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Wissen: Das harte Brot der Ingenieure

Metallschaum ist sehr leicht und extrem stabil. Der poröse Werkstoff schützt Autofahrer beim Crash. Es sieht aus wie ein Brot. Ist aber keins, sondern ein aufgeschäumter Aluminiumblock, voller Luftblasen, porös wie ein Schwamm, löchrig wie ein Schweizer Käse. Es ist ein Stück Metallschaum.

Ein faszinierendes Material. Es sieht schön aus und fasst sich gut an. Vor allem aber ist es ein begehrter Werkstoff. „Metallschaum ist federleicht und außerordentlich stabil, er kann hohe Belastungen aushalten, starke Stöße abfangen und Vibrationen dämpfen“, sagt Francisco Garcia-Moreno, Physiker am Berliner Hahn-Meitner-Institut (HMI). Für die Automobilbranche beispielsweise das ideale Material. Stoßstangen und Türen aus Metallschaum sind nicht nur leichter als herkömmliche Bauteile, sie bieten auch mehr Aufprallschutz. „Dass die Firmen nur begrenztes Interesse zeigen, liegt daran, dass das Material noch relativ teuer ist“, erklärt Garcia-Moreno.

Ein Metallschaum besteht bis zu achtzig Prozent aus Hohlräumen. Klar, dass er wenig wiegt. Weniger einleuchtend ist, dass ihn seine schwammähnliche Struktur auch besonders stabil macht. Garcia-Moreno erklärt, warum: „Will man einen Metallschaum verformen, muss man die Blasen in seinem Innern zum Platzen bringen, und das kostet viel Energie.“ Das poröse Material sei sehr steif und eigne sich etwa für den Bau von Kranauslegern, die gewaltige Belastungen aushalten müssen.

Zudem dämpft Metallschaum hervorragend Erschütterungen, weil die Stoßkraft über die Porenwände in alle möglichen Richtungen verteilt wird. „Das ist wie eine Luftblasen-Folie, in die man zerbrechliche Geräte einwickelt“, sagt der Physiker. Zur Herstellung eignen sich zwei Verfahren. Zum einen wird Gas in flüssiges Metall eingeblasen – etwa so, als würde man einen Strohhalm in Wasser tauchen und hindurchpusten.

Dabei gilt es zu verhindern, dass die Gasblasen in der Schmelze aufsteigen und entweichen, sonst würde es einfach nur blubbern. Indem die Forscher dem flüssigen Metall kleine Keramikpartikel zusetzen (etwa aus Siliziumkarbid oder Aluminiumoxid), stabilisieren sie die Blasen, so dass sie nicht mehr so schnell platzen. Ein Schaum entsteht.

Die zweite Variante funktioniert wie ein Kuchenteig. Hier wird Metallpulver mit einer Art Backtriebmittel vermischt, zusammengepresst und anschließend erhitzt. Bei einigen hundert Grad Celsius schmilzt das Metall, gleichzeitig setzt das Treibmittel Gas frei. In der Schmelze entstehen Bläschen, die sich immer weiter ausdehnen. Die flüssige Masse schäumt auf die fünf- bis zehnfache Größe auf.

Beim Abkühlen erstarrt der Metallschaum, behält aber seine schwammähnliche Struktur. Die Temperatur darf aber nicht zu schnell sinken, sonst fällt der Schaum in sich zusammen, ein Phänomen, das vom Käsekuchen bekannt ist. Zum Schäumen eignen sich viele Metalle. „Aluminium, Magnesium, Zink, Gold, Stahl beispielsweise, sagt Garcia-Moreno. Jeder dieser Stoffe erfordert ein spezielles „Backtriebmittel“, das bei einer bestimmten Temperatur nahe am Schmelzpunkt des Metalls Gas freisetzt. Entstehen schon Gasblasen, während das Metall noch fest ist, dann bilden sich Risse im Material. Reagiert das Treibmittel erst weit oberhalb des Schmelzpunkts, fällt der entstehende Schaum sofort in sich zusammen, weil das Metall dann zu dünnflüssig ist.

