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Komet ganz nah. Diese Aufnahme von Philae zeigt die Oberfläche des Kometen "Tschuri". Es wurde zusammengesetzt aus zwei einzelnen Aufnahmen.

© Esa/Rosetta/Philae/Civa

Bilanz der Mission auf Tschuri: Sonde Philae verfällt in Kältestarre

Mit letzter Kraft: Bevor der Roboter in den Schlafmodus ging, hat er viele Aufgaben erledigen können. Für die geplanten Langzeitstudien ist es aber zu dunkel. Ein Resümee.

Licht ist Leben, das gilt auch für Roboter. Erst recht, wenn sie auf einem eisigen Brocken weit draußen im All sitzen. Ohne Licht schwinden bald die Kräfte. Dieses Schicksal ereilte jetzt „Philae“, den waschmaschinengroßen Roboter, der es in den vergangenen Tagen zu einiger Berühmtheit gebracht hat. Am Mittwoch hatte ihn die Raumsonde „Rosetta“ auf dem Kometen „Tschurjumow-Gerassimenko“ abgesetzt, der gerade eine halbe Milliarde Kilometer von der Erde entfernt seine Bahn zieht.

Philae hat fotografiert, gehämmert und gebohrt

Zweieinhalb Tage hatte der Lander den Kometen „Tschuri“ aus nächster Nähe untersucht: hat ihn fotografiert, hat mit einem langen Metallstab Fieber gemessen, den eisigen Brocken am Ende sogar angebohrt, um die Späne zu erhitzen und chemisch zu analysieren. Dafür brauchte er viel Strom, den zwei Batterien sowie die Solarzellen auf der Außenhaut des Roboters liefern sollten.

Panorama. Diese Abbildung zeigt, wie es rings um den Lander Philae auf dem Kometen "Tschurjumow-Gerassimenko" aussieht. Sie ist zusammengesetzt aus sechs einzelnen Bildern, die der Roboter vor Ort gemacht hat. Philae selbst wurde nachträglich integriert.
Panorama. Diese Abbildung zeigt, wie es rings um den Lander Philae auf dem Kometen "Tschurjumow-Gerassimenko" aussieht. Sie ist zusammengesetzt aus sechs einzelnen Bildern, die der Roboter vor Ort gemacht hat. Philae selbst wurde nachträglich integriert.

© Reuters/Esa

Doch Philae war – nach zwei Sprüngen auf der Kometenoberfläche – in einer dunklen Ecke gelandet. Umringt von großen Blöcken aus Eis und kosmischem Dreck gelangte viel zu wenig Sonnenlicht auf die Zellen. Die Energiereserven gingen sichtbar zur Neige, am frühen Samstagmorgen war Schluss. Philae schaltete alle Geräte ab und fiel in eine Art Schlafmodus. Ob der Roboter wieder aufwacht, kann derzeit keiner sagen.

Die erste Landung auf einem Kometen - ein Kunststück

Aus Sicht der beteiligten Wissenschaftler ist die Mission dennoch ein „voller Erfolg“, wie etwa Stephan Ulamec, Philae-Projektleiter am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sagt. Zum ersten Mal in der Geschichte gelang es, einen Roboter mehr oder weniger geordnet auf einem Kometen zu platzieren. Bei einem Himmelskörper, der nur vier Kilometer groß ist und dessen Anziehungskraft etwa hunderttausendmal kleiner ist als die der Erde, ist das tatsächlich ein Kunststück. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Philae zu einer Zeit gebaut wurde, als Astronomen kaum etwas über die Gestalt eines Kometenkerns wussten. Erst Rosetta und Philae haben gezeigt, dass die eisigen Körper aus der Nähe betrachtet sehr abwechslungsreiche Landschaften sind. Die galt es zu erkunden.

Brachten Kometen Lebenskeime auf die Erde?

Von den Analysen auf Tschuri erhoffen sich die Forscher Hinweise darauf, ob das Wasser auf unserer Erde von Kometen stammt – und ob die kosmischen Eisklumpen womöglich Bausteine des Lebens enthalten. Das Ergebnis ist nicht nur für die Entwicklung unserer Erde interessant, sondern auch für eine Antwort auf die Frage: Wie wahrscheinlich ist es, dass es außerirdisches Leben gibt?

