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Berliner Wissenschaft: Studieren im Discounter

Berlins Hochschulen ringen mit dem Senat um neue Verträge. Möglich, dass eine neue große Sparrunde bevorsteht.

Noch im März sollen Berlins Hochschulen sich mit dem Senat über die neuen Hochschulverträge für die Zeit nach 2010 einigen. Doch die Verhandlungen verlaufen schwierig. Zum einen, weil die Hochschulen angesichts explodierender Kosten einen hohen Aufwuchs fordern: jährlich insgesamt 183 Millionen Euro. Das entspricht etwa 20 Prozent ihres jetzigen Etats. Zum anderen wünscht Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner einen Systemwechsel bei der Finanzierung. Die Hochschulen betrachten das mit Skepsis – auch, weil es sich um ein neues Sparmodell handeln könnte.

Entsprechende Signale kommen bereits aus der Politik. Stefan Zackenfels, der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, kann sich angesichts der Konjunkturkrise und des zu erwartenden sinkenden Steueraufkommens kaum vorstellen, dass Berlin sich bei den Hochschulen große Sprünge leisten kann. Die Kunst sei, „mit weniger Geld noch mehr zu schaffen“. „Wenn Zöllner das gelingt, bin ich beeindruckt“, sagt er. Der Wissenschaftssenator schweigt unterdessen über seine Pläne. Um ihn nicht zu verärgern, wollen die Uni-Präsidenten sich lieber auch nicht äußern.

Mit seinem umstrittenen neuen „Preismodell“ wird es Zöllner leicht fallen, sich öffentlich als Freund der jungen Generation darzustellen: Nicht die Zahl der Professoren, sondern die Zahl der Studierenden soll in Zukunft darüber entscheiden, wie viel Geld eine Hochschule vom Land bekommt. Wenn aber Studierende Geld bringen, werden sie für die Universitäten zu umworbenen Kunden, lautet die Botschaft. Und wenn jeder Student und jede Studentin genau abgerechnet wird, versteht auch der Finanzsenator leichter, warum die Hochschulen mehr Geld brauchen.

Was ist der Unterschied zwischen Zöllners neuem „Preismodell“, das die Opposition „Kopfgeld“ nennt, und der jetzigen Hochschulfinanzierung? Bislang hängt es nicht von der exakten Zahl der immatrikulierten Studierenden ab, wie viel Geld eine Hochschule bekommt, sondern von der Zahl der Professoren. Ausgehend von dieser wird die Zahl der Studienplätze berechnet, die eine Hochschule insgesamt zur Verfügung stellen kann. Ob diese Plätze dann tatsächlich besetzt sind, spielt für die Finanzierung keine Rolle. So kann sich eine Hochschule etwa dafür entscheiden, dass sie in einem bestimmten Fach zehn Professuren vorhalten will – selbst wenn es für die damit verfügbaren Studienplätze gar nicht genug Bewerber gibt. Denn die Universität könnte in diesem Fach einen wichtigen Forschungsschwerpunkt sehen.

Auch mit Zöllners Modell könnten die Hochschulen solche Strukturentscheidungen jenseits der Studierendenströme treffen. Dann müsste von beliebten Massenfächern wie BWL oder Jura über ihre hohe Studierendenzahl eingespieltes Geld in weniger populäre Bereiche umgelenkt werden. Damit würden diese weniger beliebten Fächer zwar gegenüber den beliebten unter Rechtfertigungsdruck geraten. In Berlin gibt es aber kaum Studienplätze, die frei bleiben.

Ohnehin kann ein Fach seine Attraktivität bei den Studierenden nur bedingt steuern. Kommen vom Arbeitsmarkt schlechte Signale, bleiben Plätze in Informatik oder Ingenieurwissenschaft frei. Der Universität würden sofort Millionen fehlen. Um trotzdem einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, müsste sie schnell Personal sparen – überall, denn das zufälligerweise gerade alle Informatikprofessoren in Pension gehen, ist unwahrscheinlich. So würde es in den Seminaren anderer Fächer immer voller. Selbst wenn die Uni die Informatik-Professoren sofort loswerden könnte: Was, wenn das Fach schon im nächsten Jahr wieder in Mode kommt? Die Hochschulen befänden sich in ständiger finanzieller Unsicherheit.

Das gilt genauso, wenn Zöllner auch andere Leistungen der Hochschulen mit „Preisen“ versehen würde. Würden die Hochschulen etwa für jede Promotion belohnt, würde es für ihre Etats einen Unterschied machen, ob sie in einem Jahr 100 Doktoranden, im nächsten aber nur 20 promovieren. Sie wären ständigen Schwankungen ausgesetzt. Natürlich könnten sie sich angesichts der vom Senator geschaffenen Anreize ständig steigern, also immer mehr Studierende und mehr Doktoranden ausbilden. Dann dürfte der Landeszuschuss aber nicht gedeckelt sein – eine völlig illusorische Voraussetzung.

Zu befürchten ist denn auch, dass die Studierenden mit dem „Preismodell“ keinesfalls ihren Status an der Massenuniversität verbessern würden. Jeder Studierende bringt zwar Geld, was ein Anreiz für die Hochschulen sein könnte, neue Studienplätze zu schaffen. Doch was, wenn Zöllner die Summen so knapp bemisst, dass die Hochschulen nicht mehr Wissenschaftler als jetzt für eine bessere Betreuungsrelation einstellen können, wenn er Hochschulen zu Discountern macht? Dann bleibt es an den Unis nicht nur eng, sondern es könnte sogar noch enger werden. So ist die Uni Potsdam, die nach einem ähnlichen Prinzip gesteuert wird, inzwischen überfüllt.

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