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Im Stollen. Im Mai wurde das Archiv im Salzbergwerk offiziell eingeweiht.

© MOM

Daten sicher speichern: Für eine halbe Ewigkeit

Festplatten und CDs halten nur wenige Jahrzehnte. In Österreich entsteht nun ein Archiv, das Informationen auf Keramiktafeln bewahren soll - in einem alten Salzbergwerk. Auch Privatleute können die Tafeln nutzen. Für einen stolzen Preis.

Trotz einer nie gekannten Flut von Daten könnte unser Jahrhundert als das finstere Jahrhundert in die Geschichte eingehen. Datenträger wie DVD, CD und Festplatte besitzen nur eine begrenzte Lebensdauer, immer wieder muss umkopiert werden. Zwar gibt es in einem Bergwerksstollen im Schwarzwald ein Archiv, wo wichtiges deutsches Kulturgut schwarzweiß auf Mikrofilm aufgezeichnet wurde, doch auch diese sind vermutlich nur 500 Jahre haltbar. Wenn Pandemien, schwere Vulkanausbrüche oder Asteroiden die Erde heimsuchen, könnte auch dieses Archiv eines Tages nicht mehr nutzbar sein.

Im österreichischen Hallstatt geht man einen anderen Weg. Dort werden die Informationen von Museen, Universitäten und sogar Privatpersonen auf dem haltbarsten Material eingebrannt, das Archäologen kennen: Keramiktafeln. Diese werden in Steinsalz gelagert und bilden das MOM-Archiv (Memory of Mankind). Der Initiator, Martin Kunze, setzt auf ein Verfahren, bei dem Texte und Fotos mit einer Art Laserdruck mittels farbiger keramischer Pigmente auf ein mit Gelatine beschichtetes Papier gebracht werden. Dieses wird auf eine Steinzeugplatte gepresst und bei 850 Grad Celsius in die Keramiktafeln eingebrannt. „Dadurch können alle Dokumente nicht nur in Bild und Text für die Nachwelt erhalten bleiben, sondern sogar in vier Farben“, sagt Kunze. Durch das Brennen seien die Keramikplatten wasserdicht, bis zu 1200 Grad hitzebeständig, säurefest sowie magnet- und strahlenbeständig.

Auch die Speicherdichte der Tafeln ist vergleichsweise hoch. 35 000 Textzeichen passen auf eine 20 mal 20 Zentimeter große Keramikplatte. Das entspricht je nach Schriftgröße 10 bis 20 A4-Seiten. Die Auflösung für Bilder beträgt 300 dpi, also etwa dem Niveau von Abbildungen in Tageszeitungen.

Eingeschlossen werden die Steinzeugplatten im ältesten Salzbergwerk der Welt in Hallstatt in eigens dafür geschaffenen Kammern. Da das Gebirge in der Region aufgrund seines hohen Salzgehaltes plastisch ist, wird der schmale Zugang zu den Kammern nach rund 40 Jahren auf natürliche Weise verschlossen sein. Außerdem liegt der Ort des Archivs hoch genug, um bei einem Anstieg des Meeresspiegels nicht geflutet zu werden.

Das Naturhistorische Museum in Wien ist Kooperationspartner des Archivs und hat bereits 200 seiner wichtigsten Ausstellungsstücke auf den Keramiktafeln verewigen lassen. Anton Kern, Abteilungsdirektor für prähistorische Forschung des Museums, kennt das Material natürlich von vielen Exponaten seiner Sammlung. „Ohne Zweifel zählen Stein und gebrannter Ton zu den dauerhaftesten Nachrichtenträgern und Archivmaterialien, die es gibt.“ Aus dem Gebiet des „fruchtbaren Halbmondes“ in Vorderasien haben Forscher bis zu 7000 Jahre alte Tontafeln mit wirtschaftlichen Daten bis hin zu politischen Inhalten geborgen. „Ursprünglich wurden die dort üblichen Keilschriftzeichen in Tontafeln eingeritzt, die später aushärteten“, sagt der Archäologe. „Durch Brennen, das manchmal auch unabsichtlich erfolgte, wurden diese noch dauerhafter konserviert.“

Gesichert. Auch ein Foto des Urvogels Confuciusornis aus dem Naturhistorischen Museum Wien wurde eingelagert.
Gesichert. Auch ein Foto des Urvogels Confuciusornis aus dem Naturhistorischen Museum Wien wurde eingelagert.

© Wikimedia

Das Archiv im Salz habe auch schon viele Anfragen von Instituten und Firmen bekommen, sagt Kunze. Selbst Privatpersonen können ihre Geschichte verewigen lassen. Dazu müssen sie ihre Fotos, Texte und Erinnerungsstücke auf der Webseite des MOM hochladen und die entsprechende Anzahl an Steinzeugtafeln in Auftrag geben. Stückpreis 294 Euro. „Mit dem Geld, was wir mit den Privatkunden verdienen, finanzieren wir die Administration von MOM sowie größere Projekte, wie beispielsweise die Abbildung von ganzen Büchern“, sagt Kunze. Derzeit werde „Die Geschichte Österreichs“ auf hunderte Steintafeln übertragen.

Demnächst will der schwedische Archäologe Cornelius Holtorf von der Universität Kalmar hier Tontafeln hinterlegen, die die Lage aller Atommülllager der Welt anzeigen. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie künftige Generationen zuverlässig vor dem gefährlichen Abfall gewarnt werden können.

Damit das Archiv auch in Zukunft gefunden werden kann, bekommt jeder, der mitmacht, eine Plakette, auf der die geografische Lage des MOM eingestanzt ist. Ebenso sollen diese Plaketten um alle Atomlagerstätten verteilt werden. Damit sie lange halten, sind sie aus dem gleichen robusten Material wie die Tafeln: gebranntem Steinzeug.

Eckart Granitza

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