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Im Bild ist die ukrainische Fahne auf dem Dach der Humboldt-Universität am 12.03.2022 in Berlin zu sehen.

© IMAGO/Christian Spicker

Austausch in Zeiten von Krieg und Krisen: Der DAAD will mehr für Afghanen und Ukrainer tun

Afghanische Ortskräfte, Kriegsflüchtlinge aus dem Osten und mehr internationale Mobilität: Worauf sich der Deutsche Akademische Austauschdienst einstellt.

"Wir kümmern uns intensiv um die Ukraine", sagt Joybrato Mukherjee, der Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Er sagt aber auch: "Afghanistan ist seit dem 24. Februar nicht aus unserem Blick verschwunden, sondern bewegt uns weiterhin." Damit umriss Mukherjee am Dienstag in Berlin die beiden prägendsten Krisensituationen, die die Arbeit des DAAD seit dem Sommer 2021 begleitet haben.

Wie viele Studierende und Wissenschaftler:innen aktuell aus den beiden Ländern an deutschen Hochschulen aufgenommen wurden, vermag der DAAD noch nicht zu sagen. In Afghanistan habe man sich seit August 2021 darum bemüht, DAAD-Stipendiat:innen, andere (ehemals) Geförderte und Ortskräfte "zu unterstützen", sagte Mukherjee. In vielen Fällen sei die Ausreise gelungen, an anderen werde unter den weiter erschwerten Bedingungen "gearbeitet" - so sei die Grenze nach Pakistan kaum noch passierbar.

Initiativen wie die Kontaktstelle Afghanistan, ein Internet-Portal für Hilfesuchende, oder das Hilde Domin-Programm für gefährdete Studierende und Promovierende könnten angesichts der Leiden unter dem Taliban-Regime "die düstere Lage vor Ort nicht lösen".

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Zumindest für Studentinnen und Wissenschaftlerinnen aus der Ukraine gibt es durchaus Wege nach Deutschland. Der DAAD rechnet weiterhin mit rund 100.000 akademischen Geflüchteten, die mittelfristig an deutschen Hochschulen ankommen - und vorerst bleiben. Für sie hatte der Austauschdienst im März ein großes Bundesprogramm gefordert - und in der vergangenen Woche eine Zusage über neun Millionen Euro in diesem Jahr erhalten.

Noch fehlen mittelfristige Finanzierungszusagen

Mukherjee sieht darin eher eine Anzahlung, da sich schon jetzt abzeichne, dass zum Herbst dieses Jahres bei den akademischen Flüchtlingen an deutschen Hochschulen bereits fünfstellige Zahlen erreicht sein könnten. Er vermisse noch mittelfristige Finanzierungszusagen, betonte der DAAD-Präsident.

[Lesen Sie auch unseren Bericht über vier ukrainische Erasmus-Studierende an der FU Berlin (Tagesspiegel Plus/€): "Ich hatte Angst vor dem Mitleid der anderen"]

Finanzieren will Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zunächst die bereits bestehende Nationale Akademische Kontaktstelle Ukraine, die im Schnitt 3500 Aufrufe verzeichnet, das Programm "Ukraine digital", das es auch jungen Männern ermöglichen sollen, Online-Studiengänge an deutschen Hochschulen zu studieren, und die Öffnung der DAAD-Geflüchteten-Programme.

Letztere wurden 2015/15 vor allem für Zufluchtssuchende aus Syrien aufgelegt, darunter "Integra" zur Förderung der Studienvorbereitung und "Welcome" für studentische Integrationsinitiativen. Aus dem Neun-Millionen-Euro-Topf soll auch Geld in einen "Digitalen Campus" fließen, für den Sprach- und andere Vorbereitungskurse, um einen regulären Studienplatz zu bekommen, in Onlineformate übertragen werden.

Ein Büro in einer Universität, in dem die Decke heruntergekommen und Bücherregale in den Raum gekippt sind.
Die Wirtschafts-Fakultät der Universität Charkiv wurde bei den russischen Angriffen teilweise stark zerstört.

© Genya Savilov/AFP

Erfahrungen damit haben die Hochschulen bereits seit Beginn der Corona-Pandemie gesammelt, als virtuelle oder auch hybride Studienangebote für in ihrer Heimat festsitzende internationale Studierende entwickelt wurden. Rund 30.000 Studierende hätten daran 2021 teilgenommen, berichtete Mukherjee bei der DAAD-Jahrespressekonferenz in Berlin.

Doch der internationale Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern sei wegen Corona keineswegs eingebrochen. "Und 2021 hat es ein Comeback der akademischen Mobilität nach Deutschland gegeben", so der DAAD-Präsident. Zum Wintersemester 2021/22 seien 325.000 internationale Studierende nach Deutschland gekommen, 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Und zum kommenden Herbst würden sogar bis zu 350.000 erwartet.

Weniger Studierende aus China - wegen der Abschottung

"Deutsche Hochschulen machen weiterhin sehr attraktive Angebote und haben ein gutes Pandemiemanagement", sagte Mukherjee zur Erklärung. Auch DAAD-Generalsekretär Kai Sicks sieht die aktuelle Lage "weitgehend auf dem Niveau von vor Corona stabilisiert". In vielen Bereichen gebe es sogar mehr Bewerbungen. Weniger internationale Gäste kämen aber aus China - vor allem wegen der coronabedingten Abschottungspolitik.

Ein Porträt von Joybrato Mukherjee.
DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee ist auch Präsident der Universität Gießen.

© Jonas Ratermann/JLU

Auch das Erasmus-Programm erholt sich: 2021 gingen 34.000 deutsche Studierende an Hochschulen ins europäische Ausland. Damit erreichten die Zahlen wieder 80 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Und für 2022 werde die Zahl der Geförderten sogar 20 Prozent über der von 2019 liegen - laut Sicks ein "Nachholeffekt".

Ausgewirkt haben könnten sich auch die höheren Sätze der Erasmus-Unterstützung, die alle Studierenden für ihre Auslandssemester beantragen können - auch zusätzlich zum Bafög. Die monatliche Förderung wird zum Start des kommenden Wintersemesters um 150 Euro erhöht und beträgt dann je nach Zielland auf 490 bis 600 Euro.

Studierende mit besonderen Bedarfen können bis zu 250 Euro mehr bekommen. Wer beispielsweise als Erstakademikerin in der elterlichen Familie mit Erasmus nach Amsterdam geht, erhalte 850 Euro monatlich, erklärte Sick.

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