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Bund-Länder-Kommission: Die heimlichen Herrscher

Wo deutsche Bildung geplant wird: Die Bund-Länder-Kommission wird abgewickelt – und sofort wiederbelebt

Die Bundesrepublik hat ein merkwürdiges Verhältnis zur Bildungsplanung. Solange die DDR mit ihrer Planwirtschaft existierte, galt Planung im Westen als unschicklich. Nach dem Planungsdesaster der DDR und ihrem Ende gibt es eigentlich keinen Grund mehr, ideologische Vorbehalte gegen die Bildungsplanung zu haben. Denn Bildung lässt sich wegen der klaren Vorgaben durch Geburten, Schulübergänge und die Altersentwicklung verbeamteter Lehrer und Professoren realistisch planen – und zwar vom Kindergarten bis zur Hochschule. Aber die Länder möchten den Bund nicht als Stichwortgeber und Entdecker der großen Themen im Boot haben. Das ist das Dilemma.

Seit der Föderalismusreform ist klar: Der Wissenschaftsrat darf nicht mehr im Hochschulbau für die ganze Republik planen, und in Schulfragen ist die gemeinsame Planung von Bund und Ländern schon seit 1973 ad acta gelegt worden. Nach der Föderalismusreform hat der Bund nur noch bei der Bildungsforschung einen Fuß in der Tür – und neuerdings darf er auch die Lehre an den Hochschulen fördern.

Was macht man dann mit einem Gremium, das die Bildungsplanung im Titel führt? Auflösen war der Wunschtraum vor allem der CSU, umbenennen war das Ergebnis. Am 19. November 2007 trat die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) denn auch zu ihrer letzten Sitzung in Bonn zusammen.

Ein Gremium, in dem so wesentliche Entscheidungen wie über die Finanzierung des Naturkundemuseums in Berlin und die Etablierung einer nationalen Akademie der Wissenschaften fallen, ist kein Leichtgewicht. Die BLK hatte deshalb Gewicht, weil ihr die Wissenschaftsminister des Bundes und der 16 Länder angehören. Dennoch war sie der breiten Öffentlichkeit so gut wie unbekannt. Selbst der viel beachtete Wissenschaftsrat hat nur die Rolle eines Ratgebers für Bund und Länder, kann jedoch mit seinen Empfehlungen nicht unmittelbar die Politik in Deutschland verändern. Empfehlungen des Wissenschaftsrats entfalten erst dann ihre Wirkung, wenn sie die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern aufgreifen oder – noch eine Stufe höher – wenn die Ministerpräsidentenkonferenz Vorschläge des Wissenschaftsrats in finanzierte Politik umsetzt.

Genau an dieser Stelle kommt die BLK ins Spiel: Sie bereitet die Entscheidungen der Ministerpräsidentenkonferenz vor und prüft die Finanzierbarkeit. Um Beispiele aus jüngster Zeit zu nennen: Die Exzellenzinitiative, die Deutschland neun Eliteuniversitäten beschert hat, wurde erst dann zu einem von Bund und Ländern akzeptierten Programm, als die Suche nach Eliteuniversitäten um die Einrichtung von herausragenden Graduiertenschulen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und um Exzellenzcluster für die Forschung erweitert wurde. Erst durch diese Erweiterung war das Programm für die BLK und damit für die Ministerpräsidenten entscheidungsreif.

Ähnlich ist es mit dem Hochschulpakt gelaufen. Aus der Sorge des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger, dass man die doppelten Abiturientenjahrgänge nicht vor verschlossenen Hochschulen stehen lassen dürfe, wurde ein Notprogramm zur Erweiterung der Kapazitäten entwickelt – der Hochschulpakt. Die Kultusministerkonferenz spielte dabei eher eine Rolle am Rande. Beschlossen wurde der Pakt in der BLK und der Ministerpräsidentenkonferenz. Die Beispiele zeigen, warum die BLK nationale Aufgaben wahrnimmt.

