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Bis zum Hals. Verschluckte Golfbälle gehören, auch wenn es auf diesem Bild fast so aussieht, nicht zu den bedeutendsten Bedrohungen für die Wechselkröte. Dem Aussterben immer näher kommt sie vor allem, weil es an hochwertigen Lebensräumen fehlt.

© Immo Tetzlaff

Bedrohte Amphibien: Die Nöte von Frosch, Molch und Kröte

In Berlin und Brandenburg werden die Amphibien weniger. Doch den Trend umzukehren wäre möglich.

Brandenburg ist als Kind der Eiszeit reich an Gewässern. Ein Paradies für Frösche, Kröten und Unken. Sollte man meinen. Doch im Offenland lebende Arten wie Rotbauchunke, Kreuz- und Wechselkröte sind akut gefährdet. Praxisbeispiele zeigen, wie diese Arten überleben könnten.

Dürrejahre sind dürre Jahre

Norbert Schneeweiß, Leiter der Naturschutzstation Rhinluch, setzt sich seit Jahrzehnten für die Belange der Amphibien in Brandenburg ein. Er weiß, dass in feuchten Jahren wie 2017 Populationen stark wachsen und in Dürrejahren wie 2018 einbrechen können. Doch die eigentlichen Probleme für Arten wie die neongrünen Laubfrösche (Hyla arborea) oder Rotbauchunken (Bombina bombina) mit den rot-schwarz marmorierten Bäuchen sind andere als gelegentliche Wetterkapriolen. Welche Rolle das sogenannte Insektensterben spielt, ist unbekannt. Tatsache ist, dass Lurche sich zu großen Teilen von Insekten ernähren. Dramatisch sei die Situation für Amphibien jedenfalls in der Agrarlandschaft. „Sehr stark ist der Rückgang von Offenlandarten wie Wechselkröte und Kreuzkröte“, sagt Schneeweiß, dessen Arbeitsplatz zum Landesamt für Umwelt Brandenburg gehört. Beide Arten fänden kaum noch Laichplätze. „Früher haben sie selbst in nur kurz wasserführenden Ackerblänken gelaicht und sich erfolgreich vermehrt.“ In rekordverdächtigen 18 Tagen entwickelt sich eine Kaulquappe zur Jungkröte, die anschließend an Land geht. „Blänken“ sind zeitweise auftretende Tümpel. Es gibt sie heute kaum noch. Ihr Fehlen kann verschiedene Gründe haben, Die weitreichenden Entwässerungssysteme auf Feldern spielen aber mit Sicherheit eine wichtige Rolle.

Den Wechsel- und Kreuzkröten fehlen auch kleine Kiesgruben, wie es sie früher bei vielen Dörfern gab „Wer etwas Kies benötigte, fuhr hin und holte ihn“, sagt Schneeweiß. In den kleinen Wasserkuhlen konnten sich Kaulquappen entwickeln. Inzwischen ist solche informelle Entnahme – zum Teil aus guten Gründen – stark reguliert. Die Tümpel sind verlandet oder längst zu Bau- oder Nutzland geworden. Und große kommerzielle Abbaustellen für Kies, Lehm und Ähnliches würden rasch rekultiviert, wichtige Laichgewässer dabei zugeschüttet.

Tümpel - unscheinbar, aber wichtig

„Die Kreuzkröte in Brandenburg ist am Limit“, sagt Schneeweiß. Ähnlich stark abgenommen hat die Zahl der Wechselkröten. Auch sie bevorzugen für ihre Vermehrung temporäre Gewässer. Mit der Wechselkröte würde Brandenburg einen der neben der Nachtigall wohltönendsten nächtlichen Sänger verlieren. Wo Krötenmännchen melodisch rufen, erinnern ihre weichen Triller an Kanarienvögel.

Auch die Rotbauchunke bereitet Schneeweiß Sorgen. Sie habe es zunehmend schwerer, da sie relativ saubere Gewässer benötigt und erst ab einer Wassertemperatur von 15 Grad laiche. Die werden erst Mai oder Juni erreicht. „Im Berliner Raum hatten wir in den letzten Jahren einen Rückgang von 30 Prozent und dieser Trend scheint sich fortzusetzen.“ Auch ihre charakteristischen, für manchen Zuhörer etwas gespenstisch klingenden „Huh-Huh“-Rufe fehlen immer öfter in Frühlings- und Frühsommernächten.

