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Bei seinem jüngsten Außeneinsatz reparierte ISS-Kommandant Luca Parmittano unter anderem das Alpha-Magnet-Spektrometer für die Suche nach Antimaterie im Kosmos.

© Nasa

Auf der ISS, im Labor, am Nordpol: Vier Forscher erzählen, wie sie Weihnachten verbringen

Viele Forscher opfern die Festtage ihrer Profession – wie Astronaut Luca Parmitano, der Heiligabend auf der Internationalen Raumstation erlebt. Mit Video-Interview.

Für Forscher ist Weihnachten nicht immer eine Auszeit möglich - Experimente können nicht unterbrochen werden, Expeditionen oder Ausgrabungen müssen weiterlaufen und Versuchstiere brauchen ihre tägliche Pflege auch an den Feiertagen. Wir haben vier Forscher gefragt, wie sie ihre Festtage verbringen:

  • Mit Weihnachtsmannmütze und Bäumchen auf der ISS: ISS-Kommandant Luca Parmitano vermisst vor allem den Körperkontakt
  • Lichterhelle Polarnacht: Christian Haas verbringt das Fest auf der Polarstern nahe des Nordpols - und will ein Iglu bauen
  • Festmahl für Zellen: Die Berliner Genetikerin Raha Weigert erforscht Krebszellen, die übers Fest versorgt sein wollen
  • Empfänger von Himmelsbotschaften: Corey Grey hält im LIGO-Detektor nach Anzeichen für Gravitationswellen Ausschau

Herr Parmitano, Sie werden Weihnachten auf der Internationalen Raumstation sein. Was wird anders sein als sonst?
Es ist zwar mein zweiter Raumflug, aber das erste Weihnachtsfest, das ich hier verbringen werde. Das ist etwas ganz Besonderes. Als Vater wäre ich natürlich gern mit meinen Töchtern und meiner Frau zusammen. Meine Gedanken werden vor allem bei ihnen sein. Sie bringen ein größeres Opfer als ich. Ich hoffe, dass wir uns wenigstens über ein Video-Telefonat sprechen und sehen können. Trotzdem ist es ein Privileg, hier auf der Station sein zu dürfen. Obwohl wir von sehr harschen, lebensfeindlichen Bedingungen im freien Weltall umgeben sind, ist das ein sicherer Platz. Ich denke an meine Freunde bei den Streitkräften, die jetzt an viel gefährlicheren Orten sind, weil sie dorthin geschickt wurden und es ihre Aufgabe ist. Sie haben kaum die Möglichkeit, mit ihrer Familie zu sprechen. Wenn die es schaffen, mit der Trennung zurechtzukommen, dann sollte ich das auch.

Wie erzeugen Sie und Ihr Team die passende Stimmung zum Fest?
Wir haben hier ein paar Dinge, um es uns weihnachtlich zu machen: Weihnachtsmannmützen, Socken für Geschenke, ein Bäumchen, dass wir schmücken werden. Ein Festmahl wird es nicht geben, sondern unsere Standard-Verpflegung. Aber wir werden uns zu einem netten Essen zusammenfinden und Weihnachtsmusik abspielen. Was man sonst noch von der Erde kennt, die besonderen Düfte und Kerzen, darauf müssen wir verzichten.

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Der Arbeitsplan von Astronauten ist sehr straff. Gilt das auch für Weihnachten?
Am Weihnachtstag haben wir komplett frei. Wir werden keine Experimente aufbauen oder betreuen wie sonst üblich. Einige Versuche werden weiterlaufen, aber selbstständig oder werden von der Erde aus gesteuert. Für jedes Crewmitglied sind zweieinhalb Stunden Sport vorgesehen, auf freiwilliger Basis. Aber wir wollen ja bei der Rückkehr auf die Erde fit sein, deshalb werde ich das wahrscheinlich machen. Ansonsten steht nichts in unserem Plan. Sollte jedoch etwas passieren, beispielsweise irgendein Gerät kaputt gehen, dann werden wir natürlich versuchen, es in Ordnung zu bringen.

Sie sind seit Juli im All. Was vermissen Sie am meisten?
Ich mag es nicht, Rankings zu erstellen. Heute vermisse ich das eine besonders, morgen vielleicht etwas anderes. Was aber fehlt, ist der menschliche Kontakt. Hier auf der Station sind wir Kollegen und Freunde, doch es gibt selten einen Anlass, sich zu berühren oder zu umarmen. Ich vermisse den Körperkontakt zu anderen Menschen, besonders zu meinen kleinen Töchtern. Als Vater möchte ich sie umarmen, aber das geht nicht. Das fehlt mir wirklich, seit dem Tag als ich vor dem Start in Quarantäne musste. Da konnte ich sie noch sehen und sprechen, mehr aber nicht.

