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Wissen: Der Inklusions-Marathon Kinder mit Behinderungen müssen warten

Die Vereinten Nationen haben 2006 die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zum Menschenrecht erklärt. Nach Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat ist dies auch für Deutschland verbindlich.

Die Vereinten Nationen haben 2006 die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zum Menschenrecht erklärt. Nach Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat ist dies auch für Deutschland verbindlich. Doch wie ernst ist es der Politik damit, die Inklusion auch umzusetzen?

Immerhin haben die Kultusminister inzwischen erkannt, dass sie der Hauptadressat für Verbesserungen sind. Denn je früher in Kindergärten und Schulen Behinderungen erkannt werden, desto rechtzeitiger kann man durch sonderpädagogische Hilfen und geschulte Lehrer einen Unterricht gestalten, der Kindern mit Behinderungen an normalen allgemeinbildenden Schulen eine Chance bietet. Darum geht es in der jüngsten Empfehlung der KMK.

Doch bis die politisch gewollte Inklusion in den Schulen umgesetzt wird, könnten noch zehn Jahre vergehen, erklärte KMK-Präsident Bernd Althusmann jetzt in Berlin. So jedenfalls werde es in Niedersachsen gesehen, wo er Kultusminister ist. Althusmann sprach von einem „Marathonlauf“. Lehrkräfte wären ohne Fortbildung damit überfordert, Schüler mit Behinderungen zu unterrichten. Ihnen müssten unbedingt Sozialpädagogen und Psychologen zur Seite gestellt werden.

Althusmann empfahl auch radikale Änderungen in der Lehrerbildung: Niedersachsen denke daran, Grundschullehrer für die Fachrichtung Inklusion auszubilden. Für weiterführende Schulen könnten neben den herkömmlichen Lehrkräften mit zwei Fächern künftig auch Lehrer mit einem Fach wie Deutsch und dem Zweitfach Inklusion ausgebildet werden. Jenseits von Modellen in den Ländern müssten in ganz Deutschland 800 000 bereits im Schuldienst beschäftigte Lehrer so fortgebildet werden, dass auch sie in der Lage sind, mit Behinderten umzugehen.

Bislang prüfen Fachleute in den Kommunen, ob ein Kind für den Besuch allgemeinbildender Schulen geeignet ist oder auf Sonder- beziehungsweise Förderschulen verwiesen werden muss. Auch künftig steht die Eignungsuntersuchung nicht in Frage, wohl aber die Verbindlichkeit der Empfehlung für den Schulbesuch. Das Recht des Kindes, ihm auch bei Behinderung einen barrierefreien Weg in die Schulen und später in die berufliche Bildung zu ermöglichen, soll Vorrang haben. Ziel ist es, Schüler mit Behinderungen nach den Standards der allgemeinbildenden Schulen zu unterrichten.

Bremen erprobt die Inklusion seit Jahren. Der hoch verschuldete Stadtstaat weise mittlerweile allen Schulen Sozialpädagogen zu, berichtete die Vorsitzende des Schulausschusses der KMK, Cornelia von Ilsemann aus Bremen. Untersucht werden die Kinder zudem an zwei Terminen, am Ende der vierten Klasse vor dem Wechsel auf weiterführende Schulen und am Ende der achten Klasse.

Die von Althusmann verkündete Marathon-Perspektive wird Eltern von Kindern mit Behinderungen enttäuschen, die auf schnelle Inklusion drängen. Doch vor allem in Ostdeutschland wünsche sich die Mehrheit, dass Behinderte weiterhin auf Sonderschulen gefördert werden, hieß es bei der KMK.Uwe Schlicht

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