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Die neue Methode soll die DNA präziser editieren als die Genschere Crispr.

© Angelika Warmuth/dpa

Crispr-Technik wird verbessert: Forscher stellen die Genschere 2.0 vor

Mit "Prime Editing" soll sich das Erbgut besonders präzise verändern lassen. Die Technologie könnte ein Meilenstein auf dem Weg zu neuen Therapien sein.

Einst galt die "Löschtaste" der Schreibmaschine als besonders komfortables technisches Hilfsmittel. Sie konnte einen falsch getippten Buchstaben mit Hilfe einer Art Klebestreifen vom Papier klauben oder mit weiß übertünchen. Seit es Computer und Textverarbeitungsprogramme gibt, erinnert sich kaum noch jemand daran, und das Korrigieren ganzer Wörter und Absätze ist eine Selbstverständlichkeit geworden.

Einen vergleichbaren technischen Quantensprung könnten Molekularbiologen nun für das Korrigieren und Verändern des Erbgutcodes erreicht haben. Im Fachblatt "Nature" stellt eine Forschungsgruppe um David Liu vom Broad Institut in Cambridge, Massachusetts, eine Weiterentwicklung der Genom-Editierungstechnik CRISPR/Cas9 (kurz Crispr), vor.

Ihr "Prime Editing"-Verfahren sei effizienter als die herkömmliche Genschere. Vor allem zeige es "viel weniger" Fehlschnitte, sogenannte Off-Target-Edits. Die neue Methode soll den Forschern zufolge bis zu 89 Prozent aller bekannten menschlichen Erbkrankheiten korrigieren können.

Die alte Genschere schneidet die DNA-Stränge komplett durch

Zwar gilt die Genschere Crispr schon jetzt als besonders präzise und einfach zu handhaben im Vergleich zu früheren Methoden der Erbgutveränderung: Sie kann mit Hilfe eines Lotsen (der guide-RNA) an jeden gewünschten Ort im Erbgut geführt werden und verirrt sich dabei nur selten. Allerdings schneidet die Schere beide Stränge der DNA-Doppelhelix komplett durch.

Das ist ein Problem, wenn man an dieser Stelle im Erbgut ein Stück zusätzliche DNA einsetzen will. Denn der Reparaturmechanismus der Zelle verbindet die beiden DNA-Enden meist einfach wieder, ohne die Erbgutschnipsel einzufügen, die die Forscher gemeinsam mit der Genschere in die Zelle schleusen. Deshalb werden mitunter nur wenige Prozent der Zellen korrekt editiert und müssen mühsam aus den nicht oder falsch editierten herausgesucht werden.

Lotsen leiten das Enzym zum richtigen Ort

Beim Prime Editing hingegen arbeiten die Forscher nun mit einer optimierten Genschere. Dazu veränderten sie das Scheren-Enzym Cas9 so, dass es die Zielsequenz im Erbgut zwar noch findet und daran bindet, sie aber nicht mehr komplett durchschneidet. Lediglich einer der beiden DNA-Stränge muss zerschnitten werden.

Außerdem koppelten sie Cas9 mit einem zusätzlichen Enzym (einer reversen Transkriptase). Dieses sorgt dafür, dass an der Bindungsstelle Erbgut hinzugefügt, gelöscht oder ausgetauscht werden kann. Was genau die beiden fusionierten Enzyme tun, wird von dem mitgegebenen Lotsen-Molekül, einer speziellen guide-RNA, bestimmt. Sie enthält die Information, wo geschnitten und wie das Erbgut verändert werden soll.

Die Forscher korrigierten die Mutation der Sichelzellanämie

Die Forscher testeten die Methode in Nervenzellen von Mäusen und in vier menschlichen Zelllinien. Es gelang ihnen, DNA so zu modifizieren, ohne dass dafür der Doppelstrang zerschnitten werden musste. Insgesamt führten sie mehr als 175 Veränderungen durch. So korrigierten sie zum Beispiel Mutationen, die zur Sichelzellanämie und zur Tay-Sachs-Krankheit führen.

