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Bautechnik: So werden Häuser gegen Erdbeben gesichert

Das Bücherregal als Vorbild: Wie Bauingenieure verhindern, dass Häuser bei schweren Beben einstürzen. In armen Ländern ist allerdings nicht die Technik, sondern die Korruption am Bau das Problem.

Auch eine Woche nach dem Erdbeben in Haiti fehlt es vielen Überlebenden am Nötigsten, an Nahrungsmitteln, Trinkwasser, medizinischer Versorgung. Und an einem Dach über dem Kopf. Der Wiederaufbau zerstörter Häuser wird Jahre dauern, schätzen Hilfskräfte. „Aber es ist zugleich eine Chance, die Gebäude so zu bauen, dass sie besser gegen künftige Erdbeben geschützt sind“, sagt Alireza Eghdam von der Universität Wuppertal. Das sei oftmals gar nicht so aufwendig und auch in armen Ländern machbar.

Die größte Gefahr bei Erdbeben sind die horizontalen Kräfte, die beim ruckartigen Hin und Her des Untergrunds auftreten. Diese können bis zu ein g erreichen, also eine Beschleunigung, wie sie jeder Gegenstand erfährt, der nach unten fällt. „Normalerweise sind Gebäude nicht für diese waagerechte Belastung ausgelegt, selbst angreifender Wind ist viel schwächer“, sagt Eghdam. Das Ergebnis sei nach jedem Erdbeben zu sehen: Die senkrechten Stützen sind eingeknickt und die Decken eingestürzt, wie bei einem Kartenhaus.

Um das zu verhindern, setzen Bauingenieure auf Querstreben. Wie das Stützkreuz an der Rückseite eines Bücherregals nehmen sie die Kräfte auf. Dieses Konstruktionsprinzip ist altbekannt und wurde schon im Mittelalter bei Fachwerkhäusern eingesetzt – und von den Wuppertaler Forschern aufgegriffen. Als nach einem Beben im iranischen Bam im Jahr 2003 der Wiederaufbau begann, entwickelten sie eine simple Stahlkonstruktion, deren Zwischenräume beispielsweise mit Lehmziegeln gefüllt werden.

„Gerade in armen Ländern ist nicht die fehlende Technik das Problem, sondern die Korruption“, sagt Eghdam. Obwohl die Bauvorschriften Stahlträger vorschreiben, würden diese oft weggelassen, um Kosten zu sparen. Bei normalen Bauten, wo das metallene Gerippe im Beton verborgen wird, lässt sich im Nachhinein nicht mehr erkennen, ob die Stützen tatsächlich eingebaut wurden. Deshalb bleiben bei den neuartigen Fachwerkhäusern die Stahlträger von außen sichtbar.

Ein beruhigender aber auch gewöhnungsbedürftiger Anblick, gibt der Wuppertaler Forscher zu. „Deshalb haben wir mehrere Schulgebäude in der Bauweise errichtet, damit sich die Einwohner von Kindesbeinen an an die Konstruktion gewöhnen und der Gefahr bewusst bleiben.“ Denn die Erfahrung zeigt: Je mehr Zeit seit den letzten Erschütterungen vergeht, umso nachlässiger werden die Menschen bei der Erdbebenvorsorge.

Für alle Häuser in gefährdeten Gebieten gilt, dass der Schwerpunkt weit unten liegen und der Grundriss über die einzelnen Etagen unverändert bleiben sollte. So erhalten sie ihre Steifigkeit. „Außerdem sollten die Bauteile gut miteinander verbunden werden“, sagt Carsten Könke von der Universität Weimar und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen. „So können sie die Kräfte gut ableiten und sind besser vor dem Herabfallen geschützt.“ Das erreicht man, indem Metallträger miteinander verschraubt und gerippte Stahldrähte verwendet werden, die sich im umschließenden Beton regelrecht festkrallen.

„Wichtig ist auch, dass die Untergeschosse möglichst stabil sind“, fügt der Ingenieur hinzu. „Große Ladenfenster im Erdgeschoss und darüber Wohnungen, wie man es aus dem Süden kennt, sind eigentlich grundverkehrt.“ Aus statischer Sicht sei eine geschlossene Wand ohne Fenster am besten. „Je mehr Volumen ich rausnehme, in Form von Fenstern und Türen, umso instabiler wird sie“, erläutert Könke. Wenn die Öffnungen unregelmäßig sind, etwa extrem langgestreckt, sei das noch schlechter.

Unter Umständen müsse man an bestimmten Orten auch auf einen Neubau verzichten, sagt Könke. Dazu zählen etwa steile Hänge, die bei einem Beben abzurutschen drohen. Ralf Nestler

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