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Berliner Wissenschaft: „Die Stiftung ist ein Monster“

Die Freie Universität und die Technische Universität üben heftige Kritik an der Einstein-Stiftung.

Der Akademische Senat der FU ist empört über die „Einstein-Stiftung“ von Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner. Gruppenübergreifend beschloss das Gremium am Mittwoch eine Resolution. Darin wird Zöllner gefragt, warum er eine „verschachtelte Stiftungskonstruktion ins Werk setzen“ wolle, „in deren Geflecht das Gewicht der Berliner Universitäten marginal“, das des Senats „aber unverhältnismäßig groß ist“. FU-Präsident Dieter Lenzen bekommt den Auftrag, sich für eine Lösung einzusetzen, die den Bedürfnissen der FU und „den Grundsätzen“ einer „von politischer Einmischung“ freien Wissenschaftsförderung entspricht.

Zuvor hatten die Wissenschaftler über alle Fraktionen hinweg ihren Ärger ausgedrückt. Der Jura-Professor Philip Kunig warf Zöllner vor, er habe sein Versprechen gebrochen, die Stiftung im Einvernehmen mit den Unis zu gründen. Kunig kritisierte auch Lenzen, der der Stiftung in einem Gespräch mit dem Senator am Mittwoch offenbar zugestimmt hatte.

Ein Professor: Möglicherweise ist die Stiftung ein Geschenk Zöllners an den Koalitionspartner, der die Planwirtschaft liebt

Der Erziehungswissenschaftler Gerd Hoff sagte, er sei „sprachlos“. Nichts, was die neue Stiftung könne, sei nicht auch ohne sie möglich: Zöllner könne durchaus auch „ohne Wasserkopf tätig werden“. Offenbar brauche der Senator ein „verschleiertes Unternehmen“, dessen einziger Zweck sei, „die, die bei Verteilungskämpfen zu kurz gekommen sein könnten, nachträglich zu befriedigen“. Möglicherweise sei die Stiftung auch ein Geschenk der SPD an ihren Koalitionspartner, der die Planwirtschaft liebe. „Was hat unsere Universität von der Stiftung“, wollte der Theologe Michael Bongardt wissen. Der Mittellateiner Wolfgang Maaz erklärte, als Vertreter des Mittelbaus könne er unmöglich einer Einrichtung zustimmen, die Partizipation ausschließe.

Der Politologe Hajo Funke warnte, Zöllners Projekt sei weder gegenüber der Wissenschaft noch gegenüber der Politik kommuniziert worden. Es werde aber der Tag kommen, da sich der Haushaltsausschuss des Parlaments damit befassen werde. Friederike Fless, Professorin für Klassische Archäologie, sagte, während man sich bemühe, die DFG immer transparenter zu gestalten, werde in Berlin „nett von oben delegiert, was wir zu forschen haben“. Offenbar könne sich die Wirtschaft in den Vorstand „einkaufen“. „Wenn es ein Unternehmen der Rüstungsforschung ist, machen wir dann alle Rüstungsforschung“, sagte Fless. Hoff ergänzte, auch ein Abfallbeseitiger, „der sein Geld nicht besser vorm Finanzamt verstecken kann“, könne einen Platz im Vorstand bekommen. Wie berichtet soll der Vorstand der Stiftung, dem der Wissenschafts- und der Finanzsenator, der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie, Günter Stock, sowie voraussichtlich auch zwei Stifter angehören werden, im Vorfeld Gebiete für die Förderung benennen.

Ein Kandidat für den Stiftungsrat: Ernst-Ludwig Winnacker

Der Historiker Paul Nolte sagte, die Unigremien würden mit der neuen Stiftung ausgehebelt. Auch hätte Zöllner eine „Entscheidung von so großer Tragweite“ nicht einfach am Parlament vorbei treffen dürfen. Die Kompliziertheit der Stiftungskonstruktion sei aber wohl Absicht: „Es geht darum, ein bürokratisches Monster zur Versorgung gut bekannter Wissenschaftsfunktionäre zu schaffen.“ Das nannte der Jurist Kunig eine noch untertriebene Formulierung. Es sei „absolut nicht einleuchtend“, warum Günter Stock, der auch Kuratoriumsvorsitzender der Humboldt-Universität ist, dem Vorstand angehören soll. In der Resolution wird Zöllner denn auch gefragt, wie er es mit seiner Stellung und seiner „oft geäußerten Anerkennung des Exzellenz-Status der FU“ vereinbaren könne, „den Kuratoriumsvorsitzenden der HU für eine Leitungsaufgabe in der geplanten Stiftung vorzusehen“. Als möglichen Kandidaten für einen Platz im Stiftungsrat brachte Lenzen am Mittwoch Ernst-Ludwig Winnacker, den Generalsekretär des European Research Council (ERC), ins Gespräch.

Auch die TU hat Bedenken - weiß aber nicht, wie sie Kritik formulieren soll, ohne den Senator zu verprellen

Auch der AS der TU hat Bedenken. Allerdings weiß das Gremium bisher noch nicht, wie es seine Kritik formulieren soll, ohne den Senator zu verprellen. Immerhin möchte die TU mit zwei großen Projekten in der Kommunikationstechnologie und in der Physik von der Stiftung profitieren. Die Stellungnahme von TU-Präsident Kurt Kutzler, der die Initiative von Zöllner begrüßt hatte, hält die Mehrheit des AS aber für zu positiv. Die Stiftungskonstruktion mit einem Dachorgan und einer untergeordneten GmbH scheint zu aufgebläht.

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses der TU, Stefan Jähnichen, fragte, warum Zöllner für die Verteilung der Gelder eine Riesenorganisation brauche. Der Stiftungsvorstand müsse nur die DFG beauftragen, für Berlin die Stiftungsgelder zu verteilen. Dann wäre auch ein echter Wettbewerb möglich.

Günter Abel von der geisteswissenschaftlichen Fakultät bezeichnete die Stiftungsorganisation als einen „sehr gefährlichen Doppeldecker“. Im Kern könne der Vorstand eine Steuerung der Wissenschaft im Sinne der Politik in die Wege leiten. Demgegenüber könnten die Unipräsidenten und die Vertreter der vier großen Forschungseinrichtungen als Mitglieder in der untergeordneten Einstein GmbH kaum Einfluss geltend machen.

Axel Köhler von der linken Reformfraktion steigerte sich zu der Aussage, Zöllner habe die Universitäten „ausgebootet“, voraussichtlich werde die TU bei der Vergabe der Gelder benachteiligt. Kutzler sieht diese Gefahr nicht, willigte aber ein, in der künftigen Stellungnahme der TU zur Einstein-Stiftung Anregungen zur Organisationsveränderung einzubringen. Anja Kühne/Uwe Schlicht

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