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Wissen: Bakterien produzieren Strom – und nutzen ein natürliches Kabel

„Wenn Du für mich atmest, esse ich für Dich!“ So beschreiben Lars Peter Nielsen und seine Kollegen von der Universität im dänischen Århus eine Gemeinschaft von Bakterien, die in der Meeresbucht vor ihren Labors lebt.

„Wenn Du für mich atmest, esse ich für Dich!“ So beschreiben Lars Peter Nielsen und seine Kollegen von der Universität im dänischen Århus eine Gemeinschaft von Bakterien, die in der Meeresbucht vor ihren Labors lebt. Obwohl Biologen ähnliche Arbeitsteilungen bei Mikroorganismen längst kennen, verblüfft der Bericht der Forscher in der Zeitschrift „Nature“ (Band 463, Seite 1071) die Fachwelt sehr: Denn die Esser leben zwölf Millimeter von den Atmern entfernt. Das sind für die Mikroorganismen immerhin rund 10 000 Körperlängen.

Verdauung und Atmung können nur zusammen funktionieren, wenn es eine schnelle Verbindungen zwischen beiden Körpern gibt. Bei den Mikroorganismen in der Bucht von Århus kommt dafür nur eine Art Stromkabel für Bakterien in- frage, vermuten die Forscher.

Bakterien und Menschen gewinnen Energie mit ähnlichen Prozessen, bei denen im Prinzip winzige Mengen von Elektrizität fließen. So verbrennen alle Tiere ihre Nahrung mit Sauerstoff und verwenden die dabei frei werdende Energie, um den Organismus am Laufen zu halten. Dabei werden über einige Zwischenschritte Elektronen von der Nahrung auf Sauerstoff übertragen. Allerdings findet das Ganze auf engstem Raum statt. Das gilt auch, wenn verschiedene Bakterien Atmen und Essen untereinander aufteilen: Ein Mikroorganismus holt Elektronen aus einer chemischen Verbindung wie Schwefelwasserstoff heraus und produziert dabei Schwefel. In unmittelbarer Nähe überträgt ein anderes Bakterium diese Elektronen zum Sauerstoff und produziert dabei Wasser.

Diese Vorgänge sind bekannt. Einige Forscher versuchen sogar, solche Mikroorganismen oder die in ihnen arbeitenden Enzyme als Minikraftwerke einzusetzen, die elektrischen Strom liefern. Dazu werden die „Esser“ und die „Atmer“ einfach über ein leitendes Kabel miteinander verbunden. Die Elektronen fließen nun durch das Kabel und können auf ihrem Weg einen Elektromotor antreiben oder eine Lampe leuchten lassen.

Bisher hat allerdings niemand daran gedacht, dass Elektronen auch in der Natur über eine größere Entfernung transportiert werden. Doch genau das muss in den Sedimenten der Bucht von Århus passieren. Als die Forscher Schlamm ins Labor holten und das mit reichlich Sauerstoff beladene Wasser über dem Schlamm durch Wasser ohne Sauerstoff ersetzten, verging den Essern in den tiefen Sedimentschichten rasch der Appetit. Spätestens nach einer Stunde sammelte sich der Schwefelwasserstoff dort, wo die Bakterien ihn normalerweise in Schwefel verwandelten. Fluteten die Wissenschaftler den Schlamm wieder mit sauerstoffreichem Wasser, warfen sie damit auch die Verdauung der Esser wieder an und der Schwefelwasserstoff verschwand.

Eine so schnelle Reaktion sei nur möglich, wenn die Elektronen durch eine Art Kabel aus dem Untergrund zum Sauerstoff im Wasser fließen, schreiben die Forscher. Über das Material können sie bisher nur spekulieren. So könnten lange Auswüchse an den Bakterien zusammen mit dem im Sediment vorhandenen Mineral Pyrit den Strom leiten. Auf jeden Fall hat die Natur das Stromkabel lange vor dem Menschen entdeckt. 

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