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Kita

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Betreuung: Spielen bis der Arzt kommt

Kindergärten in Kliniken und Frauen in die Chirurgie: Mediziner wollen die Arbeit im Krankenhaus familienfreundlicher machen.

Wenn Chirurgen sich mit Kindern befassen, geht es meist darum, wie man die kleinen Patienten medizinisch optimal versorgen kann. Am zweiten Tag des 125. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), der seit Dienstag im Berliner ICC stattfindet, sprachen die Mediziner diesmal auch darüber, wie Ärzte ihren Beruf mit ihrem eigenen Familienleben vereinbaren könnten.

Dabei diskutierten die überwiegend männlichen Kongressteilnehmer nicht nur über Kindergärten an Kliniken und Teilzeitmodelle, um mehr Frauen für den Beruf der Chirurgin zu begeistern. Wenn wir „Frauen in der Chirurgie“ wollen, müssen auch „Männer in die Familien“, sagte der DGCH-Generalsekretär Hartwig Bauer. Solange es noch als Karrierebremse gelte, als Arzt Elternzeit zu nehmen, werde sich das Ungleichgewicht der Geschlechter nicht aufheben lassen.

Als Musterbeispiel für eine gelungene Kinderbetreuung stellte Krankenhausdirektor Erwin Kinateder die Kindertagesstätte an der Unfallklinik Murnau vor. Dort haben Ärzte und andere Klinikmitarbeiter bereits seit 1977 die Möglichkeit, ihre Kinder in der Zeit zwischen 5 Uhr 15 und 21 Uhr 30 – auch an Sonntagen Feiertagen – betreuen zu lassen. „Heute haben wir 100 Plätze für Kinder ab acht Monate bis zehn Jahre“, sagte Kinateder. Die Gebühren seien mit denen öffentlicher Kitas vergleichbar. „Wichtig ist, dass die Öffnungszeiten an den Schichtbetrieb angepasst sind und ein Kind auch spontan länger bleiben kann, wenn die Mutter ein paar Überstunden im OP machen muss“, sagte Kinateder.

Neben der Kita gibt es an der Murnauer Klinik Teilzeitstellen und ein Wohnungsangebot für Mitarbeiter. Durch diese familienfreundlichen Bedingungen würde die Klinik sogar noch Kosten sparen, betonte der Klinikdirektor. „Wir verlieren weniger Mitarbeiter und die Hälfte der Mütter kehrt bei uns nach der Elternzeit in eine Vollbeschäftigung zurück“.

Dieses Modell lobte auch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die am Mittwoch auf dem Chirurgenkongress sprach. Schon aufgrund des Fachkräftemangels an deutschen Kliniken, müssten die Arbeitsplätze für Frauen attraktiver gemacht werden. Allerdings würden auch junge Männer zunehmend Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf legen. „89 Prozent von ihnen sind auch bereit, dafür ins Ausland zu gehen“, sagte von der Leyen. In Frankreich und Skandinavien, aber auch in den angelsächsischen Ländern, seien die Möglichkeiten für junge Familien besser als in Deutschland. „Bei uns sind immer noch die meisten Frauen in der Spitzenforschung kinderlos“, sagte die Ministerin. „Und viele Mütter geben ihre Berufstätigkeit auf.“

Immerhin 65 Prozent der Erstsemester im Medizinstudium sind heutzutage Frauen, bei der Promotion sind es noch 50 Prozent. Damit möglichst viele von ihnen Chirurginnen werden, will die DGCH die Arbeitbedingungen für Mütter jetzt verbessern.

Noch bis Freitag diskutieren im ICC rund 6000 Mediziner aus aller Welt über die Zukunft der Chirurgie.

Dagny Lüdemann

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