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Astronomie: Und es ward Licht

Zeit der ersten Sterne: "Hubble" liefert neue Erkenntnisse über die frühe Phase des Kosmos. Die Astronomen bezeichnen diese wichtige Epoche in der kosmischen Entwicklung als "Re-Ionisierung".

Von Rainer Kayser, dpa

Nach dem Urknall versank das Universum zunächst für einige 100 Millionen Jahre in Dunkelheit – so lange dauerte es, bis aus anfänglich geringen Materieverdichtungen die ersten Sterne und Galaxien entstanden waren. Ausgestattet mit einer neuen, hoch empfindlichen Kamera hat das Weltraumteleskop „Hubble“ einen Blick in jene Phase des jungen Kosmos geworfen, in der die ersten Sterne aufleuchteten. Die Beobachtungen zeigen erstmals, dass die Strahlung der Galaxien rund 800 Millionen Jahre nach dem Urknall intensiv genug war, um den Wasserstoffatomen im Gas zwischen den Galaxien ihre Elektronen zu entreißen, sie also zu ionisieren.

Die Astronomen bezeichnen diese wichtige Epoche in der kosmischen Entwicklung als „Re-Ionisierung“, denn unmittelbar nach der Entstehung des Universums war das Gas zunächst so heiß, dass es schon einmal ionisiert war. Der gängigen Theorie zufolge hatte sich erst 370 000 Jahre nach dem Urknall das Gas durch die kosmische Expansion so weit abgekühlt, dass sich Protonen und Elektronen zu neutralem Wasserstoff zusammenfügten. Das „Dunkle Zeitalter“ des Kosmos begann, es dauerte bis zur erneuten Ionisierung des intergalaktischen Gases. Woher aber die Energie für diese Re-Ionisierung kam, war den Astronomen bislang nicht eindeutig klar. Reichte die Strahlung der ersten Sterne aus, oder waren weitere Strahlungsquellen wie etwa Schwarze Löcher oder der Zerfall exotischer Elementarteilchen nötig?

Im Mai 2009 montierten Astronauten während einer Servicemission am Hubble-Teleskop die „Wide Field Camera 3“ (WFC3). Ein empfindlicher Infrarotdetektor macht diese neue Weitwinkelkamera besonders geeignet für die Suche nach extrem weit entfernten, jungen Galaxien. Junge Sterne senden zwar überwiegend kurzwellige ultraviolette Strahlung aus, doch die kosmische Expansion vergrößert die Wellenlängen dieser Strahlung und verschiebt sie so in den infraroten Bereich. Die WFC3 ist für die Suche nach weit entfernten Galaxien um das 40-fache leistungsfähiger als ihr Vorgänger-Instrument, das seit 1993 im Einsatz war.

Die Beobachtung extrem weit entfernter Objekte macht Hubble für die Wissenschaftler zu einer Art Zeitmaschine. Denn der Blick in eine große Entfernung ist für die Astronomen zugleich ein Blick in die tiefe Vergangenheit des Kosmos. Wenn das Licht einer Galaxie zehn Milliarden Jahre zur Erde braucht, sehen die Forscher diese Galaxie so, wie sie vor zehn Milliarden Jahren ausgesehen hat.

Dank der enorm gesteigerten Empfindlichkeit konnte die WFC3 erstmals einen Überblick über die Verteilung der Galaxien rund 800 Millionen Jahre nach dem Urknall liefern. Demnach gab es damals eine sehr große Zahl von Galaxien mit geringer Helligkeit. Die Strahlung dieser leuchtschwachen Systeme summiert sich und reicht insgesamt aus, um die Re-Ionisierung zu erklären. „Die Hubble-Daten deuten darauf hin, dass ausreichend ultraviolette Strahlung erzeugt wurde, um das Universum zu re-ionisieren“, fassen Brant Robertson vom California Institute of Technology und seine Kollegen in einem Übersichtsartikel im Fachblatt „Nature“ die Beobachtungen zusammen (Band 468, Seite 49).

Um den Vorgang vollständig zu erklären, muss aber noch eine zweite Bedingung erfüllt sein: Ein ausreichender Anteil der Strahlung sollte die jungen Galaxien verlassen und in das intergalaktische Gas vordringen können. Das ist aber gar nicht so einfach, da die jungen Galaxien möglicherweise viel Staub enthielten, der einen Teil der Strahlung blockiert haben könnte. Robertson und seine Kollegen sind optimistisch, dass Hubble mithilfe der WPC3 in den kommenden Jahren auch die Frage beantworten kann, ob genügend UV-Strahlung die Galaxien verlassen hat. Die Astronomen hoffen, mithilfe von extrem lange belichteten Aufnahmen herauszufinden, wie stark die Absorption der Strahlung durch Gas und Staub innerhalb der Sternsysteme ist.

Zugleich sollte es in absehbarer Zeit gelingen, mit neuen Radioteleskopen wie etwa dem „Low Frequency Array“ (Lofar) das Verschwinden des neutralen Wasserstoffs durch die Re-Ionisierung direkt zu beobachten. Neutraler Wasserstoff sendet Strahlung mit einer Wellenlänge von 21 Zentimetern aus. Die Expansion des Weltalls streckt diese Strahlung auf ihrem langen Weg zur Erde aber so sehr, dass ihre Wellenlänge bei der Ankunft auf unserem Planeten mehrere Meter beträgt. Lofar ist das erste Instrument, das detaillierte Beobachtungen in diesem Spektrum ermöglicht.

Lofar besteht aus mehr als 10 000 kleinen Einzelantennen, die auf zahlreiche Stationen in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Schweden und Polen verteilt sind. Die Strahlung sammelnde Fläche des kompletten Antennennetzes beträgt heute etwa 0,5 Quadratkilometer bei einer Ausdehnung von mehr als 1000 Kilometern. Ein Supercomputer an der Universität Groningen fügt die Daten der vielen Einzelantennen zu einem Gesamtbild zusammen.

Mit Lofar sollte es möglich sein, die Strahlung des neutralen Wasserstoffs aus dem „Dunklen Zeitalter“ des Kosmos einzufangen, hoffen die beteiligten Wissenschaftler. Dann ließe sich beobachten, wie sich in dem neutralen Gas zunächst Löcher aus ionisiertem Wasserstoff bilden, diese langsam wachsen und schließlich miteinander verschmelzen und den neutralen Wasserstoff vollständig verdrängen.

Um die Epoche der Re-Ionisierung vollständig zu verstehen, müssen die Forscher die verschiedenen Beobachtungen zusammenfügen: Die „Wasserstoff“-Daten von Lofar sowie die ionisierende Strahlung, die Hubble – beziehungsweise dessen Nachfolger, das James Webb Space Telescope – misst.

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