Luca Parmitano (43) ist ein italienischer Testpilot und Esa-Astronaut und seit dem 2. Oktober Kommandant der Internationalen Raumstation ISS. Er studierte Politikwissenschaft in Neapel.
Luca Parmitano (43) ist ein italienischer Testpilot und Esa-Astronaut und seit dem 2. Oktober Kommandant der Internationalen Raumstation ISS. Er studierte Politikwissenschaft in Neapel.

© James Blair/Nasa

Wie halten Sie Kontakt zu Ihrer Familie?
Ich versuche, jeden Abend anzurufen, um zu hören, wie ihr Tag war und um einfach präsent zu sein in ihrem Alltag. Das Telefonieren wird über das Internet ermöglicht. Sobald eine Verbindung besteht, und das ist fast immer der Fall, kann ich praktisch jeden Telefonanschluss auf der Erde erreichen. Auch E-Mails werden sofort zur Erde übertragen, das nutze ich für private und berufliche Kommunikation. Zudem ist es einmal wöchentlich möglich, eine Videokonferenz abzuhalten. Dank WLAN kann ich mich dabei frei durch die Station bewegen und zeigen, wie ich hier lebe und was wir hier tun. Es ist wirklich erstaunlich, was Technik möglich macht.

Welche besondere Erfahrung nehmen Sie mit zurück zur Erde, was voraussichtlich im Februar sein wird?
Alles, wirklich alles, was wir hier oben tun, ist etwas Besonderes, weil es 400 Kilometer über der Erde geschieht in diesem großartigen Raumfahrzeug. Jeden Moment werde ich mir bewahren: das Zusammensein mit meinen Crewkollegen, die Außeneinsätze, der Augenblick, wenn man die Schleuse verlässt und nach draußen schwebt, die Blicke aus dem Fenster. All das werde ich mit zurück auf die Erde nehmen und hoffentlich Gelegenheit haben, das mit vielen zu teilen.

Gibt es eine Erkenntnis, zu der Sie gelangt sind, eine Art Weihnachtsbotschaft?
Eine Botschaft habe ich schon, aber die ist nicht auf Weihnachten bezogen, sondern gilt allgemein. Zum einen sind wir hier ein internationales Team, das friedlich zusammenarbeitet für ein größeres Ziel: die Erkundung, unterstützt von Wissenschaft und Technik. Wir haben einen großen Traum, der uns eint und ich denke, dieser kann auch viele Menschen auf der Erde zusammenbringen. Vielleicht ist es ja so, dass je größer der Traum ist, sich umso mehr Menschen beteiligen. Wenn wir zum Mond fliegen wollen oder noch darüber hinaus, dann können wir auf viele Leute setzen, die uns unterstützen. Der zweite Teil meiner Botschaft ist folgender. Wir wollen andere Planeten erkunden, zugleich sind wir uns sehr bewusst, dass die Erde der einzige ist, wo Leben möglich ist. Sie muss in einem guten Zustand sein, damit sie dauerhaft lebensfreundlich bleibt. Bitte tut das, was nötig ist, um den katastrophalen Klimawandel zu verhindern, den wir von hier oben aus sehen. Er schreitet weiter voran und wird zunehmend zerstörerisch. Die Erde ist wunderschön und einzigartig, sie ist unser Heimatplanet. Wir müssen sie bewahren, nicht für uns, sondern für die Zukunft der Menschheit.

Festmahl für Zellen

Die Berliner Genetikerin Raha Weigert erforscht Krebszellen, die übers Fest versorgt sein wollen

Für meine Doktorarbeit untersuche ich die epigenetischen Veränderungen in Krebszellen. Dafür ist es nötig, entsprechende Zellen zu kultivieren, was sich über Tage und Wochen hinzieht.

Raha Weigert, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin-Dahlem
Raha Weigert, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin-Dahlem

© MPG

Daher werde ich auch Weihnachten wieder ins Labor kommen sie mit allem füttern, was sie glücklich macht: Proteine, Zuckerverbindungen, Wachstumsfaktoren – ja nach Zelllinie wird das Nährmedium individuell angepasst und mit der Pipette in die Petrischale gegeben. Ich könnte meine Versuche auch so planen, dass ich über die Feiertage komplett frei hätte. Aber das würde einen gewissen Aufwand bedeuten, die Laborarbeiten vor Weihnachten komplett abzuschließen und nach Neujahr wieder von vorn zu beginnen. Da komme ich lieber mal kurz ins Institut, mache das Nötigste und fahre dann zurück zu meiner Familie.

