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Eine Frau mit Bauhelm auf dem Kopf sitzt am Rand eines Waldes und macht Notizen in einem Heft.

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Beschwerde von Doktorandinnen der TU Berlin: Unzumutbare Zustände bei Exkursion in Südamerika?

Streit um eine Exkursion nach Südamerika: Doktorandinnen der TU Berlin beklagen Hygienemängel, Druck bei der Feldforschung und Mobbing - und fordern Schmerzensgeld.

Es klingt wie ein ideales Projekt für Nachwuchsforscher: Ein internationales Team junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin erkundet, wie sich die Ökosysteme in landwirtschaftlich stark genutzten Grasländern in Uruguay verändern. Dafür haben sie zwei Millionen Euro Fördermittel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zur Verfügung – unter anderem für aufwendige Exkursionen.

Doch seit mehreren Monaten steht in dem TU-Projekt nicht mehr nur die Forschung im Vordergrund. Drei Doktorandinnen erheben schwere Vorwürfe. Sie beklagen schlechte Arbeitsbedingungen bei der Feldforschung sowie Ausgrenzung und Mobbing durch ihre Projektleiterin in Berlin.

Sie klagen auch auf Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz

Ihre Beschwerden seien von Anfang an zurückgewiesen und dann gegen sie gewendet worden, sagt die ecuadorianische Biologin Maria Tobar. Nun verklagen die Nachwuchswissenschaftlerinnen die TU auf insgesamt 10 000 Euro Schmerzensgeld und die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz. Die TU und die Projektleiterin wollen sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.

Kaputte Betten, verdreckte Matratzen und Bäder beklagt

Tobar ist seit Februar 2015 in Berlin. Sie und zwei andere südamerikanische Nachwuchsforscherinnen hatten sich erfolgreich auf eine Promotionsstelle im Projekt beworben. Im Dezember vergangenen Jahres reisten die drei Wissenschaftlerinnen für die erste Feldforschung nach Uruguay. Dort hätten sich schnell die Probleme gehäuft, sagt Tobar. Schon die Unterbringung des Teams sei unzumutbar gewesen: kaputte Betten, mit unappetitlichen Flecken übersäte Matratzen, verdreckte Toiletten, ebenfalls kaum benutzbare Duschen.

E-Mails, in denen die Doktorandinnen um Hilfe baten, habe die in Berlin gebliebene Projektleiterin nicht beantwortet. Stattdessen habe ein von ihr beauftragter Mitarbeiter, der mit dem Team vor Ort war, begonnen, sie zu kontrollieren. „Er machte Druck, dass wir die Zeitpläne einhalten und die wissenschaftliche Arbeit abkürzen“, sagt Tobar. Der Mitarbeiter habe bestimmt, wie lange sie an einem Ort blieben. Teilweise hätten sie zehn Stunden pro Tag arbeiten müssen. Wenn sie die Vorgaben nicht einhielten, könnten sie ihren Job verlieren, habe er gedroht.

Normale Bedingungen bei Exkursionen? Nein, sagen die Betroffenen

Sind das womöglich weitgehend normale Bedingungen der Feldforschung in einem Schwellenland? Andere aus dem Team haben schließlich durchgehalten und arbeiten bis heute weiter. Nach Angaben der TU sind derzeit noch drei Teams mit insgesamt 15 Wissenschaftlern im Feld, gemischte Gruppen mit Forschern aus Uruguay und aus Berlin. Tobar und ihre beiden Kolleginnen aber betonen, die Unterbringung sei mit ihren bisherigen Erfahrungen auf Exkursionen nicht vergleichbar gewesen. „Natürlich hat man keine luxuriösen Unterkünfte bei der Feldforschung, aber ich war auch schon einen Monat im Dschungel in Ecuador im Einsatz und dort war es besser“, sagt Tobar.

"Von Workshops und anderen Aktivitäten wurden wir isoliert"

Auch wegen der von ihnen als unzumutbar empfundenen Arbeitsbedingungen wandten sich die drei Doktorandinnen an die „unabhängige Basisgewerkschaft“ FAU (Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union). Die riet ihnen, den Personalrat der TU zu kontaktieren. Schließlich seien sie in Absprache mit der Projektleiterin nach Berlin zurückgeordert worden, sagen die Betroffenen. Zurück in Berlin sei ihnen die Leiterin feindselig begegnet. „Wir haben kein Feedback für unsere gesammelten Daten bekommen und keine neuen Aufgaben“, sagt Tobar. „Von Workshops oder anderen Aktivitäten wurden wir isoliert.“ Das alles belaste sie sehr, seit vier Monaten könne nicht mehr arbeiten und sei krankgeschrieben, sagt die Doktorandin.

TU: Entsprechende Stellen beschäftigen sich intensiv mit dem Fall

Die TU will die Vorwürfe wegen des anhängigen Gerichtsverfahrens nicht im Detail kommentieren. Seit die Beschwerde der drei Doktorandinnen Anfang des vergangenen Sommersemesters bekannt geworden sei, „beschäftigen sich entsprechende Stellen der TU Berlin sehr intensiv mit diesem Fall“, teilt TU-Sprecherin Stefanie Terp mit. Die Projektleiterin lehnt eine persönliche Stellungnahme auf Anfrage ab.

Die TU verweist indes auf ein Teamcoaching, das die Forschergruppe zurzeit durchläuft. Mithilfe zweier externer Trainer sollten die Konflikte aufgearbeitet und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zurückgefunden werden. „Solange dieser Coachingprozess nicht abgeschlossen ist, kann und wird die TU keine Aussage über den Ausgang treffen“, sagt Terp.

Ein Coaching, um das Team wieder zusammenzuschweißen

Die Nachwuchswissenschaftlerinnen glauben, dass die Vermittlung keine Lösung bringt. „Im Juni wurde uns das Coaching versprochen, stattgefunden hat es erst im August“, sagt Biologie-Doktorandin Tobar. Es gehe bei den Treffen auch nicht darum, das Verhalten ihrer Betreuerin anzusprechen, sondern das Team wieder zusammenzuschweißen. „Das Coaching ist nicht das richtige Mittel“, sagt sie. Deshalb hätten sich die Doktorandinnen entschlossen, zu klagen. „Ich habe keine andere Option mehr und ich will endlich nach vorne blicken“, sagt Tobar. Die TU hat mittlerweile die Klage auf offiziellem Weg erhalten, will sich aber auch dazu nicht äußern.

Ihre Stellen sind an das Projekt gebunden

Doch es geht den Doktorandinnen nicht nur um Schmerzensgeld. Sie wollen, dass die Uni sie einem anderen Projekt zuweist, mit einem neuen Betreuer. Die Drittmittel des Bundesforschungsministeriums, aus denen ihre Stellen bezahlt werden, sind aber an die Projektleiterin und ihr Forschungsvorhaben gebunden. „Es muss doch die Möglichkeit für Promovierende geben, den Betreuer zu wechseln, wenn man nicht miteinander auskommt“, sagt Tobar. Die TU lehnt auch hierzu eine Stellungnahme ab und will ihre Anwälte den Fall beurteilen lassen.

Lesen Sie hier einen Artikel über Zahnmedizin-Studierende an der Berliner Charité, die sich über unzumutbare Studienbedingungen beklagen.

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