Bei der Sichelzellanämie führt eine Punktmutation (statt der Aminosäure Glutamat ist Valin eingebaut) dazu, dass veränderte Hämoglobinmoleküle gebildet werden. Unter Sauerstoffmangel verändern die roten Blutkörperchen ihre Form und sehen dann sichelförmig aus. Das kann zu Gefäßverschlüssen und Infarkten in verschiedenen Organen führen und tödlich enden.

Die Tay-Sachs-Krankheit ist eine vererbbare Störung der Lipidspeicherung. Aufgrund eines Enzymmangels sammeln sich in den Zellen bestimmte Lipide an und führen zu einem raschen Abbau von psychischen und physischen Fähigkeiten. Krankheitssymptome beginnen meist ab dem sechsten Lebensmonat, die Kinder versterben um das vierte Lebensjahr.

Experte sieht einen "Meilenstein"

Für solch schwere Erkrankungen könnte mit der neuen Methode eine Heilung deutlich näher rücken. Prime Editing stelle "einen sehr vielversprechenden Ansatz für die Gentherapie dar", sagt Dirk Heckl von der Poliklinik für Pädiatrie der Universität Halle-Wittenberg. Die gezeigte Effizienz der Technologie sei erstaunlich. Bestätigten sich die Ergebnisse in weiteren Studien, könne der Ansatz einen "Meilenstein" auf dem Weg zur therapeutischen Anwendung der CRISPR-Technologie darstellen.

Ganz so weit würde Ralf Kühn noch nicht gehen. Zwar hält auch der Leiter der Forschungsgruppe iPS-basierte Krankheitsmodellierung am Berliner Max-Delbrück-Centrum die neue Methode für eine deutliche Verbesserung. Bisher habe man die Korrekturen aber nur bei Zellen erreicht, die sich ständig teilen. Zur Korrektur von Mutationen im lebenden Objekt müsse die Methode aber auch effizient in ruhenden Körperzellen funktionieren. In diesem Fall würde Kühn es als Meilenstein bezeichnen.

Krankheitsresistente oder glutenfreie Pflanzen züchten

Auch im Bereich der Grünen Gentechnik, die sich mit der Geneditierung bei Pflanzen beschäftigt, sehen Forscher Potenzial im Prime Editing: "Die Technologie ist ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der bisherigen Techniken zur Genom-Editierung", sagt Holger Puchta, Direktor des Botanischen Instituts und Inhaber des Lehrstuhls Molekularbiologie und Biochemie der Pflanzen am Karlsruher Institut für Technologie.

Gerade für Pflanzen sei die Technologie besonders interessant, um genau geplante Veränderungen ins Genom einzubringen. So könne die Technik etwa helfen, leichter krankheitsresistente Pflanzen oder glutenfreie Pflanzenprodukte zu erhalten. Dass mit Prime Editing weniger Erbgutveränderungen an unerwünschter Stelle passieren als mit der herkömmlichen Genschere Crispr, spiele bei Pflanzen aber eine eher untergeordnete Rolle.
Das sieht Jens Boch, Pflanzenbiotechnologe vom Institut für Pflanzengenetik der Universität Hannover, anders. "Auch die neue Technik führt zu ungeplanten Veränderungen, und zwar in nicht unerheblichem Umfang." Zwar sei es "positiv", dass das Risiko im Vergleich zum derzeitigen System auf gewisse Weise geringer geworden ist, da die ungewollten Veränderungen hauptsächlich am Einsatzort im Erbgut auftreten und seltener als bisher an anderen Orten. Dennoch könnten solche Veränderungen grundsätzlich ein Risiko darstellen. Im Bereich der Pflanzenzucht dürfte dieses Risiko eher gering und in Abwägung mit dem potenziellen Nutzen meist kalkulierbar sein. Vor allem für die Anwendung im medizinischen Bereich sei jedoch "weitere Forschung nötig", so Boch. (mit smc)

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