Abwärts. Der Screenshot aus der Bodenkontrolle zeigt, wie die Spannung in der Batterie zurückgeht.
Abwärts. Der Screenshot aus der Bodenkontrolle zeigt, wie die Spannung in der Batterie zurückgeht.

© Esa/Philae

Eile war geboten, die Batterien von Philae würden nur 60 Stunden halten, ohne Sonne dürfte bald Schluss sein. Dieser Gedanke wurde zum gewichtigen Argument bei der Planung des Einsatzes von Philae. Und so wurde das ursprüngliche Forschungsprogramm etwas gestrafft, berichtet Tilman Spohn vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin. Er ist verantwortlich für das „Mupus“-Experiment, bei dem eine Sonde in den Untergrund gehämmert wird und die Temperaturänderung mit zunehmender Tiefe gemessen wird. Die Wissenschaftler hätten gern verfolgt, wie sich die Fieberkurve im Verlauf eines zwölfstündigen Kometentages mit dem Sonnenstand verändert. Daraus erhoffen sie sich Informationen über dessen Aufbau. Doch Zeit und Strom schwanden in der Dunkelheit dahin, also haben Spohn und Kollegen ihren Versuch früher gestoppt, damit die chemische Analyse des Bodens nicht gefährdet wird.

Nahaufnahme. "Tschuri", fotografiert am 3. August 2014 aus einer Entfernung von 285 Kilometern. Dieses hoch aufgelöste Bild des Kometen präsentierten deutsche Forscher am 6. August. Der rund fünf Kilometer lange Körper ist auffallend unregelmäßig geformt, hat Krater und hausgroße Blöcke auf seiner Oberfläche.
Nahaufnahme. "Tschuri", fotografiert am 3. August 2014 aus einer Entfernung von 285 Kilometern. Dieses hoch aufgelöste Bild des Kometen präsentierten deutsche Forscher am 6. August. Der rund fünf Kilometer lange Körper ist auffallend unregelmäßig geformt, hat Krater und hausgroße Blöcke auf seiner Oberfläche.

© REUTERS/ESA/Rosetta/MPS for OSIRISTeamMPS

Im Dezember sollen die ersten Ergebnisse veröffentlicht werden

Während der letzten Funkverbindung am frühen Samstagmorgen war tatsächlich noch ausreichend Strom da, um alle Messdaten des Tages zur Erde zu schicken. Nur wenige Minuten später dämmerte Philae weg. Er hätte zwar noch einiges mehr tun können, die wichtigsten Experimente immerhin sind geschafft. Die Auswertung der Daten läuft, erste Publikationen sind für Dezember angekündigt. Sie werden eine ziemlich genaue Momentaufnahme von „Tschuri“ liefern.

Doch das war nur ein Teil der insgesamt 1,3 Milliarden Euro teuren Kometenmission. Ursprünglich sollte Philae mehrere Wochen auf Tschuri aktiv sein und ihn beobachten. Je näher der Eisklotz der Sonne kommt, umso stärker spuckt er Gas und Staub, bis er schließlich den kometentypischen Schweif ausbildet. Diese Entwicklung wollten die Wissenschaftler mithilfe des Landers live verfolgen. Der schweigt allerdings.

Ob Philae sich noch einmal berappelt, ist ungewiss

Möglicherweise erwacht er demnächst wieder, wenn er ein paar Sonnenstunden abbekommen und seine Batterie etwas gefüllt hat. Das gilt aber als unwahrscheinlich, wie der Rosetta-Missionsleiter Paolo Ferri am Sonnabend sagte. Eventuell ändert sich die Lage, wenn sich Tschuri der Sonne nähert und damit mehr Strahlung die Solarzellen erreicht. Dann dürfte es jedoch bald ganz aus sein mit Philae. Entweder fliegt er mit den Gas- und Staubteilchen davon oder er wird an Ort und Stelle gegrillt.

Das "Mutterschiff" Rosetta behält Tschuri im Blick

Das Mutterschiff Rosetta ist besser isoliert und dürfte den Sonnenvorbeiflug im August überstehen. Die Sonde soll bis Ende 2015 in Betrieb bleiben und Tschuri genau im Auge behalten. Die erste Aufgabe für die kommenden Tage und Wochen lautet jedoch: Finde Philae. Denn noch immer wissen die Forscher nicht genau, in welcher Ecke des Kometen der Roboter sitzt und schläft.

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