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Wissen: Der Lebensbaum der Leber

Wie die Mathematik der Chirurgie hilft

Die Natur muss eine gute Mathematikerin sein. Ein Beispiel dafür ist die menschliche Leber. In ihr sind vier Gefäßsysteme auf engstem Raum untergebracht: Die Pfortader und die Leberschlagader, die Blut in die Leber transportieren. Und Lebervene und Gallengangssystem, die Blut und Gallenflüssigkeit aus der Stoffwechselzentrale Leber herausleiten.

„Wir verstehen bis heute nicht, wie hier komplexe mathematische Strukturen zusammengebracht werden“, sagte der Bremer Mathematiker Heinz-Otto Peitgen. Der Chaosforscher hielt am Mittwochabend den Eröffnungsvortrag zum Jahr der Mathematik in der Berliner Telekom-Zentrale.

Die "komplexen mathematischen Strukturen" Peitgens sind Fraktale – Gebilde, die aus verkleinerten Kopien ihrer selbst bestehen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Gefäßbäume der Leber. Sie fließen aus haarfeinen Kapillaren zu immer größeren Gefäßen und schließlich zu einem Hauptstamm zusammen – oder verzweigen sich je nach Flussrichtung umgekehrt in immer feinere Verästelungen. So wie ein Baum. Oder wie das Mündungsdelta des Mississippi. Oder wie die Verzweigungen der Lungenbronchien. Die Natur rechnet eben gerne.

Vor 13 Jahren gründete Peitgen die Firma Mevis, die die Mathematik der Fraktale für die Medizin und damit für den Menschen nutzbar macht. Zum Beispiel in der Leberchirurgie. Mit Hilfe mathematischer Modelle der Blutgefäße in der Leber errechnen die Wissenschaftler von Mevis anhand von computertomographischen Aufnahmen, welche Teile des Organs nach einer Operation etwa wegen eines Tumors in Gefahr sind, nicht mehr gut durchblutet zu sein.

Das Ergebnis dieser Berechnungen widerspricht manchmal der Intuition des Chirurgen: Kleine Lageveränderungen eines Tumors können das Risiko für Teile der Leber sprunghaft erhöhen. Es sind die komplizierten Fälle, bei denen Peitgens Firma dem Gespür der Operateure inzwischen auf die Sprünge hilft. Hartmut Wewetzer

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