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Große Pläne. Georg Näder (Otto Bock), Wolf Jeschonnek (Fab Lab) und Michael Müller beim Rundgang.

© Martin Leuze

Biotop für Tüftler: Im Bötzow-Areal entsteht ein Zukunftslabor für Medizintechnik

Die Firma Otto Bock will im „Open Innovation Space“ kreative Tüftler anlocken. So sollen unkonventionelle Ideen schneller zur Anwendung kommen.

Die emsige Atmosphäre lässt an eine Textilfabrik denken. Andererseits fehlen die Nähmaschinen, und es sieht hier bei näherer Betrachtung auch eher nach einem Designerbüro aus, denn an den Rechnern entstehen avantgardistische Entwürfe. Die Ergebnisse der Arbeit hingegen wirken auf den ersten Blick unscheinbar: Da zeigt zum Beispiel ein Mann stolz einen kleinen Kunststoffkasten. Nichts ist hier geschraubt, nichts ist gefräst. Das mit einem 3-D-Drucker gefertigte Werkstück soll einen Teil der Elektronik beherbergen, die der Tüftler nutzen möchte, um die Architektur des Schlafes aufzuzeichnen. Das Ganze soll einmal Teil einer Vorrichtung werden, die Menschen hilft, bewusst und „klar“ zu träumen. Ob es eines Tages so weit kommt?

Die technischen Voraussetzungen, um sein (Hobby-)Projekt voranzutreiben, hat der junge Mann jedenfalls im „Open Innovation Space“ gefunden, das am Mittwochabend auf dem Areal der ehemaligen Bötzow-Brauerei in Berlin feierlich eröffnet wurde. „Das ist ein offen zugänglicher Platz. Wer spürt, eine Idee zu haben, soll ihn nutzen“, sagte Hans Georg Näder, Inhaber der Medizintechnik-Firma Otto Bock und träumte von einem „Cape Canaveral für neue Technologie“. „60 bis 70 Kreative kommen jeden Tag hierher, das wird ein echter Treffpunkt der Zukunftstechnologien werden“, freute sich bei der Eröffnung auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Neben Adlershof, Buch und den an den Hochschulen angesiedelten Instituten entstehe hier einer der „Zukunftsorte der Stadt“.

Der Weg von der Idee zum Produkt soll kürzer werden

In der Gegenwart ist die Otto Bock HealthCare GmbH mit dem „Science Center“ am Potsdamer Platz bereits vertreten. Nun hält auf dem Areal der denkmalgeschützten Industrieruine an der Prenzlauer Allee das „Future Lab“ des Medizintechnikunternehmens Einzug. Derzeit noch in einem temporären Bau untergebracht, soll das Labor auf Dauer in den Altbauten der Brauerei Platz finden. Unternehmer Näder will sich hier langfristig engagieren, für seine Firma erhofft er sich vom Nebeneinander der Entwicklungsingenieure des Unternehmens mit anderen kreativen Köpfen im „Brutkasten Open Innovation Space“ einen schnelleren Weg von der Idee zum Produkt.

Einerseits bietet hier das Team von Fab Lab Berlin, einer offenen Werkstatt für digitale Fertigung, Privatpersonen und Start-ups Maschinen, Werkzeuge und fachliche Anleitung. Andererseits wollen auch die professionellen Entwickler der Firma Otto Bock hier mit Studierenden und Wissenschaftlern aus Berlin zusammenarbeiten, etwa mit dem Design Research Lab, einer Einrichtung der Universität der Künste. Neben dem Raum für Tüftler wird das „Future Lab“ auch Elemente beinhalten, die direkter mit dem Kerngeschäft des Prothesenherstellers verbunden sind. So sollen ein Hotel mit Reha-Lofts und ein Mobility Concept Store mit einer Rollstuhlmanufaktur für individuelle Produkte entstehen.

Carbonfeder-Prothesen für Leistungssportler

Zum 100. Geburtstag des Medizintechnikunternehmens soll alles fertig sein. Der Orthopädietechniker Otto Bock hatte 1919, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, in Berlin-Kreuzberg mit Prothesen aus Holz begonnen, die für versehrte Kriegsheimkehrer dringend gebraucht wurden. In den 50er Jahren wurde das Holz durch Kunststoffe ersetzt, dann wurden schwache elektrische Spannungen, die beim Zusammenziehen der Muskeln entstehen, verstärkt und als Steuersignale für künstliche Gelenke verwendet. Heute sind die Carbon-Technik und vielfältige Nutzungen von Elektronik hinzugekommen. Speziell angefertigte Beinprothesen für Sportler sind teilweise so ausgeklügelt, dass schon über eventuelle Wettbewerbsvorteile von Sprintern mit Carbonfeder-Prothesen diskutiert wird.

„Die Zielgruppe ist extrem wählerisch“, sagt der Skirennfahrer Martin Baxenthaler. Der Leistungssportler, der mit seinem Monoski viermal an den Paralympics teilnahm und zahlreiche Medaillen gewann, begleitet die Forschung und Produktentwicklung. Der gelernte Mechaniker ist nach einem Betriebsunfall vor 20 Jahren querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Die Neuerungen, die von der Minderheit der Leistungssportler eingefordert werden, kommen letztlich auch der Mehrheit der weniger aktiven, meist älteren Menschen zugute, die Hilfsmittel wie Rollstühle und Prothesen brauchen.

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