Bei ihren Versuchen am Hahn-Meitner-Institut stellen Garcia-Moreno und seine Kollegen meist Aluminium- und Magnesiumschäume her. „Diese Metalle haben eine niedrige Schmelztemperatur, das erleichtert die Experimente“, erklärt der Physiker. Bei Aluminium wird Titan- oder Zirkonhydrid als Treibmittel verwendet, die ab 400 Grad Celsius Wasserstoff freisetzen. Zum Aufschäumen von Magnesium eignet sich Magnesiumhydroxid. Meist benötigt man weniger als ein Prozent der eingesetzten Metallmenge an Treibmittel.

Bei der Herstellung der Schäume gibt es noch Probleme mit der Schwerkraft. Im heißen Schaum fließt das geschmolzene Metall nach unten, wodurch die Blasenwände oben immer dünner werden. „Irgendwann platzen sie und die Blasen verschmelzen – wie in der Biertulpe“, sagt Garcia-Moreno. Diesen Vorgang nennt man Koaleszenz. Im oberen Teil des Schaums entstehen dadurch ausgedehnte Hohlräume, die unerwünscht sind, weil sie die Stabilität des Materials herabsetzen.

Philipp Zach arbeitet bei der österreichischen Firma Alulight, die Aluminiumschaum produziert. Er bestätigt, dass die Koaleszenz ein Problem darstellt. „Aber nur bei sehr großen Werkstücken, ansonsten haben wir das schon gut im Griff.“ Alulight fertigt unter anderem ein Bauteil für den Audi Q7: einen Halter für das Gepäck-Trennnetz zwischen Insassen und Kofferraum.

„Bei einem frontalen Aufprall wird der Inhalt des Kofferraums nach vorn geschleudert“, sagt Zach. Dabei sollte das Trennnetz nicht durchschlagen werden, um die Fahrgäste nicht zu verletzen. Deshalb sei das Netz an einer Vorrichtung aus Aluminiumschaum befestigt, die im Ernstfall von der Wucht des aufprallenden Gepäcks zerquetscht wird. Das fängt die Stoßenergie wirkungsvoll ab.

„In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach Aluminiumschaum-Produkten gestiegen“, sagt Zach. Alulight produziert große Platten aus dem Werkstoff, die über einen Meter lang und bis zu mehrere Zentimeter dick sind. Aus solchen Platten fertigen andere Hersteller zum Beispiel Ölbehälter.

HMI-Forscher Garcia-Moreno fiebert derweil dem März entgegen. In einer unbemannten Maser-Rakete des schwedischen Weltraumunternehmens SSC wird dann eine Versuchsanordnung mitfliegen, die seine Arbeitsgruppe entwickelt hat. Während des Flugs herrschen sechs Minuten Schwerelosigkeit – in dieser Zeit soll eine kleine Apparatur selbstständig Metallschaum erzeugen. „Wir beobachten dann, wie sich der schwerelose Schaum bei verschiedenen Temperaturen entwickelt“, erläutert der Physiker.

Damit ließen sich grundlegende Fragen beantworten – etwa, wie man die Fertigung des porösen Materials noch verbessern kann. „Wir wollen wissen, wie stabil der Schaum unter verschiedenen Bedingungen ist und wie zähflüssig seine Blasenwände sind“, sagt Garcia-Moreno. Ohne Schwerkraft ließe sich das besonders gut untersuchen.

Im Dezember 2007 haben die HMI-Mitarbeiter schon einmal in der Schwerelosigkeit experimentiert. Während eines Parabelflugs in einem umgebauten Airbus 300 konnten sie wichtige Erkenntnisse gewinnen. Sie lernten auch, wie die Messapparatur eingerichtet werden muss, damit beim kommenden Raketenflug alles vollautomatisch funktionieren kann.

Den Raketentest finanziert die europäische Weltraumorganisation Esa. Für sie sind die Metallschäume besonders interessant, denn das Material eignet sich hervorragend zum Bau von Raumstationen: Es wiegt wenig, hält viel aus und schützt gut vor aufprallenden Mini-Meteoriten. „Der Raumfahrtindustrie macht es im Gegensatz zu den Autoherstellern nichts aus, wenn das Material ein paar Cent teurer ist“, sagt Garcia-Moreno. Die Qualität stehe im Weltraum absolut im Vordergrund.

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