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Den Berliner Hochschulen fehlt momentan das Geld, um Forschung, Lehre und Studienplatzangebote ausreichend abzusichern.

© dpa

Berlins Hochschulverträge: Strecken, stopfen, streichen an den Unis

Berlins Hochschulen verhandeln über ihre Etats. Sie warnen vor einer neuen Sparrunde, die Studienplätze kosten könnte. Berliner Abiturienten träfe es am härtesten. Für den Ausgang der Verhandlungen sind momentan vier Szenarien denkbar.

„Ich habe ein mulmiges Gefühl“, sagt Michael Heine, Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). Wenn in Berlin über Etats für die Hochschulen verhandelt wird, ist das kein Wunder. In den vergangenen zwei Jahrzehnten nutzten die Senate neue Hochschulverträge mehrfach zu schmerzhaften Sparrunden.

Nun stecken Berlins Hochschulen inmitten der Verhandlungen über ihre Zuschüsse für die Jahre 2014 bis 2017. Sie stellen eine Forderung, die angesichts des Berliner Spardiktats verwegen erscheinen muss. Um etwa 147 Millionen Euro soll ihr Gesamtetat bis zum Jahr 2017 anwachsen. Nur so sei angesichts der Kostensteigerungen, vor allem bei den Pensionen und Tarifen, bei Energie und zum Ausgleich der Inflation der Status quo zu halten, argumentieren die Hochschulpräsidenten. Zwar hält Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die Forderungen für berechtigt. Doch wird es ihr gelingen, den Finanzsenator und den Regierenden Bürgermeister zu überzeugen? Und was, wenn nicht? Im Juni will der Senat dem Parlament einen Entwurf für den nächsten Landeshaushalt vorlegen. Welche Szenarien sind für die Hochschulen denkbar?

Szenario 1: Die Hochschulen müssen sparen – sie bauen Studienplätze ab

Wenn der Senat in diesen Wochen den Haushalt für die Jahre 2014/2015 aufstellt, muss er ein Kamel durchs Nadelöhr bringen. Denn auch die Opern, Kitas, Schulen und Krankenhäuser verlangen deutlich mehr Geld. Der Berliner Landeshaushalt soll aber jährlich nur um 0,3 Prozent wachsen. Auch bei den Hochschulen „müssen die vom Senat beschlossenen Eckwerte für den kommenden Doppelhaushalt berücksichtigt werden“, heißt es auf Anfrage aus der Berliner Finanzverwaltung. Da die Hochschulen zur Zeit einen Gesamtetat von rund einer Milliarde Euro haben, liegen sie mit den zusätzlich verlangten 147 Millionen Euro dramatisch über dieser Quote.

Selbst wenn Senat und Parlament die Höhe der Forderung für inhaltlich berechtigt halten: Es wäre gut möglich, dass die Politiker den Hochschulen nur eine geringere Erhöhung zugestehen. Die Forderung der Hochschulen ist aber so knapp kalkuliert, dass sie nur die tatsächlich erwarteten Zusatzkosten abdeckt. Ein Puffer ist nicht eingeplant, versichern die Präsidenten. Darum würden schon 30 Millionen Euro weniger im Etat zu spürbaren Folgen an den Hochschulen führen: „Dann müssen wir Professuren und Studienplätze abbauen“, sagt Peter-André Alt, Präsident der FU. Sogar einzelne Fachbereiche stünden zur Disposition.

TU-Präsident Jörg Steinbach rechnet vor, dass ein Defizit von 30 Millionen Euro einem Sparvolumen von 500 Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter entspricht, also an jeder der drei großen Unis fast 170 Stellen kosten würde. An der TU gingen im Moment nur wenige Professoren in Pension, schnelles Sparen sei hier kaum möglich. An den Fachhochschulen ist der Mittelbau schmal, Forschung und Lehre liegen im Wesentlichen in den Händen der Professoren: „Wir müssten sofort alle Berufungen stoppen“, sagt HTW-Präsident Heine. Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität, sähe bei diesem Szenario zuerst Wissenschaftler mit Zeitverträgen gefährdet. Sie könnten nicht mehr verlängert werden.

Werden Stellen vernichtet, werden Studienplätze vernichtet. Das bekämen Berlins Abiturienten zu spüren. Schon jetzt haben sie wegen der starken Konkurrenz aus anderen Bundesländern nur mit gutem oder sehr gutem Abischnitt Chancen auf einen Studienplatz in Berlin.

