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Ein Vogelzähler in Schleswig-Holstein.

© Carmen Jaspersen/picture alliance/dpa

Citizen Science: Mehr Respekt für forschende Bürger

Bürgerwissenschaftler erobern sich immer neue Gebiete. Doch vielfach fehlt offizielle Anerkennung – und Geld. Die Grünen machen die Bundesbildungsministerin dafür verantwortlich.

Bürgerwissenschaftler sammeln Umweltdaten und zeichnen mit einer App die Gesänge der Nachtigallen auf. Oder sie experimentieren mit antiken Maschinen, um die Innovationskraft der einstigen Nutzerinnen zu erforschen. Dieses Archäologie-Projekt am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz wurde im Mai als 100. Mitmach-Angebot auf der Internet-Plattform BuergerSchaffenWissen.de gefeiert.

Vor vier Jahren, als das vom Berliner Naturkundemuseum koordinierte Portal startete, waren es zehn Projekte. Die dort verlinkten Möglichkeiten, sich als Laie an Forschungsprojekten zu beteiligen, sind nur eine Quelle für Citizen Science. Eine andere ist transcribathon.com, wo geisteswissenschaftlich Interessierte bei der Digitalisierung historischer Dokumente aus dem Ersten Weltkrieg helfen.

Vom BMBF kommt eine lange Liste geförderter Projekte

Ohne Zweifel boomen die Bürgerwissenschaften. Zum Engagement von Bürgern, Bürgerinnen und akademisch Forschenden kommt die öffentliche Förderung – durch Unis und andere Forschungseinrichtungen und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Aber tut das BMBF wirklich genug, um die Citizen Science weiter zu etablieren und hat Ministerin Anja Karliczek (CDU) ein Konzept dafür? Das wollten die Grünen im Bundestag jetzt durch eine Kleine Anfrage erfahren (hier geht es zum Volltext der Beantwortung).

Das Ministerium kann auf eine lange Liste geförderter Aktivitäten verweisen, darunter Bürgerdialoge zur Bio-Ökonomie oder zu ethischen Fragen in den Lebenswissenschaften. Direkt in die Citizen Science geht die BMBF-Förderung für das Portal BuergerSchaffenWissen.de – und das Ministerium kündigt eine weitere Ausschreibung „mit mehr Fördermitteln“ an. Ein Konzept können die Grünen darin nicht erkennen, sie kritisieren einen „Flickenteppich unverbundener Einzelmaßnahmen“, der das große Interesse der Zivilgesellschaft nicht abdecken könne.

"Pilotausschreibung": von 311 beantragten Projekten nur 13 gefördert

Häufig gehe es bei den geförderten Maßnahmen darum, „Akzeptanz für bereits beschlossene Forschungspolitiken oder Technologien zu organisieren“. Insbesondere moniert Forschungssprecher Kai Gehring, dass bei einer Ausschreibung von Projekten 2016 von 311 Anträgen nur 13 gefördert wurden. Das BMBF erklärt, es habe sich um eine „Pilotausschreibung“ gehandelt.

Die Grünen glauben, durch partizipative Bürgerwissenschaft könnten auch neue Antworten etwa für die Klimakrise oder das Artensterben gefunden werden. Sie berufen sich auf das „Grünbuch Citizen Science, Strategie 2020“, das die Koordinatorinnen von Bürger-Schaffen-Wissen 2016 vorgelegt haben. Gefordert werden etwa nachhaltige Finanzierungsmodelle für Projekte und eine Aus- und Weiterbildung von Ehrenamtlichen sowie von Forschenden.

Verhindern, dass Bürger als billige Datensammler ausgenutzt werden

So soll etwa verhindert werden, dass die engagierten Bürger als billige Datensammler ausgenutzt werden und ihre Mitarbeit an Forschungsprojekten am Ende gar nicht oder nicht hinreichend gewürdigt wird. Das Grünbuch mahnt auch neue Methoden an, um Citizen-Science-Daten zu verifizieren, aufzuarbeiten und zu speichern. Insgesamt geht es der Bewegung um mehr Anerkennung von Bürgerforschung im Wissenschaftssystem – und um mehr Mitwirkung bei politischen Entscheidungsprozessen.

Das alles erfordere neue Infrastrukturen und Förderprogramme, sagt Katrin Vohland, Leiterin der Abteilung Wissenschaft in der Gesellschaft am Naturkundemuseum und Mitautorin des Grünbuchs. Doch das „klare Bekenntnis des BMBF zu partizipativen Formaten und zu den Bürgerwissenschaften“, das aus der Beantwortung der Grünen-Anfrage hervorgehe, sei durchaus erfreulich.

Die Akteure der Citizen Science seien indes selber gefordert, sich weiterzuentwickeln. So fordert Vohland Angebote für Bürgerinnen und Bürger, die nicht akademisch gebildet sind. „Damit könnten wir der Spaltung der Gesellschaft und dem verbreiteten Misstrauen gegenüber der Wissenschaft entgegenwirken.“

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