Die Trockenjahre vor 2017 hätten zu dem Schwund beigetragen. Zudem seien eben hinreichend saubere Gewässer in den Agrarlandschaften rar geworden. In nährstoffreichen Tümpeln verpilzt der Laich der Rotbauchunken, Kaulquappen schlüpfen nicht oder in geringer Zahl.

Fördermaßnahmen wie etwa das Bereitstellen ökologischer Vorrangflächen – das sogenannte „Greening“ – oder durch Vertragsnaturschutz in der Agrarfläche scheinen nicht auszureichen. Nötig wären etwa breite ungedüngte Randstreifen um die Laichhabitate herum, um die erforderlichen Wasserqualitäten zu sichern.

Salamanderfresser

Rotbauchunken und Laubfrösche hätten allerdings auch Verbündete in der ländlichen Wirtschaft: die Teichwirte. Doch auch deren Zahl sinkt. „Da zunehmend Teiche nicht mehr bewirtschaftet werden, fallen diese als Vermehrungszentren weg, aber gerade diese Teiche sind wichtige Quellpopulationen für Amphibien.“

Angesprochen auf das weltweite Phänomen des durch Batrachochytrium dendrobatidis, kurz Chytridpilz, verursachten Amphibiensterbens, gibt Schneeweiß – zumindest vorläufig – Entwarnung. Der kürzlich verstorbene Berliner Veterinärmediziner Frank Mutschmann hätte den Pilz bei Amphibien aus ganz Deutschland festgestellt. So hätte er zum Beispiel in der Schorfheide stark infizierte Tiere untersucht. Allerdings hätten sie keine Krankheitssymptome aufgewiesen. Doch dieser Pilz ist nicht der einzige gefährliche Schädling. In Holland und Belgien hat der als Salamanderfresser bezeichnete Hautpilz Batrachochytrium salamandrivoran komplette Salamanderpopulationen vernichtet. Aktuell grassiert der vermutlich mit Terrarientieren aus Asien eingeschleppte Pilz in Nordrhein-Westfalen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er Brandenburg und Berlin erreicht haben wird. Salamander gibt es in Brandenburg nicht, aber verschiedene Molcharten wie etwa Kammmolche, die der Hautpilz ebenfalls infiziert und tötet.

Doch es gibt auch positive Nachrichten für Kröten, Unken, Laubfrösche und Co. Ein Modell ist Verpachtung von Nutzflächen unter Auflagen, wie etwa durch den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in der Uckermark. Das Wichtigste seien hier 20 Meter breite Randstreifen um Laichgewässer, auf denen weder gedüngt noch Pestizide ausgebracht würden. „Mit den Landwirten gibt es klare Absprachen und es ist eine Win-win-Situation,“ sagt Schneeweiß. Zudem würden beschattende und das Wasser zu kühl haltende Bäume – meist Weiden – von Zeit zu Zeit gefällt. Für die Weiden ist das kein Problem. Sie treiben neu aus.

Berliner Lurche

Ansätze zur Rettung der „städtischen“ Kreuzkröten gibt es ebenfalls. „Das letzte bekannte Vorkommen in Berlin liegt am Pankower Tor“, sagt Mirjam Nadjafzadeh, Artenschutzreferentin beim Nabu. Doch geplante Baumaßnahmen könnten sie bedrohen. „Ziel des Nabu Berlin ist es, eine Teilpopulation auf dieser Fläche zu erhalten“, sagt Nadjafzadeh. Und Kröten könnten auch umziehen. Es gibt Flächen, die sich zur Ansiedlung neuer Populationen eignen würden. Damit könnte das Vorkommen dieser vom Aussterben bedrohten Art in Berlin gesichert werden.

Froschkonzerte und Krötengesänge müssen also nicht zwingend weiter verstummen. Derzeit hört man aber ernst zu nehmende Unkenrufe: Die Rote Liste für Brandenburg von 2004 führt Kreuz- und Wechselkröte noch in Kategorie 3, „gefährdet“. 15 Jahre später sind sie höchstwahrscheinlich in Kategorie 2 angekommen: „stark gefährdet“.

Derzeit werden vielerorts wieder Amphibienzäune aufgestellt. Dass die Tiere morgens von Helfern unbehelligt auf die andere Straßenseite gebracht werden, ist aber auch hier nicht sicher. Denn Waschbären haben die Zäune und Fangeimer inzwischen als spätnächtliche Buffets schätzen gelernt.

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Roland Schulz

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