Szenario 2: Die Hochschulen müssen sparen – aber alle Studienplätze erhalten

Der Senat könnte die Hochschulen auch zwingen zu sparen und dennoch ihre jetzigen Kapazitäten aufrechterhalten: indem noch mehr Studierende auf eine Lehrkraft kommen. Das könnte sogar dauerhaft negative Auswirkungen haben, befürchten die Hochschulpräsidenten. Versuchen abgewiesene Studienbewerber sich einzuklagen, könnten die Gerichte in aller Zukunft die schlechten Betreuungsrelationen als Maßstab für ihre Kapazitätsberechnung zugrunde legen. Berlins Unis wären dann fast so überlaufen wie in den achtziger und neunziger Jahren, als sie ihre Kapazität noch nicht durch den Numerus clausus begrenzt hatten.

HU-Präsident Olbertz hielte diese Lösung für „verantwortungslos“: „Soll etwa jeder Studierende einen anderen auf den Schoß nehmen?“ Wenn Berlin sich die Hochschulen in ihrer jetzigen Größe nicht leisten könne, müsse es eben Studienplätze abbauen: „Aber unsere Reputation dürfen wir unter keinen Umständen aufs Spiel setzen“, sagt Olbertz.

Szenario 3: Berlin zahlt so viel, wie die Hochschulen wollen – aber erst später

Der CDU-Haushälter Christian Goiny hofft, dass Berlin in den Jahren 2016 und 2017 schon etwas besser dasteht als in den kommenden beiden Jahren. Berlin könne ja prüfen, ob die Zuwächse für die Hochschulen nicht überwiegend auf diese beiden Jahre gelegt werden können, schlägt Goiny vor. – „Dann müssten wir für die nächsten zwei Jahre einen Kredit bei uns selbst aufnehmen“, gibt HU-Präsident Olbertz zu bedenken. Für die HU sei das schwierig, sie zehre ja schon von ihrer Substanz. Rücklagen für kleine Baumaßnahmen könnten kaum noch gebildet werden. Auch die TU braucht schnell Geld: „Wir schieben ja schon ein Defizit vor uns her“, sagt ihr Präsident Steinbach. Beigetragen hätten dazu nicht zuletzt die Tarifsteigerungen, die der Senat nicht ausgeglichen hat. Der Vorschlag der Hochschulen, solche Risiken im neuen Hochschulvertrag durch eine Gleitklausel abzusichern, kam bei Scheeres nicht durch.

Szenario 4: Berlin zahlt so viel, wie die Hochschulen wollen – sofort

Womöglich erfüllen Finanzsenator Ulrich Nußbaum und der Regierende Bürgermeister die Wünsche der Hochschulen ja auch. Von Nußbaum heißt es, er komme mit Wissenschaftssenatorin Scheeres besser klar als mit ihrem Vorgänger Jürgen Zöllner, es gebe also keine psychologischen Barrieren. An Klaus Wowereit wollen Beobachter zuletzt eine wohlwollende Haltung zu den Hochschulen festgestellt haben, ja sogar Anzeichen von Stolz auf Berlins Wissenschaft.

Sollte Berlin die Wünsche der Hochschulen umsetzen, würden diese ihren Status quo halten können, sagen die Präsidenten. Dieser Status quo verlange schon jetzt eine kreative Haushaltsführung mit allerlei Quersubventionierungen. Mit ihren im Wettbewerb eingeworbenen Drittmitteln stopfen die Unis Lücken im Haushalt: Für die weltweit angesehenen Geisteswissenschaften der FU werden inzwischen zahlreiche Bücher aus Drittmitteln beschafft, sagt Alt. Um bundesweit bei den Berufungen wettbewerbsfähig zu bleiben, erwägt die FU ein Kratz-und-Spar-Programm in ihrem Haushalt von drei bis vier Millionen Euro, denn Berlins Gehälter liegen unter denen in Baden-Württemberg oder Bayern. Bei den dringend nötigen Investitionen in Laborausrüstung und Baumaßnahmen hoffen die Hochschulen nur noch auf den Bund. Das von den Präsidenten geforderte Sonderprogramm für Investitionen von einer Milliarde Euro hat in Berlin keine Chance.

Mehr Planungssicherheit dürfen die Hochschulen in jedem Fall erwarten. In dem vor vier Jahren eingeführten Preismodell, bei dem die Hochschulen den Großteil der Landesmittel über Leistungen in Forschung und Lehre einspielen mussten, sollen die Parameter ein wenig verändert werden. Der leistungsunabhängige Grundsockel soll offenbar erhöht werden. Außerdem sollen die Mittel für die Studierenden nicht mehr an deren Zahl im ersten Hochschulsemester bemessen werden. Dadurch bekamen die Hochschulen für Studierende, die erst in einem späteren Semester hinzustießen, kein Geld. In Zukunft soll der Zuschuss an der ganzen Kohorte (der in der Regelstudienzeit Eingeschriebenen) ausgerichtet werden.

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