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Wissen: Chaos oder Zivilisation

TU-Forscher untersuchen Megacitys

Metropolen – zählt man hierzu nur Megastädte wie Mexico-City und Kuala Lumpur oder auch Großstädte wie Berlin und Paris? „Für die einen sind Metropolen ein Moloch, der Chaos und Verderben hervorbringt und unregierbar ist. Für die anderen sind sie die Orte, wo die Moderne erfunden wurde“, sagt TU-Professor Heinz Reif. Der Historiker befasst sich seit vielen Jahren mit den Metropolen, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts herausgebildet haben.

Um dem Thema auf den Grund zu gehen, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Berlin ein transatlantisches Kolleg eingerichtet, unter dem Titel: „Berlin – New York. Geschichte und Kultur der Metropolen im 20. Jahrhundert“.

Neben der TU Berlin sind auch die New Yorker Columbia University und die New York University sowie die Freie Universität und die Humboldt- Universität daran beteiligt. Sechzehn Nachwuchsforscher aus sieben verschiedenen Fachdisziplinen und fünf Nationen sollen sich zum Beispiel damit beschäftigen, wie kreative Milieus entstehen, oder wie sich das Selbstverständnis der Muslime unterschiedlicher Generationen in Berlin verändert. Auch die Wiederentdeckung der historischen Stadt und die Selbstdarstellung von Metropolen über ihre großstädtischen Bahnhöfe stehen auf dem Forschungsplan.

Das Graduiertenkolleg ist Kern des jüngst an der TU Berlin gegründeten Centrums für Metropolenforschung, das sich der Grundlagenforschung sowie der Beratung von Stadtplanern und Politikern widmen wird. „Die rasant wachsenden Probleme der Metropolen und Megacitys fordern die Wissenschaft heraus, von der Kunst- bis zur Verkehrswissenschaft, von der Stadtplanung über die Ethnologie bis zur Stadtgeschichte“, sagt Oliver Schmidt. Der Amerikanist und Historiker führt die Geschäfte des neuen Zentrums, das auf eine über 30-jährige Forschungsgeschichte an der TU Berlin aufbaut. Heinz Reif, der wissenschaftliche Leiter, meint: „Das Zentrum wird Berlins Politikern das Wissen zur Lösung konkreter Stadtprobleme liefern.“

So ist beispielsweise die Verkehrsplanung für die modernen Metropolen ein brisantes Thema. Stadtforscherin Deike Peters widmet ihre Arbeit im transatlantischen Graduiertenkolleg den Anforderungen an urbane Mobilität in Großstädten. „Spätestens seit den 80er Jahren setzte eine Abkehr vom Leitbild der autogerechten Stadt ein“, sagt sie. „Die Autostädte haben sich einfach nicht als lebenswert erwiesen.“

Die aktuelle Frage sei aber längst nicht mehr öffentlicher Verkehr kontra Auto, sondern wie die unterschiedlichen Verkehrssysteme in einer Stadt so miteinander vernetzt werden, damit bei höchstmöglicher Mobilität Lärm und Smog minimiert werden. „Die verkehrsplanerische Herausforderung der Metropolen liegt darin, genau zu wissen, für welchen Weg welches Verkehrsmittel das beste ist und wie der Wechsel von einem auf das andere reibungslos erfolgt“, sagt Peters. „Verkehrsexperten und Stadtplaner dürfen städtische Lebensqualität und Verkehr nicht mehr länger als konkurrierende Prinzipien betrachten.“

In Berlin gibt es eine Vielzahl von Verkehrssystemen: S- und U-Bahnen, Busse, „Metro“- und Straßenbahnen, Stadtautobahnen, Radwege, nicht zu vergessen die Fußgänger. Sie sollen zunehmend besser miteinander verknüpft werden.

Dennoch ist es bislang nicht gelungen, den Autoverkehr zugunsten des öffentlichen Verkehrs weiter zu reduzieren. Vielmehr ist ersterer in den vergangenen Jahren sogar gestiegen. „Die Berliner Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik hat seit Anfang der 90er Jahre in ihren offiziell propagierten Zielen sehr ambitionierte neue Akzente für umweltbewusste, multimodale Verkehrstrategien gesetzt, diese dann aber nur unzureichend umgesetzt“, kritisiert Deike Peters. In den nächsten drei Jahren will sie deshalb herausfinden, warum das nicht geschah und – vor allem – wie dies zu ändern wäre.

Sybille Nitsche

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