zu den „klassischen“ Mitteln neue wirkungsvolle „Biologika“ auf den Markt gekommen. Sie greifen in Immunprozesse ein und basieren meist auf Antikörpern. Anders als beim Rheuma ist aber bei der weltweit häufigsten Gelenkerkrankung Arthrose bisher guter Rat teuer. Mehr als die Hälfte aller über 65-Jährigen leidet mehr oder weniger stark am übermäßigen Gelenkverschleiß.

Große Fortschritte in der Chirurgie -aber nicht bei Medikamenten

Letztlich läuft es heute, wenn die Beschwerden mit verschiedenen Mitteln gegen Schmerz und Entzündung, Physiotherapie und einer Änderung des Lebensstils nicht mehr in den Griff zu bekommen sind, meist auf ein künstliches Gelenk für Hüfte und Knie hinaus. „Die Operateure haben große Fortschritte gemacht, aber bei den Medikamenten gibt es seit 40 Jahren keine Veränderung“, sagt Thomas Pap vom Institut für Experimentelle Muskuloskelettale Medizin des Uniklinikums in Münster.

Sollen Medikamente heilen, statt nur Beschwerden zu lindern, dann müssen sie direkt in Veränderungsprozesse im Gelenk eingreifen, die man zum Beispiel auf Röntgenbildern erkennen kann. Der Schmerz ist dafür kein guter Gradmesser. Für verschiedene Injektionsbehandlungen, zum Beispiel mit körpereigenen Knorpelzellen, fehlen bisher allerdings überzeugende Wirksamkeitsbeweise. Bereits klinisch erprobt wird derzeit eine weitere Option: die Injektion des gentechnisch hergestellten Wachstumsfaktors rhFGF18. Er soll die Bildung von Knorpelzellen anregen. Davon berichtete Kurt Marhardt vom Unternehmen Merck jetzt auf einem Symposium der Paul-Martini-Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Berlin. Ob das der Arthrose wirklich Einhalt gebieten kann, wird gerade in einer Phase-II-Studie erstmals an Patienten untersucht.

Das Übergewicht an sich ist nicht allein "schuld"

Bei dem Symposium, das sich diesmal den Erkrankungen von Muskeln und Skelett widmete, stellte Thomas Pap noch einen weiteren Ansatz vor, mit dem sich die Hoffnung auf eine ursächliche medikamentöse Therapie verbindet. Seine Arbeitsgruppe hat einiges zur Lösung des Rätsels beigetragen, wie es überhaupt zum Verlust von Knorpelmasse in den Gelenken kommt. Der Hinweis auf „Verschleiß“ reichte ihnen dabei als Erklärung nicht. Pap geht davon aus, dass Arthrose mehr ist als einfach nur eine Abnutzungserscheinung. Wenn stark übergewichtige Menschen mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Arthrose entwickeln, so ist seiner Ansicht nach nicht allein die Belastung daran „schuld“, die sie ihren Gelenken zumuten. „Zusätzlich sondert das Fettgewebe auch eine Reihe von schädlichen Substanzen ab“, erläuterte er. Diese dürften beim Entstehen der Krankheit ebenfalls eine Rolle spielen.

Was einst Babys im Mutterleib half, macht nun im Alter Probleme

Inzwischen ist erwiesen, dass es zu den Schäden bei den „Stoßdämpfern“ der Gelenke unter anderem deshalb kommt, weil die Knorpelzellen fälschlicherweise Mechanismen reaktivieren, die für das Ungeborene im Mutterleib einst wichtig waren: Reaktionsmuster, die beim Embryo der Bildung von Knochen aus Knorpel dienen. Doch was erweckt sie bei vielen Menschen mit den Jahren wieder zum Leben? Paps Arbeitsgruppe fand Hinweise darauf, dass lösliche Substanzen, die im Knorpel gebunden sind und sein biochemisches Gleichgewicht aufrechterhalten, vor diesem Rückfall in das embryonale Programm schützen. Gehen diese im Knorpel durch Belastung oder durch Veränderungen im Stoffwechsel verloren, sind die Knorpelzellen gefährdet: Sie werden sensibel für die alten Entwicklungssignale und auch für Entzündungen.

Die Forscher konnten ein Oberflächenmolekül von Knorpelzellen identifizieren, das eng mit der schädlichen Reaktivierung der embryonalen Muster verbunden ist, das „Syndecan-4“. Als sie Mäusen, die für Arthrose anfällig waren, Antikörper gegen Syndecan-4 spritzten, waren diese vor der Zerstörung ihrer Gelenke geschützt. „Möglicherweise ist das ein kausaler Therapieansatz“, sagt Pap. Und damit ein Hoffnungsschimmer für Menschen mit schmerzenden, arthrotisch veränderten Gelenken.

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