Das unterstreicht ein Blick in die Geschichte: Die große Zeit der Bildungsdebatten begann, nachdem die Sowjetunion den ersten Satelliten, den Sputnik, im Jahr 1957 in den Weltraum geschossen hatten. Endlich hatte der Westen erkannt, dass er ins Hintertreffen geraten könnte, wenn er nicht auf eine Expansion der Abiturienten- und Studentenzahlen setzen würde. In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1964 durch Georg Picht der Bildungsnotstand ausgerufen, und die Lawine kam ins Rollen. Durch die Änderung des Grundgesetzes von 1969 erhielt der Bund bildungspolitische Kompetenzen für dieses große Programm. In der euphorischen Phase des Aufbruchs zu neuen Ufern wurde das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft geschaffen und im Jahr 1970 die BLK als das Gremium für Bildungsplanung und Forschungsförderung gegründet. Schließlich wurde unter Mitwirkung des Wissenschaftsrats eine Großplanung für den Hochschulbau in Gang gesetzt, die die Republik reif machen sollte für eine Steigerung der Studentenzahlen von 270 000 auf zunächst eine Million.

Aber schon 1973 war es mit der Euphorie zu Ende. Die von der Union regierten Länder wollten den ersten Bildungsgesamtplan, der in der BLK erarbeitet worden war, nicht mehr umsetzen. Ihnen lag das von den Sozialdemokraten favorisierte Ziel quer im Magen, Gesamtschulen in immer größerem Umfang einzuführen. Außerdem schienen die Kosten für die Bildungsexpansion nach dem Ölpreisschock von 1973 utopisch.

Unentbehrlich blieb die BLK für die Finanzentscheidungen zur Förderung der Großforschungsorganisationen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft und später die Leibniz-Gemeinschaft sowie die Forschungsvorhaben der Akademien der Wissenschaften erhielten ihre Finanzkalkulation durch die BLK. Und das bis zum Ende dieses Jahres.

Nachdem die Ministerpräsidenten der Länder im Jahr 1977 die Öffnung der Hochschulen für die geburtenstarken Jahrgänge beschlossen hatten, wurden die Tore zur Massenuniversität weit geöffnet. Nur hatten die Ministerpräsidenten vergessen, dass eine gute Lehre gerade bei einem Massenbetrieb viel Geld kostet. Als das Kind schon längst in den Brunnen gefallen war, kam der damalige Bundeswissenschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) auf die Idee, milliardenschwere Hochschulsonderprogramme aufzulegen, obwohl der Bund nach der damaligen Verfassungslage kein Geld für die Lehre an die Hochschulen geben durfte. In der BLK behalfen sich die Wissenschaftsminister mit Tricks: Der Bund investierte überproportional viel Geld in die Forschung; die Länder verpflichteten sich im Gegenzug, dafür mehr Geld für die Lehre aufzuwenden. In der Wissenschaftspolitik bewies die BLK, wie unentbehrlich sie war, wenn man mit Tricks arbeiten musste, die niemand rechtlich anfechten durfte.

Wenn es um Schulthemen ging, war die BLK auf die Finanzierung von Modellversuchen zurückgestuft worden. Unter den zahlreichen Modellprogrammen, die die BLK auf den Weg gebracht hat, sei das „Sinusprogramm“ von 1998 für einen besseren Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften genannt. Die BLK reagierte damit Jahre vor dem ersten Pisa-Schock auf die erschütternden Ergebnisse der internationalen TIMS-Untersuchung (1994–1995).

Nun hat die Föderalismusreform für eine absehbare Zeit die Fronten geklärt. Schon 1995 hatte der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) zum 25-jährigen Bestehen der BLK auf einem Festakt erklärt, die BLK solle sich nicht mehr mit „übersteigerten Gesamtplänen“ befassen, sondern sich auf das Wesentliche beschränken – gemeint war die Forschungsförderung. Das war auch die Leitmelodie für die Föderalismusreform.

Damit war klar: Auf die BLK kann man nicht verzichten. Nur darf sie nicht mehr Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung heißen. Vom 1. Januar 2008 gibt es als Nachfolgegremium die Wissenschaftskonferenz. Abwicklung und Neugründung kurze Zeit später: Im Kern bleibt alles so, wie es sich in Jahrzehnten bewährt hat. Wie in der BLK werden in der Wissenschaftskonferenz 32 Stimmen zu verteilen sein – jeweils 16 für die Länder und den Bund. Die Wissenschaftskonferenz sitzt wie die frühere BLK in Bonn.

Uwe Schlicht

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