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Weißes Rätsel. Kosmische Strahlen können die Wolkenbildung verstärken. Aufnahme des „Hubble“-Teleskops. Foto: AFP

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Wissen: Das Werden der Wolken Strahlen aus dem All lassen Schwebeteilchen entstehen – ein Prozess, der das Klima beeinflussen kann

Der Mensch hat an der Erderwärmung nur eine geringe Schuld. Den größeren Anteil haben die Sonne mit ihrer wechselnden Aktivität und die kosmische Strahlung.

Der Mensch hat an der Erderwärmung nur eine geringe Schuld. Den größeren Anteil haben die Sonne mit ihrer wechselnden Aktivität und die kosmische Strahlung. Sie führen dazu, dass mal mehr und mal weniger Wolken entstehen, die dann einen besseren oder schlechteren Sonnenschutz bieten und so die Erde abkühlen oder aufheizen. Mit dieser These argumentieren Kritiker gegen das „Märchen vom menschengemachten Klimawandel“. Dass die globale Erwärmung nicht auf den Menschen allein zurückgeht, sondern von natürlichen Änderungen beeinflusst wird, ist unter Fachleuten unbestritten. Wie groß der himmlische Anteil ist, weiß keiner genau.

Mit großer Spannung wurden daher die Ergebnisse des Cloud-Experiments (Cosmics Leaving Outdoor Droplets) erwartet: In einem großen Edelstahltank untersuchen Physiker, inwiefern kosmische Strahlung die Bildung von winzigen Partikeln beeinflusst, die an der Wolkenentstehung maßgeblich beteiligt sind. Jetzt wurden im Fachblatt „Nature“ die ersten Resultate veröffentlicht (Band 476, Seite 429). Demnach spielt die Strahlung aus dem All tatsächlich eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, aus Schwefelsäure und Ammoniak Schwebeteilchen zu bilden. Je nach Temperatur ist diese „Keimbildungsrate“ bis zu zehnmal so hoch wie ohne die Hilfe der Strahlung.

„Um Keime zu entwickeln, müssen in der Atmosphäre einzelne Gasmoleküle zu Haufen von ein paar Hundert oder Tausend Exemplaren zusammengebracht werden“, erläutert Joachim Curtius von der Universität Frankfurt (Main), einer der beteiligten Wissenschaftler. „Das geht umso besser, je mehr elektrisch geladene Teilchen, Ionen genannt, vorhanden sind.“ Denn die Moleküle der Schwefelsäure oder des Ammoniaks sind polar, haben also einen Ladungsschwerpunkt. Dort können Ionen leicht andocken und das Wachstum vorantreiben. Die Ionen wiederum entstehen durch die kosmische Strahlung. Sie kann beispielsweise aus einem Sauerstoffmolekül ein Elektron herausschlagen, und schon gibt es zwei geladene Teilchen in der Atmosphäre, die beim „Keimen“ helfen.

Dass mehr Partikel schließlich zu mehr Wolken führen, diesen Schluss lasse die Arbeit jedoch nicht zu, betont Curtius. Bis dahin fehlen nämlich noch einige Schritte: Mehrere Hundert Partikel müssen sich zusammenfinden, bis „Wolkenkondensationskeime“ entstehen. Und diese rund einen Tausendstel Millimeter großen Gebilde müssen noch mal ordentlich Wasserdampf heranholen, bevor ein Tropfen entsteht.

„Ob die kosmische Strahlung bei diesen folgenden Schritten ebenfalls eine Rolle spielt, und vor allem welche, wissen wir nicht“, sagt der Physiker. „Einen Zusammenhang zwischen der kosmischen Strahlung und dem Klimawandel herzustellen, wäre viel zu früh.“ Diese Einschätzung teilt auch Georg Feulner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: „Es bleibt nach wie vor unklar, wie viele der kleinen Partikel überhaupt zu ausreichender Größe wachsen können, die für die Tröpfchenbildung, und somit die Wolkenentstehung nötig ist.“

Während das Cloud-Experiment sich auf die Mikrophysik der Wolkenbildung konzentrierte, müssen die Forscher ebenso die großen Dimensionen untersuchen. Also schauen, ob die Variation der kosmischen Strahlung tatsächlich mit dem Grad der Wolkenbedeckung zusammenhängt. Darauf weist Hauke Schmidt vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg hin. Die bisherigen Studien dazu widersprächen sich. Das Problem ist die kurze Beobachtungsdauer. Satellitenerkundung gibt es erst seit drei Jahrzehnten. Um verlässliche Aussagen in Bezug auf die Strahlung aus dem All zu machen, müssten es Jahrzehnte mehr sein. „Ich glaube schon, dass es einen Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und Wolkenbildung gibt“, sagt der Wissenschaftler. „Aber ob dieser bedeutsam im Vergleich zu anderen Klimafaktoren ist, das ist umstritten.“

Auch der Atmosphärenforscher Johannes Quaas von der Universität Leipzig ist sich sicher, dass die kosmische Strahlung die Wolkenentstehung beeinflusst. Einen indirekten Nachweis dafür hat er bereits in Modellrechnungen erbracht, die im Fachjournal „Atmospheric Chemistry and Physics“ veröffentlicht wurden. Einen entscheidenden Beitrag zum aktuellen Klimawandel bezweifelt Quaas aber. „Wir beobachten seit mehr als einem Jahrhundert eine Erwärmung um 0,7 Grad Celsius“, sagt er. „Man bräuchte schon einen sehr deutlichen und vor allem langfristigen Rückgang der kosmischen Strahlung, um nennenswert weniger Wolken zu haben, die dann zu dieser Temperatursteigerung führen.“ Abgesehen davon, dass ein solcher Trend nicht beobachtet wurde, hält Quaas eine derart große Änderung für sehr unwahrscheinlich.

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