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Augenheilkunde: Netzhauttransplantate sehen kurzfristigen Erfolg

Wirksamkeit und praktische Anwendbarkeit werden jedoch infrage gestellt.

Sechs Monate nach ihrer Operation begann Elisabeth Bryant erste Erfolge zu sehen - im wörtlichen Sinn. Klinisch blind, begann Bryant das schwingende Pendel der Uhr ihres Großvaters über den Raum hinweg wahrzunehmen. Seitdem verbesserte sich ihr Sehvermögen so weit, dass sie Großdrucke lesen, E-Mails verfassen und Aktivitäten wie Nähen und Stricken wieder aufnehmen konnte.

Bryant ist einer von zehn Patienten, die ein Netzhauttransplantat im Zuge einer Phase-II-Studie erhielten, um zerstörte Photorezeptoren zu ersetzen, wie sie Folge von Erkrankungen wie Retinitis pigmentosa (RP) oder altersbedingter Makuladegeneration (AMD) sind. Vor der Transplantation konnte sie nichts weiter als Schatten sehen. Doch binnen eines Jahrs verbesserte sich ihr Sehvermögen von 20/800 auf 20/160 - eine bemerkenswerte Besserung.

Jeder der Patienten der Studie erhielt ein 4 Millimeter großes Quadrat Netzhautgewebe samt retinalen Progenitorzellen und Pigmentepithel, das die nährt. Die Gewebe wurden unter die Fovea gepflanzt, den Bereich der Netzhaut, der für das zentrale Sehvermögen zuständig ist.

Sieben der Probanden erfuhren eine Verbesserung der Sehschärfe, sagt Norman Radtke, Ophthalmologe am Retina Vitreous Center in Louisville, Kentucky, der die Operationen durchführte. Über die Ergebnisse wird in der Augustausgabe des American Journal of Ophthalmology (1) berichtet.

Leise Hoffnung

Die Resultate scheinen für die Chance zu sprechen, unter RP oder AMD Leidenden ihr Sehvermögen zurückgeben zu können - beide Erkrankungen sind die häufigste Ursache für Erblindungen in entwickelten Ländern und betreffen Millionen Menschen. Es ist jedoch bei weitem nicht klar, wie viel Hoffnung diese Forschungsarbeit wirklich bringt.

"Ich denke, dieser Ansatz wird als Standardtherapie in der Klinik niemals funktionieren", sagt Marco Zarbin, Direktor des Institute of Ophthalmology and Visual Sciences an der New Jersey Medical School in Newark. Ein Grund liegt darin, dass das transplantierte Gewebe von abgetriebenen Feten gewonnen wird, sagt er. "Selbst wenn es wunderbar funktionieren sollte, die Zahl der zu behandelnden Patienten weltweit oder auch nur in den USA ginge in die Millionen." Es wäre ganz einfach nicht genügend Spendergewebe verfügbar und die ethischen Aspekte einer Zulassung würden eine enorme Hürde darstellen.

Weitere Bedenken gelten der Wirksamkeit der Prozedur. Trotz zwanzigjähriger Forschung am Tiermodell durch die Co-Autoren Robert Aramant von Ocular Transplantation in Louisville und Magdalene Seiler von der University of California in Irvine gibt es keine klare Evidenz dafür, dass die verbesserte Sehkraft bei Menschen direkt den transplantierten Photorezeptorzellen geschuldet ist, die die Funktion der körpereigenen Zellen ersetzen.

Das Transplantationsgewebe besteht aus der gesamten Dicke der Spenderretina, erklärt Robert MacLaren, Chirurg am Moorfield Eye Hospital in London. Das bedeutet, dass synaptische Verbindungen zwischen den Spenderphotorezeptoren und der körpereigenen Retina durch diverse Schichten Spendergewebe hindurch entstehen müssen. Doch trotz strenger postoperativer Kontrollen gibt es dafür keine Evidenz, sagt er, ebenso wenig für das Wachstum von Blutgefäßen, die das Spendergewebe versorgen.

"Die alternative Erklärung ist, dass das Spendergewebe Wachstumsfaktoren freisetzt, die die Regeneration absterbender körpereigener Photorezeptoren unterstützen", so MacLaren. Sollte dies zutreffen, wäre es einfacher, stattdessen die Wachstumsfaktoren zu applizieren.

Schwindende Sehkraft

Bei Tieren gibt es Belege dafür, dass sich synaptische Verbindungen ausbilden, sagt Aramant, aber es ist schwierig, dies bei Menschen zu belegen.

Und es gibt einen weiteren wichtigen Punkt. Die verbesserte Sehschärfe scheint lediglich für einige Jahre anzuhalten. Sechs Jahre nach ihrer Transplantation ist Bryants Sehschärfe auf 20/230 gefallen. "Die Wirksamkeit könnte zeitlich begrenzt sein", sagt Radtke. "Das ist eine berechtigte Sorge."

Der wahre Wert dieser Studie liegt in der Demonstration, dass Zellen in der Subretina ohne Abstoßungsreaktion ersetzt werden können, meint Zarbin. Das ist vielversprechend für weitere derzeit untersuchte Behandlungsmethoden, darunter Stammzelltransplantationen in die Retina, wo sich die Zellen zu neuen Photorezeptoren differenzieren sollen.

(1) Radtke, N. D. et al. Am. J. Ophthalmology 146, 172-182 (2008).

Dieser Artikel wurde erstmals am 8.9.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2008.1088. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Duncan Graham-Rowe

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