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Fläschchen

© ddp

Babyflaschen: Verpackungen unter Verdacht

Können Babyflaschen und andere Plastikbehälter krank machen? Wieder gerät Bisphenol A ins Visier.

Ob in Nuckelflaschen aus Plastik, Lebensmittelverpackungen, Autoteilen oder in Zahnfüllungen – Bisphenol A ist in so vielen Alltagsgegenständen enthalten, dass sich der Kontakt mit der Chemikalie kaum vermeiden lässt. Jetzt ist der Grundstoff, aus dem jedes Jahr Millionen Tonnen Polycarbonat-Kunststoffe und Kunstharze hergestellt werden, erneut in den Verdacht geraten, giftig zu sein.

Eine aktuelle Studie britischer und amerikanischer Forscher im Fachblatt „Jama“ (Band 300, Seite 1303) bringt Bisphenol A in Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes vom Typ 2 und erhöhten Leberwerten.

David Melzer von der Peninsula Medical School in Exeter und Kollegen haben den Gesundheitszustand von 1455 Erwachsenen verglichen, von denen eine Gruppe erhöhte Bisphenol-A-Werte im Urin hatte. Dazu werteten die Wissenschaftler Daten aus den Jahren 2004 und 2005 aus. Daraus ergab sich, dass unter den Versuchspersonen mit hohen Bisphenol-A-Werten besonders viele an Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen litten. Bei denjenigen mit der höchsten Konzentration an Kunststoffresten im Urin war das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung sogar um das Dreifache erhöht.

Allerdings sind derartige statistische Studien, bei denen die Häufung bestimmter Ereignisse in Zusammenhang gebracht wird, mit Vorsicht zu genießen. Das räumen auch die britischen Wissenschaftler im Fachblatt „Jama“ ein. Ob Bisphenol A wirklich eine „Ursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist, müssen weitere Untersuchungen zeigen“, schreiben sie in ihrer Publikation.

Dass Gebrauchsgegenstände Bisphenol A abgeben und diese Chemikalie vom Körper aufgenommen wird, ist unumstritten. Gerade wenn zum Beispiel Babyflaschen erhitzt werden, lösen sich besonders viele Moleküle und gelangen in den Blutkreislauf der Kleinkinder. „Es gibt eindeutige Hinweise darauf, dass erhebliche Mengen im Körper ankommen“, sagt Andreas Gies vom Umweltbundesamt. Das bestätigt auch eine Untersuchung der amerikanischen Gesundheitsbehörde. Sie ließ kürzlich 2500 Menschen auf Spuren von Bisphenol A untersuchen – in 93 Prozent der Fälle wurden die Wissenschaftler fündig. Außerdem können Schwangere die Industriechemikalie an ihr ungeborenes Kind weitergeben. Ob und in welchen Mengen der Stoff gesundheitsschädlich ist, bleibt aber weiterhin heftig umstritten.

Die Substanz mit dem vollen wissenschaftlichen Namen „2,2-Bis(4-hydroxyphenyl)propan“ gerät seit den neunziger Jahren immer wieder in die Schlagzeilen. Dass die Chemikalie krebserregend sei, konnten zahlreiche Studien inzwischen widerlegen. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kommt zu dem Ergebnis, dass es „keine Hinweise auf eine Krebs auslösende Wirkung“ der Substanz gibt.

Über den hormonellen Einfluss von Bisphenol A gehen die Meinungen allerdings auseinander. In Versuchen an Mäusen hatte die Industriechemikalie einen ähnlichen Effekt wie das weibliche Sexualhormon Östrogen. Da der menschliche Körper die Kunststoffmoleküle aber schnell umwandelt und abbaut, gehen Experten des BfR davon aus, dass sich die östrogene Wirkung hier kaum entfalten kann. Da die Erkenntnisse aus Tierversuchen nur bedingt auf den Menschen anwendbar sind, hat ein Team um Nira Ben-Jonathan von der Universität Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio Tests an menschlichen Fettzellen gemacht. Die Ergebnisse wurden im August online im Fachblatt „Environmental Health Perspectives“ veröffentlicht. Danach unterdrückt die Chemikalie aus den Plastik-Verpackungen und Babyflaschen das Hormon Adiponektin, das in Wechselwirkung mit der Insulinregulierung steht und somit Auswirkungen auf das Hungergefühl und den Fettstoffwechsel hat. Ben-Jonathan und ihre Kollegen halten es deshalb für möglich, dass Bisphenol A das Risiko für Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck erhöhen könnte.

Gerade erst hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Anfang 2007 nach einer erneuten Risikobewertung den Grenzwert für Bisphenol A erhöht. Danach dürfen Babyflaschen, Lebensmittelverpackungen und andere Kunststoffgegenstände jetzt so viel der Chemikalie enthalten, dass Verbraucher maximal 50 Mikrogramm (0,05 Milligramm) pro Kilogramm Körpergewicht am Tag durch freigesetzte Moleküle aufnehmen. Zuvor lag der Grenzwert bei nur 10 Mikrogramm. Einen Verzicht auf Polycarbonatfläschchen für Babys hält das Institut für Risikobewertung nicht für erforderlich. Genau wie die Behörden in den USA und in Japan gehen die deutschen Experten weiterhin davon aus, dass Babyflaschen aus Kunststoffen mit Bisphenol A für die Gesundheit der Kinder unbedenklich sind – ebenso wie Konservendosen mit Kunststoffbeschichtung oder andere Verpackungen aus Polycarbonat. Neue Studien werden in die Risikobewertung einbezogen.

Für alle, die trotz allem vermeiden wollen, dass ihr Kind Bisphenol A aufnimmt, bleiben Nuckelflaschen aus Glas oder Polyethersulfon. Dieser Stoff sei allerdings wesentlich schlechter erforscht als das Bisphenol A, geben Experten zu bedenken.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung informiert über Bisphenol A:

http://www.bfr.bund.de/cd/7195

Dagny Lüdemann

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