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Doktorwürde. Laut Promotionsordnung kann der Titel entzogen werden, wenn „Täuschung“ vorliegt oder für die Promotion wesentliche Voraussetzungen fehlten.

© picture alliance / dpa

Begriffsklärung im Fall Schavan: Plagiieren, täuschen, schludern - was ist darunter zu verstehen?

In der Diskussion über die Plagiatsvorwürfe gegen Annette Schavan tauchen diese Begriffe häufig auf. Der Volksmund verbindet damit jedoch etwas anderes als Juristen. Ein Glossar.

Begriffsverwirrung herrscht in der Debatte um Schavans Doktorgrad. Im Herbst hatte ein an den „Spiegel“ durchgestochenes Uni-Gutachten eine „leitende Täuschungsabsicht“ festgestellt. Später hieß es in einigen Medien fälschlicherweise, die Promotionskommission in Düsseldorf habe die Vorwürfe abgemildert. Sie gehe „nur noch“ von „bedingtem Vorsatz“ aus. Nicht mehr von „Plagiaten“ sei die Rede, sondern „nur noch“ von „wissenschaftlichem Fehlverhalten“.

Aus juristischer Sicht geht hier alles durcheinander, sagt Klaus Ferdinand Gärditz, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn. Gärditz war bereits an etwa zehn Plagiatsverfahren beteiligt und hat auch das Gutachten über das Verfahren an der Universität Düsseldorf in deren Auftrag erstellt.

Plagiat

Es beginnt mit dem schillernden Begriff „Plagiat“. Der „Duden“ definiert das Plagiat als „Diebstahl“ fremder Gedanken. Doch das ist nur der Gebrauch in der Umgangssprache. Ein Rechtsbegriff, der in einem Gesetz definiert ist, ist „Plagiat“ zwar nicht. Doch im wissenschaftsrechtlichen Gebrauch hat sich eine nicht wertende Definition durchgesetzt, sagt Gärditz: „Ein Plagiat liegt vor, wenn die Übernahme eines fremden Textes oder Gedankens nicht hinreichend gekennzeichnet ist.“ Die Motive, aus denen jemand auf diese Weise abschrieb, spielen dabei keine Rolle. Auch wenn jemand versehentlich fremde Texte oder Gedanken ohne hinreichende Kennzeichnung übernommen hat, hat er „objektiv plagiiert“, sagt Gärditz. Im Verfahren an der Uni Düsseldorf wird der Begriff „Plagiat“ aber ohnehin nicht förmlich verwendet. Denn in der Promotionsordnung, die dabei angewandt werden muss, taucht das Wort gar nicht auf – so wenig wie in allen Promotionsordnungen, die Gärditz kennt.

Wissenschaftliches Fehlverhalten

Auch „wissenschaftliches Fehlverhalten“ wird in der Promotionsordnung nicht erwähnt – anders als in den „Grundsätzen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der Uni Düsseldorf. Für „wissenschaftliches Fehlverhalten“ werden dort eine Reihe von Beispielen genannt, darunter die Fälschung von Daten, aber eben auch das „Plagiat“.

Täuschung

In Schavans Sache gilt die Promotionsordnung, und dort heißt es, die Promotion könne „für ungültig erklärt werden“, wenn sich „die Doktorandin oder der Doktorand … einer Täuschung … schuldig gemacht hat“ oder wenn „wesentliche Voraussetzungen für die Promotion irrigerweise als gegeben angenommen worden sind“.

Ob Schavan getäuscht hat, muss die Uni schon deshalb ergründen, weil eine nur fahrlässige „Schludrigkeit“ nach 33 Jahren nicht die Aberkennung des Titels zur Folge haben würde, sagt Gärditz. Der Begriff der „Täuschung“ ruft bei juristischen Laien jedoch unangenehme Assoziationen hervor, sie denken an Charakterschwächen wie „Hinterlist“ oder „Boshaftigkeit“. Gärditz sagt aber: „Es geht nicht um einen moralischen Vorwurf, sondern ganz nüchtern nur um ein subjektives Tatbestandsmerkmal.“

Eine „Täuschung“ liegt aus juristischer Sicht schon dann vor, wenn jemand es „billigend in Kauf nimmt“, dass er es mit den Quellenangaben nicht so genau nimmt. Verliert ein Doktorand versehentlich wichtige Dateien im Computer und hat danach keine Lust, die Quellenarbeit noch einmal zu machen, ist auch das eine „vorsätzliche Täuschung“. Eine „vorsätzliche Täuschung“ setzt nicht zwingend voraus, dass der Doktorand „Unrechtsbewusstsein“ hat, solange er weiß, was er tut, sagt Gärditz.

Bedingter Vorsatz

Eine „vorsätzliche Täuschung“ ist im Recht mindestens ein „bedingter Vorsatz“, auch ein „direkter Vorsatz“ oder sogar eine „Absicht“ käme aber infrage, sagt Gärditz. Nach allen ihm bekannten Promotionsordnungen reiche ein „bedingter Vorsatz“, selbst wenn man in den meisten Fällen eher von „Absicht“ ausgehe.

Auch für die Feststellung des „bedingten Vorsatzes“ müssten die Gutachter aber nachweisen, dass nicht etwa „eine Häufung von Schlampereien“ vorliegt, sondern die Täuschung ein „Leitmotiv“ der Arbeit war, ein „System dahintersteckte“. Wie kann das bewiesen werden? Die Gerichte akzeptieren den Indizienbeweis, sagt Gärditz: „Ein, zwei Fußnoten können immer einmal versehentlich falsch sein, wenn jemand aber aus einem Buch oder Aufsatz zum Beispiel gleich zehn Mal ohne Angaben der Quellen abschreibt, ist das nach allgemeiner Lebenserfahrung kein Zufall.“ Dies bedürfte daher einer sorgfältigen und unvermeidbar „kleinteiligen“ Würdigung in jedem Einzelfall, die eben Zeit und Mühe koste.

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