Ich bin Berlinerin, da lässt sich das gut organisieren. Anders ist es bei vielen Kolleginnen und Kollegen, die aus dem Ausland kommen und über die Feiertage in ihre Heimat reisen. Solche Einsätze an Tagen, an denen die meisten frei haben, kenne ich schon von den meisten Wochenenden. Manche meiner Freunde können das nicht verstehen, aber das gehört nun mal dazu. Im Gegensatz zu den üblichen langen Arbeitstagen, sind meine Arbeitszeiten über die Feiertage wesentlich kürzer. Mit meiner Dissertation voranzukommen, hat für mich höchste Priorität. Raha Weigert, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin-Dahlem

Lichterhelle Polarnacht

Christian Haas verbringt das Fest auf der Polarstern nahe des Nordpols - und will ein Iglu bauen

Dieses Jahr werde ich Weihnachten nahe am Nordpol verbringen. Gemeinsam mit weiteren 60 Forscherinnen und Forschern sowie 40 Besatzungsmitgliedern der „Polarstern“ sind wir aktuell im Eis der Arkis eingeschlossen. Im Rahmen der „Mosaic“-Expedition wollen wir mit dem Schiff im Eis in Richtung Grönland driften und erstmals genau erforschen, wie sich die Umwelt im Winterhalbjahr verändert. Das hat bisher keine Expedition gemacht.

Christian Haas, wissenschaftlicher Leiter des aktuellen Fahrtabschnitts des Forschungsschiffs „Polarstern“ und Forscher am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven
Christian Haas, wissenschaftlicher Leiter des aktuellen Fahrtabschnitts des Forschungsschiffs „Polarstern“ und Forscher am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven

© Christian Haas/AWI

Meine Kollegen erforschen zum Beispiel die Lebewelt und den Nährstoffumsatz im Eis und darunter im Ozean, andere untersuchen Veränderungen der Atmosphäre. Mein Team und ich dokumentieren Eis- und Schneedicken und wie sich diese verändern. Dafür nutzen wir unsere Messgeräte, aber auch Satellitendaten.

Die Erfahrung von anderen Expeditionen zeigt, dass ein Fest wie Weihnachten gut für den Zusammenhalt in der Gemeinschaft ist. Die Familie daheim vermisst man sowieso, das wird Weihnachten noch etwas mehr sein. Da ist es gut, mit anderen zusammen zu sein. Es wird ein nettes Essen geben und Julklapp.

Wenn möglich, werden wir aufs Eis gehen, um ein bisschen Spaß zu haben: vielleicht Skilaufen, ein Iglu bauen oder Fußball spielen. Das entscheiden wir spontan. Das alles wird bei Flutlicht der „Polarstern“ stattfinden, denn derzeit herrscht Polarnacht und Vollmond war schon am 15. Dezember, der wird kaum etwas beitragen. Christian Haas, wissenschaftlicher Leiter des aktuellen Fahrtabschnitts der Polarstern

Empfänger von Himmelsbotschaften

Corey Grey hält im LIGO-Detektor nach Anzeichen für Gravitationswellen Ausschau

Dieses Jahr werde ich Weihnachten wieder am Gravitationswellendetektor „LIGO“ in Hanford im US-Bundesstaat Washington verbringen. Als Operator bin ich dafür zuständig, dass die Maschine läuft. Wir nutzen Laserlicht, um minimale Längenänderungen zwischen einzelnen Spiegeln zu überwachen. Diese Spiegel befinden sich jeweils an den Enden unseres L-förmigen Detektors, wobei jeder dieser Arme vier Kilometer lang ist.

Corey Gray, Operator am LIGO Observatory
Corey Gray, Operator am LIGO Observatory

© LIGO

LIGO arbeitet so präzise, dass es in der Lage ist, Gravitationswellen zu erfassen. Das sind minimale Stauchungen der Raumzeit, die bereits Albert Einstein vorhergesagt hat und die wir 2015 erstmals nachweisen konnten. Die Empfindlichkeit der Detektoren wurde inzwischen nochmals gesteigert, indem wir die neue „Quetschlicht“-Technologie einsetzen. Diese wurde von der LIGO-Collaboration mit dem Albert-Einstein-Institut in Hannover entwickelt.

Wir messen rund um die Uhr, auch in den Ferien. Dieses Jahr habe ich die Tagschichten über Weihnachten. Klar wäre ich lieber bei meiner Familie, aber das ist schon okay, ich hatte letztes Jahr frei.

Die Ferienzeit ist eher ruhig, aber vielleicht haben wir Glück und erhalten in unserer Schicht einen Kandidaten-Alarm. Das ist aufregend, weil es sich um den Nachweis von Gravitationswellen handeln könnte, die von kosmischen Ereignis stammen, wie dem Verschmelzen eines Schwarzen Lochs mit einem Neutronenstern. Corey Gray, Operator am LIGO Observatory

Die Fragen an Luca Parmitano, die der Astronaut an Bord der Raumstation per Video beantwortete, stellte Ralf Nestler, der auch die Äußerungen von Corey Grey, Raha Weigert und Lucas Haas aufzeichnete.

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