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Mit Maske im Hörsaal - hier ein Bild aus den USA.

© imago images/Belga

Das Wintersemester sollte in Präsenz stattfinden: Unis, beendet das Herumgeeiere!

Unis pauschal schließen? Dafür gibt es keine Rechtfertigungen mehr. Die Hochschulen sollten energisch ihre Öffnungen vorantreiben, sagt unser Kolumnist.

Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade Abitur gemacht, leben noch bei Ihren Eltern und müssen sich jetzt entscheiden, ein Zimmer in Ihrer künftigen Hochschulstadt anzumieten. Oder Sie stammen aus Rumänien, Polen oder Italien, haben dort ihren Bachelor absolviert und würden jetzt gern fürs Masterstudium nach Deutschland kommen.

Doch zunehmend fragen Sie sich: Ergibt das überhaupt Sinn? Verlasse ich mein Heimatland, meine Freunde und meine Familie, suche ich mir für viel Geld eine Unterkunft in Deutschland, und dann hocke ich da allein, weil die Uni erneut dicht ist?

Und dann lesen Sie Einschätzungen wie diese: „Die Hochschulen haben nach heutigem Stand eine sehr gute Chance, deutlich mehr Präsenzangebote machen zu können als noch in diesem Sommersemester.“ Allerdings bleibe „die sich stetig verändernde Pandemielage“ der „zentrale Faktor bei den Planungen“. Und: Bei einer „Verschärfung der pandemischen Situation“ sei eine flächendeckende Rückkehr zu rein digitalen Formaten notwendig.“

Gesagt hat das der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter-André Alt, in „Forschung und Lehre“. So ähnlich können Sie es aber derzeit von vielen Hochschulrektoren landauf und landab hören. Hand aufs Herz: Würden Ihnen solche Sätze Vertrauen und Mut einflößen? Würden Sie sich als Student auf dieser Grundlage auf den Weg machen?

Die Impfstoff-Knappheit ist vorbei

Christian von Coelln steht dem Landesverband Nordrhein-Westfalen im Deutschen Hochschulverband (DHV) vor. Er forderte vergangene Woche in der „FAZ“, die Hochschulen müssten die Vorbereitungen auf ihre mögliche Öffnung „energisch“ und „erkennbar“ vorantreiben und „entsprechende Signale“ geben. Und von Coelln fügte hinzu: Wer die Hochschulen öffnen wolle, dürfe jetzt nicht abwarten und die Öffnung dann unter Hinweis auf fehlende Voraussetzungen unterlassen.

So ist es: Das Herumgeeiere muss aufhören. Es ist bedauerlich, dass die gesamtgesellschaftliche Impfquote kaum noch steigt. Positiv gewendet bedeutet das aber, dass die Impfstoff-Knappheit vorbei ist und, wovon vor kurzem noch keiner zu träumen wagte, genug da ist, dass realistischerweise alle Studierenden und Wissenschaftler, die dies wollen, bis Mitte Oktober zweimal geimpft sein können.

Keine Rechtfertigung mehr für pauschale Unischließungen

Und genau das ist dann der Zeitpunkt, ab dem es keine Rechtfertigung mehr geben wird für pauschale Hochschulschließungen oder Abstandsregeln, die die Raumkapazitäten auf ein Viertel und weniger herabsetzen.

Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
Unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

© Privat

Das ist die eindeutige Botschaft, die die Studierenden jetzt genauso verdient haben wie die Hochschuldozenten, die zu Recht nicht erneut zweigleisig planen wollen. Dass keiner jede kommende Corona-Wendung voraussehen kann, ist jedenfalls kein Grund, jetzt nicht mit obigem Szenario zu arbeiten, und erst recht nicht, es bei absehbar steigenden Inzidenzen sofort wieder zur Disposition zu stellen. Solange Politiker mit Hinweis auf die Impfungen den erneuten Lockdown von Geschäften und Restaurants ausschließen, sollte und muss dies auch für Hochschulen gelten.

Seminare in voller Personenstärke

Was das konkret bedeuten würde: Seminare und Übungen in voller Personenstärke, wo nötig auch ohne Abstand, gegebenenfalls mit Maskenpflicht. Zugelassen auf dem Campus werden alle Geimpften, alle übrigen Studierenden nur mit einem tagesaktuellen Corona-Test. Massen-Vorlesungen hingegen sind schon aus didaktischen Gründen nicht sinnvoll, sie sollten ohnehin und dauerhaft durch sogenannte Flipped-Classroom-Formate ersetzt werden: Die Inhalte werden digital vermittelt und dann vor Ort in Kleingruppen besprochen.

Was es dafür braucht: Ambitionierte Hochschulleitungen, die dies und nur dies als Ziel benennen, anstatt die Wenns und Abers zu betonen. Landesregierungen, die ihnen die nötige Rückendeckung dafür geben. Die den Mindestabstand, wo nötig, aussetzen und die Voraussetzungen dafür klar benennen. Und die Zuversicht aller, diesen Weg trotz verbleibender Unwägbarkeiten gemeinsam loszugehen.

Vergangenes Wintersemester hatte ich in einer Kolumne noch vor überschäumenden Präsenz-Zusagen gewarnt. Dieses Jahr ist die Mutlosigkeit der Hochschulen in einer ungleich besseren Gesamtlage das größte Risiko. So ändern sich die Zeiten.

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